15.04.2017, Vor dem Start
Ich war mit Inga beim Paderborner Osterlauf 2017. Ich erinnere mich deutlich daran, dass ich zu ihr meinte, dass es mir nicht so optimal gehen würde, und ich mit einer Zeit zwischen 40:30 min und 42:30 min rechnen würde. Das war kein bla bla, sondern ich meinte es wirklich so. Meine Beine fühlten sich schwer an, da ich wegen dem Hermannslauf hart trainiert hatte und viele Berge in den Wochen davor gelaufen bin.
Wir holten unsere Unterlagen, zogen uns um, suchten das Klo und gingen motiviert zum Block A. Dieses Jahr war es das erste Mal, dass beim 10 km Läufe Blöcke A – C gab. Wir waren einer der ersten, die in den Block gingen, als dieser geöffnet wurde. Wir nutzten den reichhaltigen Platz und wärmten uns auf und liefen von einem Ende des Blocks zum anderen. Wir waren nicht die einzigen und so gab es einen Kreisverkehr gegen den Uhrzeigersinn, wo sich eine Menge Leute aufwärmten. Als es immer voller wurde, entschieden wir uns vorne im A Block stehen zu bleiben. Vor dem A Block gab es noch den Block der Profiläufer, die sich auch aufwärmten. Wir trafen noch Björn und seine Freundin. Björn versuchte sein persönliche Bestzeit auf eine Sub 35 min zu verbessern. Mit Björn hatte ich unter anderem für den Hermannslauf trainiert.
Der Block war voll, die Blockgrenzen zu den Profiläufern wurden geöffnet und die Football Mannschaft von Paderborn ging als lebende Grenze voran, wie jedes Jahr. Sie brachten uns in Ruhe zu den Profis und wir so standen wir in der 5. oder 6. Reihe. Vor uns waren sicher nur so 200 Läufer und hinter uns um die 4300. Ich sagte zu Inga, dass wir jetzt irgendwie ziemlich weit vorne sind, und dass sie einen kühlen Kopf bewahren sollte. Soweit vorne dürfte das Anfangstempo zwischen 3:30 und 4:00 min pro Kilometer sein. Ich hoffte einfach, dass weder sie, noch ich uns direkt kaputt machen würden. Dann kam der Countdown. Ich schließe meine Augen für 2 Sekunden und atme tief ein und aus. Ich öffne sie wieder. 3 … 2 … 1 … PENG
Km 0
Die ersten Meter sind holperig. Ich komme nicht direkt in den Tritt. Zwei Männer bremsen mich aus und ich muss langsamer loslaufen, als ich möchte. Nach gut 100 m kann ich sie überholen. Ich habe noch nicht den Platz den ich mir wünsche, aber es wird besser. Nach 500 m gucke ich auf die Uhr: Pace 3:35 min/Km. Ruhig Blut bewahren. Ich erhöhe die Pace nicht mehr, sondern verharre hinter zwei Läufern.
Km 1
Ich laufe an der Marke des 1. Km vorbei. Ich bin zu diesem Moment bei einem Puls von 87% des Maximalpulses. Ich hoffe nicht, dass ich mich direkt übernehme. Wieso gebe ich Inga einen Ratschlag, den ich in diesem Moment selbst nicht einhalte? Ich ärgere mich über mich selbst.
Km 2
Ich sehe die Km 2. Mittlerweile habe ich den Freiraum um mich herum, den ich brauche, um mich beim Laufen wohl zu fühlen. Ich passiere den 2. Km mit einer Zeit von 7:50 min. Damit habe ich eine 3:55 min/Pace nun. Ich gucke mal, wie lange ich diese Geschwindigkeit halten kann.
Km 3
Der erste Getränkepunkt ist erreicht. Ich nehme mir einen Becher Wasser ohne abzubremsen. Der Becher ist viel zu voll und ich schütte fast dreiviertel weg. Die letzten zwei Schlucke verschwinden im Magen.
Km 4
Scheiß Gegenwind. Ich muss mich enorm anstrengen, um meine Geschwindigkeit zu halten. Mehrere überholen mich oder kleben in meinem Rücken. Ich habe niemanden direkt vor mir. Die nächste Gruppe ist sicher gute 40 m vor mir.
Km 5
Der Wind wird immer anspruchsvoller, gepaart mit einem sehr leichtem bergauf zu einer Brücke. Dies ist der langsamste Kilometer und der einzige, für den ich bisher mehr als 4 Minuten gebraucht habe. Ich passiere nach 19:46 min die Halbzeit. Ich habe für ein Sub 40 Minuten Lauf nun 13 Sekunden heraus gelaufen. Mein Puls ist aktuell bei 93% meines maximalen Pulses. Dieser Umstand verunsichert mich, da ich in dem Moment erwarte, dass ich in den nächsten Minuten einbreche.
Km 6
Der zweite Wasserpunkt. Jemand reicht mir einen Becher Wasser. Ich bekomme ihn nicht richtig zu greifen, und der Inhalt des Bechers ergießt sich über meinen Arm. Egal. Es regnet sowieso. Kurz danach sehe ich das Führungsfahrzeug und die ersten Läufer, die gerade in dem Moment das Schild Km 8 passieren. Ich sehe mein Km 6 Schild und erkenne, dass ich an diesem Tag nicht mehr gewinnen werde. Kleiner Spaß am Rande! Was für ein Tempo der Topathleten. Puh!
Km 7
Wir laufen in ein Siedlungsgebiet. Ich habe das Gefühl, dass ich langsamer werde. Mich überholen von Km 6 bis 7 einige Läufer_innen. Prüfende Blicke auf meiner Uhr sagen mir aber, dass ich den 6. und 7. Km unter 4 Minuten lief und wenige Sekunden gut machen konnte. Mir fehlen noch 3 Km. Ich rechne im Kopf meine Pace aus, mit der ich es um eine Sekunde noch schaffen würde, um unter 40 Minuten zu bleiben. Sie ist 4:07 min/km. Das Rechnen hilft mir fokussiert zu bleiben. Mittlerweile regnet es in Strömen, der Wind ist zwischendurch immer noch großer Mist. Einige Zuschauer hingegen grillen oder bauen ein Pavillon auf. Ich stelle jetzt schon fest, dass es deutlich weniger Zuschauer als 2016 gibt. Wen wundert das auch bei dem Wetter?
Km 8
Der Wind kommt mir wieder entgegen. Ich kämpfe mittlerweile weiter und habe einen Puls von 96% zu meinem Maxpuls und laufe komplett am Limit. Zumindest dachte ich, dass ich am Limit laufe. Ich spüre tief in mir, dass wird was. So seltsam wie es klingt, in diesem Moment, als ich den 8. Kilometer passierte und auf die Uhr sah, wusste ich, dass ich es schaffen werde. Ich machte nochmal wenige Sekunden gut und durfte nun eine Pace von 4:12 min/km auf den letzten beiden Km laufen und würde es schaffen. In mir flammte der Wille auf alles zu geben, um mein Ziel, einmal unter 40 Minuten zu bleiben, zu erreichen. Ich schaue auf die Uhr, sehe meinen Puls und gehe aufs Ganze und erhöhe das Tempo. Bis zu diesem Punkt lief ich ca. 3:56 – 3:59 min pro Kilometer. Jetzt lief ich 3:50 min pro Kilometer.
Km 9
Zwischen Km 8 und 9 ist der dritte Verpflegungspunkt und trinke zwei Schlucke Wasser. Der Rest vereinigt sich mit dem Regen. Ich beschließe erst bei Km 9 auf meine Uhr zu gucken und bis dahin mich voll auf meinen Körper zu konzentrieren. Als ich das Km 9 Schild passiere, sehe ich auf meine Uhr: 35:31 min. Ich habe noch 4:28 min Zeit für den letzten Km. Ich halte das Tempo. Bei Km 9,5 sehe ich erneut auf die Uhr und beschließe, dass Risiko nicht noch weiter zu erhöhen und halte das Tempo.
Km 10 – Ziel
Ich biege auf die Zielgerade ein und juble. Nach 39:19 min habe ich die 10 km abgelaufen. Bestzeit. Zweites Ziel (von sechs) erreicht, die ich mir vor vielen Jahren selbst steckte. Das erste Ziel war meine Traumzeit auf dem Hermannslauf, die ich 2016 erreichte. Ich gehe nach der Ziellinie aus, freue mich, realisiere es nicht richtig. Ich drehe mich um und sehe immer noch die 39 vorne. Ich weine vor Freude und Glück. Dann höre ich Stimmen, die ich kenne. Susanne und Christian von den Sudbrackläufern rufen mich. Sie stehen am Ziel. Ich bin überglücklich, dass ich mit jemanden den ich kenne den Moment teilen kann. Sie gratulieren mir im strömenden Regen. Ich freue mich sehr, dass sie da sind. Sie müssen aber weiter, denn sie haben noch einen Halbmarathon vor sich.
Ich warte auf Inga, die wenige Minuten nach mir einläuft. Ich erfahre später, dass auch Björn seine Sub 35 geschafft hat. Was für ein Lauf, was für ein Tag. Was ich für mich dort erreicht habe, realisiere ich erst gute zwei Tage später.
Erledigte Ziele (2 / 6)
– Laufe den Hermannslauf einmal unter 2:30h
– Laufe 10 km einmal unter 40 Minuten
Offene Ziele (4 / 6)
– Laufe einen Halbmarathon einmal unter 1:30h
– Laufe einen Marathon einmal unter 3:00h
– Laufe mind. einen Marathon auf jeden der sieben Kontinente (Aktuell: 3 von 7)
– Laufe alle sechs World Major Marathons (Aktuell: 3 von 6)
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