Bevor ich zum eigentlichen Teutoburger Waldmarathon 2017 komme, möchte ich einige Gedanken erst im Allgemeinen loswerden, insbesondere, um den Titel zu erläutern.
Gedanken:
Als ich anfing zu laufen, war die 10 km Marke ein großes Ziel. Wisst ihr wie weit 10 km sein können, wenn sie zum ersten Mal macht? Erinnert ihr euch dran? Ich erinnere mich gut, es war ein erhabenes Gefühl. Ich fing an dies zu vergleichen mit dem Weg zur Uni, zum Supermarkt oder der Weg zu Freunden. Wow, ich konnte nun also soweit rennen. Es war ein langer Weg, doch dann veränderten sich die Maßstäbe. 10 km zu laufen wurde normal und Alltag, bzw. es war nichts Besonderes mehr. 10 km unter 60 Minuten waren der Wahnsinn. Es fühlte sich so schnell an im Vergleich zu früher. Der erste 20 km Lauf war auch neuer Maßstab. Verrückt, da läuft man plötzlich das Doppelte von 10 km. Es folgten wieder die Vergleiche, um die Distanz greifbar zu machen. 20 km reichten um von einem Dorf zu nächsten zu Laufen, bzw. von einer Stadt zur nächsten. Wieder gab es einem neuen Maßstab. So ein Lauf hieß nun lange Einheit und wurde einmal pro Woche gelaufen. War es nicht gerade noch der 10 km Lauf der so bedeutsam war? Dieses Spiel geht weiter. Der erste Halbmarathon, der erste 30 km Lauf, der erste Marathon. Einen Marathon pro Jahr, bloß nicht mehr. 2017 werden es bei mir wohl mindestens vier Marathons und ein Ultra bei denen ich jetzt schon fest angemeldet bin. Moment Ultra? Ja, auch so ein neuer Maßstab, wenn man länger als 42,195 km laufen möchte.
Der Blick und die Leistung verschieben sich. Je weiter ich dieses Spiel treibe, umso mehr ungläubige Blicke erhalte ich. Sätzen wie „Du bist doch verrückt.“ fallen schnell oder „Das könnte ich nicht.“ Und dann stehe ich da und bin traurig. Ich bin nicht verrückt, sondern akribisch in meiner Entwicklung als Läufer. Mir ist vollkommen bewusst, dass dieses Spiel ein Ende hat. Ich spiele dieses Spiel seit mehr als 9 Jahren und nichts passiert unüberlegt. Entscheide ich mich für eine neue Runde in diesem Spiel, dann gingen Wochen der Überlegungen ins Land, Abwägungen und Planungen wie der nächste Zug aussehen wird. Am 1. Januar 2008 fing mein Spiel an, als ich nach 12 Minuten „laufen“ schwer hechelnd und keuchend nicht mehr konnte und meinen ersten Lauf damit beendete, sagte ich ebenfalls „Ich kann das nicht. Aber ich möchte es.“
Was hat das alles mit dem Marathon nun zu tun? Heute habe ich wieder einen solchen Maßstab verschoben. Ich hätte entweder ein Doppelpack gemacht (Samstag 25 km und Sonntag 32 km) oder eben diesen Marathon. Doppelpack ist eine Trainingsform für eine Ultramarathonvorbereitung. Dabei laufe ich zwei lange Einheiten an zwei Tagen hintereinander, um mit der Ermüdung vom Vortag weiter zu trainieren. Das soll sehr lange Distanzen simulieren. Ich bin noch nie einen Marathon gelaufen, als gezieltes Training. Ich beschloss im eher niedrigen Pulsbereich zu bleiben damit es wirklich ein Training bleibt und ca. 6 kg auf meine Schultern zunehmen. So schwer ist mein Rucksack, wenn ich alles für den Zugspitzultra an Pflichtausrüstung einpacke plus 2,5 Liter Wasser als vollen Trainingsbalast.
Als meine Freundin mich am Morgen des Laufes verabschiedete, sagte ich zu ihr, dass man niemals den Respekt vor einem Marathon verlieren dürfte. Es ist und bleibt ein Marathon. Ich habe auch schon 35 km lange Trainingseinheiten abgebrochen, weil nichts mehr ging. Egal wie viele Marathons ich bisher lief oder noch laufen werde, jeder Marathon bleibt etwas Besonderes, was dieser Bericht nun zeigen wird. Und ganz wichtig, auch wenn ich mich wiederhole: Man braucht bei entsprechender Vorbereitung keine Angst vor einem Marathon haben, aber den Respekt davor sollte man niemals verlieren.
Samstag, 13. Mai 2017
Vor dem Start
Auf ging es nach Lage, was zwischen Detmold und Bielefeld liegt. Den Teutoburger Waldmarathon zu laufen war nicht meine erste Idee für dieses Wochenende. Eigentlich war mein Plan zum zweiten Mal den Rheinsteigextremlauf zu laufen, der bei 35 km gute 1200 Höhenmeter hatte. Leider fiel dieser Lauf kurzfristig aus und so entschied ich mich als alternative diesen Marathon mit knapp 700 Hm zu laufen. Dieser Marathon sollte eine lange Einheit als Vorbereitung für mich in meinem Trainingsplan darstellen für den Zugspitzultratrail (ZUT) in fünf Wochen.
Die Austeilung der Startnummer schnell ging. Sowieso muss ich betonen, dass die gesamte Organisation hervorragend funktionierte. Kurz vor dem Start ging eine Gruppe an mir vorbei und sie fragten sich untereinander laut, warum ich denn Stöcker und so einen vollen Rucksack dabei habe. Ob das nicht übertrieben sei? Als ich anbot, ihnen die Frage zu beantworten und sie bejahten, kamen wir ins Gespräch. Ich erklärte meine Absichten, dass ich mit vollem Gepäck laufen möchte, so wie beim ZUT in einigen Wochen. Ich gab ihnen den Rucksack zum Probetragen, und sie bemerkten, dass er doch eine gewisse Belastung war und ihr Blick stempelte mich als „So ein Verrückter ab“.
Ein weiterer Herr kam dazu. Er berichtete, dass er den ZUT schon gelaufen sei. Die Gesprächsrunde wurde größer. Als wir gemeinsam zum Start gingen, sah ich immer mehr ZUT Finisher und/oder welche, die erwähnten, dass sie auch den ZUT laufen werden. Ich fühlte mich meinem Vorhaben bestätigt, dass ich nicht der einzige war, der diesen Marathon als Vorbereitung nahm.
Da standen wir nun, als großer Haufen von Läufer_innen, und lauschten den Worten des Wettkampfrichters, der uns letzte Hinweise gab. Um 12:30 Uhr fiel der Startschuss und der 42,195 km Spaß begann.
Die erste Runde
Ich nahm mir vor locker zu laufen. Im ernst. Ich hab das wirklich gemacht und mich den gesamten Lauf dran gehalten. Trotzdem war ich sofort recht weit vorne, was mich irritierte. Ich schaute auf die Uhr und sagte mir, dass ich mein Ding draus mache, unabhängig von anderen. Eine Runde entsprach einem Halbmarathon und die Runde durfte ich zweimal durchlaufen. Diese Runde ließ sich in Vierabschnitte unterteilen: Vom Start zum einzigen Verpflegungspunkt, erste Schleife, zweite Schleife und zurück zum Start. Jede Schleife endete immer bei diesem einen Verpflegungspunkt.
Ich lief vom Start 5 km in Richtung des einzigen Verpflegungspunktes. Auf diesen 5 km war ich nur im Wald und zu einem Teil auch auf der Strecke vom Hermannslauf. Beim Hermannslauf war es der Abschnitt zwischen Km 13,5 und Km 15 (Anfang des Tönsberg). Wir liefen aber nicht wie beim Hermannslauf den Tönsberg hoch, sondern bogen vorher ab. Immer wieder sah ich Streckenposten die mal alleine, mal zu zweit an Kreuzungen standen und dafür sorgten, dass niemand falsch abbog. Mein Respekt für diese Frauen und Männer wuchs über den Tag, denn am Ende des Marathons standen sie mit gleichem Einsatz an den Kreuzungen.
Am Getränkepunkt angekommen, hatte ich 5 km bei besten Wetter im Wald hinter mir. Die Helfer_innen kamen mir gleich entgegen und fragten, was ich wollte, hielten mir auch schon Wasser entgegen. Es gab hier alles was man braucht. Elektrolyte, Wasser, Tee, Bananen, Müsliriegel und Weißbrot. Egal wann ich später noch vorbei kam, es gab immer ausreichend und genügend.
Der Verpflegungspunkt selbst war an einer Kreuzung, an der man dreimal vorbei kam. Von diesem Verpflegungspunkt ging es in die erste Schleife und die bestand aus urigen Waldwegen, Singletrails und einer wunderschönen Panoramaaussicht. Dieser Abschnitt war der schönste für mich. Was ein toller Lauf, stand für mich da schon fest. Hier begann auch mein erstes Gespräch mit einem anderen Läufer, das bis Km 13 anhalten sollte.
Am Ende der Schleife, waren knapp 10 km abgespult und ich kam wieder an dem einen Verpflegungspunkt heraus. Der eine Laufbegleiter und ich blieben kurz stehen, tranken und aßen etwas. Danach hieß es: Auf geht es in die zweite Schleife. Diese Schleife bestand aus einem kleinen Straßenanteil und sonst nur Forstwegen im Wald und am Waldesrand. Auch hier fühlte ich mich wohl und fand die Umgebung, gerade im Wald, sehr schön. Ungefähr bei Km 12,5 stand in der zweiten Schleife ein Streckenposten, der genau notierte, welcher Marathonläufer vorbei lief.
Es ging nun langsam zurück. Ihr ahnt es sicher schon, dass ich zum dritten Mal nun am selben Verpflegungspunkt raus kam. Von dort aus ging es nun 6 km zurück zum Start/Zielbereich. Der Weg war in Teilen mit dem Hinweg identisch, aber in Teilen auch unterschiedlich, eben weil der Rückweg länger war. Mir kamen auf den identischen Abschnitt die 10 km Läufer entgegen.
Am Ende der ersten Runde bog ich auf einen Fußballplatz ein und vor der Ziellinie gab es eine weitere Verpflegungsstation. Als die Speicher aufgefüllt waren, ging es unter Applaus weiter durch den Startbereich, in dem sich mittlerweile die Halbmarathonläufer_innen aufgestellt hatten. Ich sah auf die Uhr: 1:51h hatte ich für die erste Runde gebraucht. In 9 Minuten würden diese Leute mit ihrem Wettkampf anfangen und ich würde regelmäßig überholt werden.
Die zweite Runde
Die zweite Runde war vom Laufweg hier identisch zur ersten Runde. In der ersten Schleife wurde ich regelmäßig von Halbmarathonläufern überholt. Ich bemühte mich darum immer Platz zu machen. In dieser Phase lief ich mit der zweiten Frau zusammen und wir quatschten ein wenig. Sie hoffte, dass ihr Freund das rennen gewinnen würde. Dieser Marathon sei für sie eigentlich nur die Vorbereitung für einen anderen Marathon, der in Kürze folgen sollte.
Beim Singletrailabschnitt fiel mir auf, dass der ganze Weg plötzlich sehr sumpfig war. Es musste hier sehr stark geregnet haben. Das hat es auch, wie ich später erfuhr. Ich bekam vom Regen gar nichts mit.
Und dann gibt es diese schönen Momente, die einem in Erinnerung bleiben. Wir liefen beim Panoramaausblick entlang und trafen ein Hochzeitspaar, dem erst einmal gratuliert wurde. Sie strahlten einen an und schienen sich zu freuen. Hier verabschiedete ich mich von der zweiten Frau. Sie zog das Tempo an und ich genoss einfach das Laufen und wollte nicht das höhere Tempo mitgehen.
In der zweiten Schleife ging es mir plötzlich schlechter und ich hatte nach ungefähr 32 Km ein großes Tief. Ich nahm mir zwei Minuten zum Gehen, um ein Gel zu nehmen und trank etwas von meinen 2,5 l Wasser. Ich lief dann sofort weiter und kam zum Glück auch wieder gut in den Tritt.
Ein Läufer klopfte mir auf die Schulter. Sein Name war Dirk, wie ich später von ihm im Ziel erfuhr. Er lief den Halbmarathon und wollte wissen, worauf ich mich vorbereite. Ich rief ihm hinterher, dass es der ZUT sei. Er feierte das und meinte, er wolle den auch laufen. Im Ziel später bei einem Gespräch fanden wir raus, dass wir beide den Supertrail (63 Km mit 3000 Hm) machen werden.
Als ich zum letzten Mal am Verpflegungspunkt vorbei kam, was ungefähr bei Km 36 für mich war, blieb ich zwei Minuten stehen. Ich trank nochmal ordentlich und aß in Ruhe etwas. Ich verabschiedete mich von den Helfer_innen und bedankte mich für die tolle Verpflegung und die netten, kurzen Gespräche. Somit ging es zurück zum Start- / Ziel Bereich. Ich merkte am letzten Berg, den ich hochlaufen durfte, dass ich am Ende meiner Kräfte war. Da die letzten 4,5 Km danach vorwiegend bergab gingen, war das für meine Moral und Kraft ideal.
Als ich das Schild „Noch 1 km“ sah, wusste ich, dass es gleich vorbei sei. Ich suchte auf meinem MP3 Player noch kurz das passende Lied für eben diesen letzten Km. Ich lief erneut auf den Fußballplatz und freute mich. Kaum blieb ich nach der Ziellinie stehen und hatte auf meine Uhr gedrückt, hielt man mir ein leeres Bierglas hin. Begleitet wurde diese Aktion mit den Worten „Hier. Für dich.“ Völlig überfordert, bedankte ich mich und nahm mir etwas zu trinken. Ich ging erstmal an den Rand des Spielfeldes und legte alles zur Seite. Ich brauchte einen Moment für mich. Ich war emotional, glücklich und erleichtert. Am meisten war ich darüber dankbar, dass ich den Lauf gut überstanden hatte, es mir im Grunde gut ging und ich heile im Ziel ankam.
Zum Bierglas noch kurz: Ich wusste, dass es keine Finishermedallien gab, aber dass es ein Bierglas als Ersatz geben würde, fand ich positiv überraschend.
Als ich zurück zur Zielverpflegung ging, sprach mich eine Wettkampfrichterin an. Wofür ich mich vorbereite, denn ich hätte nach ihrem Ermessen eine volle Ausrüstung dabei. Als ich ihr mein Vorhaben erläuterte, meinte sie, sie würde auch den ZUT laufen, jedoch nicht den Supertrail, sondern den Base (25 km). Am Ende war ich wirklich irritiert, wie viele Anwesende diesen Lauf machen werden. Ich kam so auf sieben oder acht. Für einen so kleinen Lauf empfand ich das als sehr hohe Quote an ZUT Läufer_innen. Erst danach sah ich überhaupt auf meine Uhr, um zu schauen, wie lange ich eigentlich gebraucht habe.
Auf dem Weg zur Dusche, die völlig in Ordnung waren, traf ich Dirk und wir unterhielten uns kurz über den ZUT und auch andere Ultraläufe.
Nach dem Duschen erfuhr ich, dass ich zwar 13. im Gesamtfeld mit einer Zeit von 3:52:30h war, aber Platz 4. in meiner Altersklasse. Ich beschloss nach Hause zu fahren. Ich mag solche Läufe, wo ich merke, wieviel Einsatz die Helfer_innen zeigen. Das hatte ich überall gespürt und es zeigte mir, dass gerade solche kleinen Läufe jetzt wieder öfter auf meiner Laufliste zu finden sind. Sie kommen nicht mit einer großen Technik oder Laufchips daher, sondern mit Menschen, die am Rand stehen. Die man freundlich anlächeln, sich bedanken kann und die positiv reagieren. Kombiniert mit der tollen Strecke war das ein Tag, der mir sehr positiv in Erinnerung bleiben wird. Es war ein wirklich schöner Marathon in familiärer Atmosphäre. Danke an alle Helfer_innen und den TG Lage für diesen Lauf. Es war sicher nicht das letzte Mal, dass ich vorbeischauen werde, egal für welche Distanz.
P.S.: Und wie wird nun mein nächster Spielzug aussehen? Wenn ich so darüber nachdenke, habe ich schon eine Idee.
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