Als ich vom Ballon – A – Thon ein Video auf Youtube sah (dieses hier: https://www.youtube.com/watch?v=6zOEM5YmHSo ) war mir sofort klar: Ich werde auf dem 2. Ballon – A – Thon starten und seit November endlich mal wieder die 42,195 km laufen.
Was ist der Ballon – A – Thon? Es sind acht Läufe an acht aufeinander folgenden Wochenenden auf acht unterschiedlichen Streckenempfehlungen. Die Strecken sind markiert und können auch nach dem jeweiligen Wochenende belaufen werden. An dem jeweiligen Wochenende gibt es Whiteboard auf denen man sich, mit einem selbst mitgebrachten Stift, eintragen kann. Es gilt dabei die Start-Uhrzeit, sowie die jeweiligen Ziel-Uhrzeiten der Halbmarathonrunden. Es müssen streng die Regeln im Umgang des Landes NRW eingehalten werden. Also maximal zu zweit laufen, etc. Die Strecke selbst ist in beide Richtungen markiert: In die eine Richtung ist es in Orange mit Sprühkreide markiert und in die andere Richtung in grün. Ich trug mich in eine Liste von Interessierten ein und erhielt einen GPX – Track im Vorfeld, sowie eine digitale Urkunde nach dem Lauf. Ein GPX – Track ist eine Datei, die die Strecke enthält und mit der ich in der Lage bin, mich entlang der Strecke zu navigieren.
Start, 18.04.2020
Ich komme gegen 8:45 Uhr auf dem per E-Mail mitgeteilten Parkplatz an. Mit mir erreichen drei weitere Herren den Startpunkt. Zwei werden zusammen laufen, ein Herr wird danach und mit Abstand auf die Strecke gehen und ich werde als letztes loslaufen, einfach, weil ich am längsten brauche, bis ich bereit bin.
Um 9:04 Uhr laufe ich los, nur um direkt wieder zum Auto zu laufen. Ich habe was im Auto vergessen. Also lege ich eine 180 Grad Kehrtwende ein und laufe erst gegen 9:08 Uhr wirklich los. Aber ich möchte das auf dem Whiteboard nicht korrigieren. Warum auch? Auf geht es. Ich laufe zügig los, wirklich zügig. Aber ich habe Bock, so richtig Freude, obwohl ich im Grunde wie immer in diesen Tagen alleine Laufe. Alleine das Gefühl, dass auf dieser Strecke eine oder zwei Handvoll Leute ebenfalls laufen geben mir das Gefühl von Gemeinsamkeit in der Einsamkeit, was ich seit vielen Wochen im Laufen vermisse. Ich weiß durch das Whiteboard, dass die beiden Personen aus dem oben verlinkten Video ebenfalls auf der Runde sind und frage mich, ob ich sie vielleicht sehen werde.
Die Strecke selbst geht erst über Straßen und durch Wald und Wiesen. Ich folge den orangen Markierungen und laufe somit im Uhrzeigersinn. Es wird knappe 6 km dauern bis ich überhaupt einen anderen Läufer sehe. Wir grüßen uns, als wir uns entgegenkommen. Bis dahin sehe etliche Hunde und Spaziergänger. Also ist das zumindest wie immer. Ich beklage mich nicht, denn ich habe ja auch einen Hund. Ich laufe durch eine Siedlung und darf dann einen ewig langen geraden Feldweg folgen. Es wird 3 oder 4 km lang stetig ganz leicht bergauf gehen. Ich laufe aber durch die Felder. Es ist ruhig, entspannt und ach, was bin ich froh hier zu sein. Es gibt fast immer weite Aussichten und einfach mal irgendwo anders laufen zu können, etwas anderes sehen zu können, tut mir einfach gut.
Nach knapp der halben Runde komme ich zu dem Paar aus dem verlinkten Video und freue mich. Ich überhole sie, bedanke mich für die Empfehlung und das Aufmerksam machen auf diesen Ballon – A – Thon und wünsche Ihnen noch viel Spaß. Ich kam sogar ins aktuelle Video: (Link: https://www.youtube.com/watch?v=17drejbR6AE )
Es geht weiter durch einen Waldabschnitt, vorbei an Kühen und Rapsfeldern und über Feldwege. Dann folgt eine gefühlte Umrundung eines Golfplatzes. Jeder Ballon – A – Thon hat ein Motto. Das Motto in dieser Woche war: „Zeit für ein paar Birdies.“ Jetzt war auch klar, was damit gemeint ist.
Bei diesem Golfplatz gibt eine kleine Extraschleife, die gelaufen werden muss. Hier ist es sehr staubig und technisch. Es ist ein knackiger Anstieg und Downhill. Ich treffe hier den Organisator Jan-Philipp. Ich danke ihm für die Streckenempfehlung, und dass er das hier so organisiert hat. Zu diesem Zeitpunkt habe ich gute 17 km auf der Uhr und bin damit schon eher am Ende meiner ersten Runde und er ist am Anfang seiner zweiten Runde. Jede Runde entspricht einem Halbmarathon. Die Strecke ist wesentlich technischer in diesem Abschnitt als es auf den Bildern aussieht. Hier werde ich mich auch einmal für vielleicht 150 m verlaufen. Die Kombination aus dem GPX Track und den Markierung ist zusammen recht gut. Ich habe selbst nur einmal nicht aufgepasst, weil ich auf den Boden geachtet und dadurch eine Abzweigung übersehen habe. Danach geht es gut bergab, bis ich „unten“ auf einer Straße ankomme und in Richtung des Ziels laufe.
Der Herr, der vor mir auf die Strecke ging, läuft mir entgegen und meint, er hätte sich verlaufen. Ich schaue auf meinen GPX Track und sage, dass wir richtig seien. Wir laufen mit Abstand zueinander weiter die Straße entlang und sehen dann die Markierung, die meine Aussage bestätigt. Wir trennen uns danach, da ich einige Fotos machen möchte. Zeitstress habe ich keinen. Warum auch? Ich möchte hier einfach nur Laufen und die Zeit genießen. Kurz danach geht es durch eine Siedlung und die erste Runde ist absolviert.
Bevor ich jedoch mich auf dem Whiteboard eintrage, fülle ich meine Flaschen im Rucksack auf und esse etwas. Die drei Herren vom Anfang der ersten Runde sitzen jeweils in ihrem Auto. Sie fragen mich, ob ich ebenfalls nächste Woche wieder dabei wäre. Ich sage, wahrscheinlich ja. Das käme aber auf meine Ehefrau an, schließlich würde ich in gut fünf / sechs Wochen Vater werden und da läge meine Top-Priorität. Wenn es ihr gut gehe und alles noch problemlos sei, dann wäre ich wohl wieder dabei. Da sie selbst Ultraläuferin ist, verstehe sie meinen Laufdrang zum Glück. Die drei Herren verstehen das und wir sagen erstmal: „Bis nächste Woche.“
Nach der Verabschiedung laufe zum Whiteboard und trage gute 10 Minuten später meine Zielzeit ein. Es ist eigentlich mehr meine Startzeit für die neue Runde. Dieses Mal laufe ich die Runde gegen den Uhrzeigersinn und folge der grünen Markierung. Die Gründe sind vielseitig: Ich will erst den blöden Berg belaufen haben und den nicht nochmal am Ende hochkriechen, zum anderen hoffe ich Dinge zu entdecken, die ich vorher nicht gesehen habe.
Das dauert auch keinen Kilometer bis ich plötzlich eine Steinreihe entdecke oder völlig neue Aussichten wahrnehme. Der Berg hoch zum Golfplatz ist nun allerdings noch schlimmer. Ich schicke meiner Frau eine Sprachnachricht mit einem Zwischenbericht und robbe mich irgendwie den Berg hoch. Ich freue mich auf den Moment, wo ich weiß, dass es nun wieder am Golfplatz bergab geht. Doch mit mir geht es auch langsam bergab. Nach dem Golfplatz stehe ich irgendwo auf einem Waldpfad und nehme mein erstes und einziges Gel an diesem Tag. Ich merke, wie ich hier, bei Km 28, langsam mit der Wärme und der Müdigkeit kämpfe.
Bei km 30 kommen wir zwei Läufer entgegen. Sie laufen auf der anderen Straßenseite, doch wir machen jeder für uns eine Laola-Welle. Es ist ein schönes Gefühl der Freude. Kurz danach setze ich mich auf eine Parkbank und sehe, wie die beiden in der Ferne den Hügel hochlaufen, den ich eben noch runterlief. Ich sitze hier und trinke etwas, entspannt und ruhig. Bis mir auffällt, dass mein Wasser knapp wird.
Kurz danach laufe ich weiter, wieder an den Kühen vorbei. Wieso sind wir eigentlich nicht vorher die Kälber aufgefallen? Ich laufe entlang der 3, 4 km geraden Strecke, die nun stetig leicht bergab geht. Hier entdecke ich ein Smilie, was mir beim ersten Mal auch nicht auffiel.
Es war eine gute Entscheidung auch anders herum zu laufen. Bei Kilometer 36 sehe ich ein Plastikmännchen. Mit dem mache ich erst ein Selfie. Kurz danach treffe ich erneut Jan-Philipp, der mittlerweile seine dritte Runde läuft, wo ich dabei bin, meine zweite zu Beenden.
Bei Kilometer 39 sind meine Wasserflaschen leer und ich bin k.o. und sitze auf einer Parkbank. Mal wieder. Mein Kopf macht mir einen Strich durch die Rechnung. Ich weiß, dass jetzt noch drei km folgen, die einfach keinen Schatten haben. Ich laufe irgendwann los und juble mir selbst alle 100 bis 200 m im stillen zu. Das funktioniert auch ziemlich gut, bis ich schließlich das Ziel sehe.
Ich trage mich zum letzten Mal am Whiteboard ein und trabe zu meinem Auto. Dann setze ich mich alleine in den Kofferraum und gönne mir irgendwas zu trinken, was mir gerade in die Hand fällt und freue mich über den Tag. Ich freue mich, dass ich einfach einen Marathon gelaufen bin und etwas mit anderen gemeinsam gemacht zu haben, obwohl ich 99% der Zeit alleine war. Ich gucke in die WhatsApp Gruppe und lese, wie andere von der Strecke berichten und Fotos schicken, wo sie gerade sind. Es ist ein zarter Geschmack von Normalität.
Vielen Dank für den tollen Bericht. Schön das dir die Strecke und die Idee so gut gefallen haben 🙂 Wahrscheinlich laufen wir uns die kommenden Wochen nochmal über den Weg, andernfalls wünsche ich dir jetzt schon eine tolle Zeit mit deiner Familie und dem Nachwuchs!
Liebe Grüße
Toller Bericht von dem Herrn der nach mir gestartet ist und mich kurz vorm Ziel eingespurt hat. Danke dafür. Toll, das du die Zweite, wie ich finde schwierigere Runde durchgezogen hast. Dir, deiner Frau und dem kommenden Neubürger in dieser schwierigen Zeit alles Gute. Bleibt gesund und vielleicht starte ich Samstag wieder vor dir.