Oktober 2017
Vor einigen Jahren wurde ich auf den Klippenlauf in Ibbenbüren aufmerksam gemacht. Ein kleiner, aber anspruchsvoller Lauf sollte er sein. Ich hörte nur gutes davon, aber wegen oft anderen Wettkämpfen entschied ich mich immer dagegen. Im Oktober 2017 erhielt ich in einer Chatgruppe der Sudbrackläufer den Hinweis, dass die Anmeldung offen sei. Ich informierte meine Freundin Sina und wir meldeten uns sofort an. Nur ein oder zwei Tage später war der Lauf ausverkauft.
24. März 2018
Vor dem Start
Es ist ungefähr 12:30 Uhr, als wir den Parkplatz in Ibbenbüren erreichen. Wir? Das sind Karsten und Dominik von den Sudbrackläufern, Sina und ich. Ein zweites Auto mit weiteren Starten der Sudbrackläufer für den Lauf war noch unterwegs. Ebenfalls sollte ich an diesem Tag endlich Juliane wiedersehen. Seit dem Zugspitzulta Supertrail im Jahr 2017 hatten wir an keinem Lauf mehr gemeinsam teilgenommen. Das war und ist viel zu lange her.
Drei Einweiser zeigen uns den Weg zu unserem Parkplatz. Da Juliane im Stau stand, gingen wir zu viert erst einmal los und holten unsere Startnummern ab. Das ging alles problemlos und schnell. Die Organisation empfand ich direkt als top.
Auf der Startnummer selbst war das Streckenprofil abgedruckt, was ganz sicher nicht bei allen zu mehr Mut führte.
Etwas später, gegen 13:00 Uhr, traf Juliane ein. Es wurde sich umarmt und gefreut. Endlich! Wir sehen uns mal wieder! Ach! Wir, nun zu fünft, quatschen über den Lauf, den Erwartungen und auch den anspruchsvollen Cut-Off. Der liegt bei 3 Stunden für eine 24,7 km lange und 500 Höhenmeter (HM) bergige Strecke, die zudem neun teils anspruchsvolle Steigungen (Klippen) haben soll. Daher auch der Name Klippenlauf. Ich tippe, dass jeder der den Hermannslauf nicht mind. in 3:30h laufen kann, hier wirklich Zeitprobleme haben könnte.
Kurz vor dem Start machten wir noch ein Foto zu fünft vor der Fotoleinwand, von denen es zwei Stück gab und die sehr ordentlich genutzt wurden, denn wir mussten uns anstellen.
Um 14:00 Uhr war der Start der vollen Distanz über 24,7 km. Moment, wie volle Distanz? Ja es gab noch einen Lauf über die halbe Distanz mit vier Steigungen (Klippen. Hinweis: Ab jetzt rede ich nur noch von Klippen). Diese halbe Distanz startete um 14:15 Uhr. Über beide Distanzen waren insgesamt 1300 Läufer_innen unterwegs.
Als ich meine Kamera hochhalte und das Starterfeld zu fotografieren, sieht mich Christian von den Sudbrackläufern und winkt mir intensiv zu. So viel Freude und ein Einsatz möchte ich natürlich belohnen habe mal ein Foto von dem Moment hier hinzugefügt.
Start (0 von 9 Klippen)
Der Startschuss fällt. Ich hatte mich schon etwas weiter vorne einsortiert, da ich versuchen möchte eine 1:59:59h zu laufen. Die Idee dahinter ist: Ich schaffe 26 bis 27 km in ca. 2 Stunden auf dem Hermannslauf, da sollte ich doch 24,7 km auf dem Klippenlauf in 2 Stunden schaffen. Nach einigen Sekunden geht es für mich los und ich darf erst einmal einige überholen, die entspannter loslaufen, aber beim Start recht weit vorne standen. Die ersten 2 km laufe ich auf einer Straße, die eine leichte Steigung hat. Diese ist gespickt mit Zuschauern, die für eine gute erste Stimmung sorgen und kräftig anfeuern.
Ich bemerke, wie einige um mich herum reden, diskutieren und sprechen. Ich finde das gut, auch wenn es für mich ungewohnt ist, dass mitzubekommen, vor allem in dieser Intensität bei einem Lauf. Nach den ersten zwei Km geht es in den Wald und direkt startet die erste Klippe.
Nordhang Klippe (Max. Steigung: 14 %, Länge: 600 m, Höhendifferenz: 60 HM)
Kaum bin ich im Wald, gibt es das erste Schild mit dem Namen und den Daten: Nordhang-Klippe. Ich schaffe es nicht schnell genug davon ein Foto zu machen. Ich habe mit so einem Schild auch ehrlich gesagt nicht gerechnet. Ich mag es aber, dass die Veranstalter damit sich so eine Mühe geben, dieses Gefühl von den Klippen zu verstärken, bzw. einen darauf vorzubereiten. Angst habe ich keine, denn ich habe einige Kilometer und einige Höhenmeter in den letzten Wochen gemacht. Ich habe nur kein Tapering gemacht und laufe diesen Lauf aus vollem Training heraus. Puh! Ich hoffe, dass es wirklich mit den zwei Stunden klappt.
Es geht also bergauf. Maximal 14%? Die schaffe ich. Vor mir sehe ich zwei Sudbackläufer: Daniel und Christian. Auf Daniel schaffe ich es nicht aufzulaufen, jedoch Christian erreiche ich auf der Spitze der Klippe. Ich freu mich, denn ich denke mir: Ach ein wenig mit jemanden den ich kenne zu laufen dürfte nett sein. Doch das gemeinsame Laufen mit Christian endet nach nicht einmal 15 Sekunden. Es geht in den Downhill und er läuft mir einfach davon. Ich überlege kurz, ob ich mitziehe, aber ich lasse es. Dominiks warnende Worte während der Hinfahrt erklingen in meinem Kopf „Die letzten zwei Klippen sind hart. Verausgabe dich nicht am Anfang.“ Ich laufe hier mein Rennen und finde eh schon, dass ich recht zügig, vielleicht zu zügig, unterwegs bin. Der Downhill ist voller Wurzeln und wirklich nicht ganz so einfach zu laufen. Es wird nicht der einzige Abschnitt sein, der technisch anspruchsvoller ist.
Unten angekommen wird es etwas flacher, zumindest für einen kurzen Moment. Etliche haben mich überholt, sicher zehn Läufer, denke ich mir. Christian sehe ich nun kaum noch. So laufe ich mein Ding weiter, mit der Kamera in der Hand, um für diesen Bericht einige Bilder zu machen.
Brumley-Klippe (Max. Steigung: 24 %, Länge: 675 m, Höhendifferenz: 45 HM)
Der flachere Abschnitt ist ziemlich schnell zu Ende. Wieder geht es hoch. Diesmal mit bis zu 24% Steigung. Ich kann nicht sagen wieso, aber ich finde sie laufbar und angenehm. Vielleicht weil ich nicht hochgucke? Vielleicht weil es technisch leicht ist? Oben angekommen bleibe ich für 3-4 Sekunden stehen, drehe mich um und mache Fotos von jenen, die hochlaufen. Dann geht es sofort weiter in den nächsten Downhill. Wieder werde ich von etlichen überholt.
Irgendwie kommen die Erinnerungen an meine Alpenläufe wieder hoch. Berghoch bin ich ganz ordentlich unterwegs, bergab eine Niete, der von vielen überholt wird. Diesmal ist der Downhill aber länger und flacher. Diesen Abschnitt nutze ich, um wieder einige einzuholen. Meine Stärke am Berg und im Flachen muss meine Schwäche im Downhill kompensieren. Nach und nach hole ich den einen oder anderen wieder ein. Ich spüre, wie ich fokussiert und konzentriert bin. Ich wollte ihn zum Spaß laufen und den habe ich. Ja, ich genieße es, den ersten Wettkampf 2018 zu laufen, Gesund, nicht erkältet wie auf dem Luisenturmlauf. Ich merke schon jetzt, dass für das Ziel Sub 2 Stunden ich an meine Grenzen gehen muss. Das war nicht mein Plan, aber ich möchte es jetzt.
Hin und wieder schaue ich auf die Uhr und rechne mir aus, wie es steht, ob ich unter 2 Stunden bleibe. Ich rechne nicht mit 24,7 km, sondern mit 25 km Gesamtdistanz. Das gibt mir einen Puffer im Notfall und lässt sich einfacher rechnen. Und so kreisen meine Gedanken kurz: Wenn ich jeden Km in 5 Minuten laufe, benötige ich 2:05h bei 25 km. Heißt: Ich muss um die 4:50 min Pace laufen. Durchschnittlich. Auf geht es!
Nachdem der Gedanke im Kopf ist, schaue ich mich wieder um und genieße die Waldstrecke. Es wirkt herbstlich; obwohl es Frühling sein sollte. Die Folgen des Sturmes Frederike sind auch hier noch sichtbar. Immer mal wieder liegt ein Baum am Rand, aber die Strecke ist hervorragend aufbereitet.
Postweg-Klippe (Max. Steigung: 25 %, Länge: 350 m, Höhendifferenz: 40 HM)
Und wie aus dem Nichts hinter einer Kurve erscheint das Schild für die dritte Klippe. Endlich schaffe ich es ein Foto von den Klippenschildern zu machen. Es ist die bisher schwerste und anspruchsvollste Klippe. Ich bin motiviert auch diese Klippe hochzulaufen. Aus renntaktischen Gründen entscheide ich mich ungefähr 40 m zu gehen. Die Kraft die ich hier investieren müsste, sehe ich nicht als notwendig an. Die Läufer um mich herum sind kaum schneller, als wenn ich gehe. Die Steigung scheint hier ihr Maximum erreicht zu haben. Ha! Ich nutze die Zeit und fotografiere, wie mich etliche Läufer überholen. Ich bleibe entspannt und trabe kurz danach wieder an.
Als der Berg zu Ende ist kreuze ich eine Straße, wo eine Gruppe Trommler steht und mit einigen zusätzlichen Zuschauern für Stimmung sorgen. Ich versuche ein Foto von den Trommlern zu schießen, doch das ist gar nicht so einfach, wenn ich an Ihnen vorbei laufe.
Es folgt ein nun flacherer Abschnitt und ich denke: Oh Gott, danke. Ich habe zwar unheimlich viel Freude am Lauf, doch bisher komme ich kaum mit mir selbst klar. Ich frage mich schon, ob ich nicht zu schnell losgelaufen bin. Auch frage ich mich, ob ich vielleicht noch gar nicht fit genug für einen Sub-2 Lauf für diese mir völlig unbekannte und anspruchsvolle Strecke bin.
Wie ist es oft auf solchen Läufen? Jeder trifft unzählige Entscheidungen. Beschleunige ich? Gehe ich? Trinke ich? Was trinke ich? Nehme ich ein Gel? Und viele weitere. War ich noch vor ungefähr 1,5 km vor dem dritten Berg guter Dinge, bin ich in diesem Moment unsicher. Der flachere Abschnitt hilft mir zumindest etwas mich zu beruhigen, auch wenn ich mich ehrlich gesagt gerade nicht gut fühle. Seit der ersten Klippe haben mich sicher ungefähr 30, 40 oder mehr Läufer überholt. Soweit meine Schätzung. Eine Läuferin habe ich bisher noch nicht gesehen, was mich ehrlich gesagt wundert. Ich vermute, dass die erste Frau sicher irgendwo vor mir ist.
Und dann geht es auch wieder bergab, sogar technisch einigermaßen anspruchsvoll, so dass ich mich sehr auf die Wurzeln und Steine konzentrieren muss, um nicht zu fallen. Was mich jetzt schon der Klippenlauf lehrt ist der Umstand, dass nach jedem Downhill die nächste Klippe kommt!
Teutohang-Klippe (Max. Steigung: 17 %, Länge: 450 m, Höhendifferenz: 50 HM)
Erwartet, erschienen. Eine fast 180 Grad Kurve später geht es zur vierten Klippe hinauf. Max. 17% und 450 m Länge? Das kann ich laufen. Hoffe ich und schaffe es wirklich. Auch wenn diese Klippe sicher nicht die schwerste ist, merke ich zum ersten Mal sehr deutlich, dass ich wirklich aus dem vollen Training komme. Mir fehlt das Tapering. Meine Beine sind jetzt schon schwer und brennen leicht. Ich kämpfe mich hinauf und komme oben an.
Am Ende von der vierten Klippe sind einige wenige Läufer in meinem Windschatten und vor mir klafft eine gute 60 bis 70 m lange Lücke zu den Läufern vor mir. Mir fällt es auf, dass es immer weniger Läufer um mich herum gibt, was auch die Fotos zeigen sollten. Ich habe mittlerweile unheimlich viel Platz, war es doch an der ersten Klippe noch sehr beengt.
Zu meinem Erstaunen bleibt es flach und warum auch immer, plötzlich geht es mir super. Okay. Das kann ja mal vorkommen, aber mir ist klar, dass kann nur eine Phase sein, daher darf ich es jetzt nicht übertreiben. Also laufe ich nur so schnell, dass ich mich wohl fühle. Gesagt, getan und meine Pace lag plötzlich bei 4:15 min/km. Die Lücke vor mir wird immer kleiner und ich laufe nach und nach auf die Gruppe auf und hole sie ein. Diese Phase motiviert mich. Es läuft, fast zu gut, denke ich mir. Ich hoffe, ich werde dafür keinen Preis bezahlen.
Steinbruch-Klippe (Max. Steigung: 8 %, Länge: 1600 m, Höhendifferenz: 65 HM)
Nach 10 km und kurz vor dem dritten Verpflegungspunkt schaue ich auf die Uhr und sehe eine 47:05 min. Eine gute Zeit für das Profil, denke ich mir. Die Steinbruch-Klippe, mit ihrer maximalen 8% Steigung, kam mir als einzige Klippe wirklich entspannt vor.
Auf halben Weg auf dieser Klippe, die zu Beginn auf Asphalt zu laufen ist, komme ich mit einem Läufer ins Gespräch. Er stöhnt und äußert seinen Unmut für das Profil. Ich stimme ich ihm zu, dass das Profil nicht ohne ist. Kaum zu glauben, dass wir erst die Hälfte knapp haben. Ich sage zu ihm, dass wir aber gut unterwegs sind und auf einen Kurs von 1:56h im Moment laufen. Er zeigt sich beruhigt, da er unbedingt unter 2 Stunden bleiben wolle. Ich lächle, denn das Ziel kommt mir bekannt vor.
In diesem Moment nehme ich meinen Blick kurz von dem Boden weg und sehe Christian von den Sudbrackläufern und mein erster Gedanke ist: ‚Ohje, wenn ich Christian einhole, muss ich wahrscheinlich zu schnell sein‘. Ich atme tief ein und beruhige mich. Ich möchte mich nicht noch mehr verrückt machen. Mein Gesprächspartner und ich trennen uns, da er einen halben Schritt langsamer laufen möchte. Ich ziehe mein Tempo einfach durch und laufe weiter und überhole zu meiner eigenen Überraschung Christian. Das ist mir zwar in der Vergangenheit schon passiert, doch schätze ich ihn als ausgezeichneten Läufer, der bisher immer mich spätestens kurz vor dem Ziel endgültig stehen ließ, wie beim Hermannslauf 2016. Ich frage mich, wann das wohl passieren wird?
Fischteich-Klippe (Max. Steigung: 15 %, Länge: 700 m, Höhendifferenz: 45 HM)
Kurz nach dem kurzen Treffen mit Christian geht es weiter. Die sechste Klippe steht an, die Fischteich-Klippe. Ich laufe mit einem anderen Läufer gemeinsam hinauf und werden von 1-2 Läufern überholt. In dieser Rennphase sind wir eine Gruppe von fünf bis sechs Läufern, die immer abwechselnd vorne sind. Zumindest sehe ich seit der Klippe 5 immer wieder die gleichen Gesichter und Trikots. Die sechste Klippe lässt sich gut hoch laufen. Oben angekommen sehe ich Stühle und höre jubelnde Menschen. Ich beiße von meinem Energieriegel ab (bin weg von Gels) und freue mich auf das Wasser, was ich zum nachspülen brauche, doch irgendwie sind da nur Plastikstühle und Streckenposten. Kein Wasser, kein Verpflegungspunkt. Tja… passiert halt. Ich muss wohl nun so irgendwie kauen, was gar nicht so einfach ist. Doch nach einem guten Kilometer kommt endlich der vierte Verpflegungspunkt und ich beiße erneut ab und spüle es im Lauf runter.
Die Strecke kreuzt wieder die Straße und die Trommler wirken genauso motiviert, wie auf dem Hinweg. Ich fühle mich immer noch gut und bin davon selber absolut überrascht. Die Berge brennen noch immer in den Beinen, doch ich habe im Moment wieder unheimlich viel Spaß und Freude an diesem Lauf. Wir laufen die dritte Klippe diesmal bergab. Puh ist das steil! Ich traue mich nicht volle Pulle den Downhill zu rennen und möchte meine Oberschenkel schonen.
Kaiserei-Klippe (Max. Steigung: 22 %, Länge: 850 m, Höhendifferenz: 45 HM)
Unten angekommen, geht es sofort zur siebten Klippe. Die ist die gleiche Klippe, wie die zweite Klippe, nur das wir diesmal von der anderen Seite kommen. Sie ist ziemlich hart und anspruchsvoll. Sie fängt zwar gemächlich an, doch das Ende mit max. 22% Steigung ist höchst anstrengend. Wenn das nicht schon genug wäre, ist ein Läufer im orangenen Trikot vor mir. Er ist ein guten Schritt langsamer. Ich setze zum Überholen an und achte drauf, dass ich mit Abstand vor ihm wieder einschere. Das scheint ihm nicht zu gefallen und er sprintet an mir vorbei und schert direkt vor mir ein. Er läuft so knapp vor mir ein, dass ich fast abbremsen muss, um nicht in ihn hinein zu laufen. Auch reduziert er sofort sein Tempo. Mit Unverständnis und überrascht schere ich ein zweites Mal aus und laufe nun parallel an ihm vorbei. Diesen Läufer werde ich nicht mehr im restlichen Rennen wiedersehen. Den Wettkampfgedanken im Ehren, aber das war in meinen Augen eine der unnötigsten und aggressivsten Aktionen seit langem, die ich erlebt habe. Innerlich schüttelte ich nur den Kopf, äußerlich suche ich nach dem Ende dieser Klippe. Ah, da ist sie endlich.
Es folgt eine scharfe Rechtskurve und plötzlich bin ich auf einem Single-Trail. Ich genieße jeden Meter. Ich mag Single-Trails. Links von mir gibt es einen weiten Ausblick und vor mir ist der Single-Trail. Hier hätte ich noch ewig laufen können, doch der Abschnitt geht nur einen guten Kilometer. Leider, muss ich wirklich sagen. Es folgt etwas Downhill und dann erklangen die Worte von Dominik wieder in meinem Kopf, die er auf der Hinfahrt sagte: „Die letzten zwei Berge sind hart.“ Ich schaue auf die Uhr. Je nachdem wie hart die letzten beiden Berge werden, entscheidet sich, ob ich mein Ziel erreiche oder nicht.
Hassberg-Klippe (Max. Steigung: 20 %, Länge: 400 m, Höhendifferenz: 50 HM)
Okay. Die Hassberg-Klippe also. Nur 400 m soll der Berg lang sein? Das sagt zumindest das Schild. Das könnte mir zu Gute kommen. Doch ich empfinde ihn als anspruchsvoll. So sehr, dass ich beschließe, neben der dritten Klippe, auch hier kurz zu gehen. Wieder sollen es nur so 30, 40 m sein, aber ich möchte Kraft für die letzten Kilometer sparen. Das ist zu diesem Punkt eine rein taktische Entscheidung. Es sind noch gute 6,5 km bis ins Ziel. Lieber hole ich etwas Zeit im letzten flachen Abschnitt, als jetzt mich zu übernehmen. Ab diesen Moment bin ich gefühlt alleine. Die Läufer vor mir zogen weg und hinter mir kam keiner mehr nach. Ich trabe als bald wieder an und lief den restlichen Berg hinauf. Die kurze Entlastung tut mir gut.
Bei der wohl letzten Kurve des Hassberges sehe ich Ballons und Girlanden und bin erst einmal irritiert. Damit hatte ich nicht gerechnet. Es steht dort eine Musikanlage und es sieht nach einem Verpflegungspunkt aus, den es eigentlich nicht geben sollte. Es gibt hier Alkohol. Wie ich später erfahre, ein Hochprozentiger, der wohl denen gefallen hat, die ihn probiert haben. Da ich kein Alkohol trinke, entfällt der Verpflegungsstand gänzlich. Ich laufe weiter und sofort geht es bergab. Und ich versuche ruhig zu machen und mich auf den letzten Anstieg mental vorzubereiten. Doch vorher erscheint der fünfte und somit letzte Verpflegungspunkt. Ich beiße noch einmal in meinen Riegel und nehme mir etwas Wasser und bedanke mich.
Wurzel-Klippe (Max. Steigung: 18 %, Länge: 950 m, Höhendifferenz: 65 HM)
Zu meiner Überraschung tauchen wieder Läufer vor mir auf, die ich nach und nach einhole. Und dann kommt das Schild des letzten Berges. Der Anstieg heißt Wurzel-Klippe und soll 950 m lang sein. Oh … Gott. Ich schaue auf die Uhr und denke mir: Das hab ich nicht erwartet. Das wird hart. Der Berg beginnt und ich laufe ruhig und im gleichmäßigen Takt hoch. Die letzten Teilnehmer_innen der kürzeren 12,4 km Runde überhole an diesem Punkt. Feuerwehrleute, teils mit Gasflaschen auf dem Rücken und einem Schild „Laufen gegen Krebs“. Ich grüße sie, wohl kaum verständlich, da ich schwer atme.
Als es endlich flacher wird, ruft mir eine Frau zu „Du hast es geschafft. Jetzt geht es nur noch runter.“ Ich will ihr glauben, doch sie hatte Unrecht. Es ging kurz runter und dann wieder hoch. Was habe ich dieses letzte bisschen Berg verflucht.
Es geht in den letzten Downhill. Ich renne gefühlt den Berg runter, aber ich merke auch, dass ich erst einmal wieder Luft benötige. Meine Beine, die brennen wie Sau. Ich muss erst einmal wieder klar kommen.
In dem Moment, wo ich „unten“ ankomme und nach links abbiege, piept meine Uhr. Km 21 ist absolviert. Ich bin hab eine 1:39h auf der Uhr. Ich habe noch knapp 20 Minuten für die letzten 3,7 Km. Nun habe ich also etwas mehr als 5 Minuten für einen Km. In diesem Moment wird mir klar: Mein Tagesziel habe ich erreicht. Doch da ich gerade immer mal wieder einen Läufer einhole, was mich motiviert, ziehe ich das Tempo automatisch an und laufe das Rennen zu Ende. Gute 2 Km vor dem Ziel gab es noch einen privat organisierten Verpflegungspunkt mit Traubenzucker und Wasser.
Irgendwann erscheint erneut ein Schild auf dem sinngemäß steht „Noch 1000 m. Danke, dass du am Klippenlauf teilgenommen hast.“
Ich lasse kurz den Lauf Review passieren: Viele, die mich zwischen Klippe 1 und 3 überholt haben, habe ich in Teilen wieder eingeholt. Gerade ab Klippe 7 fiel mir das auf. Ich frage mich, wo Christian ist. Ich drehe mich kurz um, sehe ihn nicht. Ich hoffe es geht ihm gut und er kommt wohlbehalten gleich an. Dabei fällt mir auf, dass der Läufer, den ich zuletzt eingeholt habe mich verfolgt und scheinbar noch einmal mich zurück einholen möchte. Mein Ehrgeiz kommt in mir durch und ich ziehe noch einmal für die letzten 1000 m mein Tempo an. Es fühlt sich gut an, so gut, dass ich mich frage, wieso ich nicht schon eher beschleunigt habe. Bei der letzten Linkskurve die auf eine Straße führt, die dann direkt im Ziel endet, sehe ich, dass ich meinen Verfolger auf Abstand halten kann. Ich beschließe die Pace zu halten. Vielleicht ist das ja mein Platz in die Top 60 Läufer? Wer weiß das schon. 600 Läufer_innen sollen auf der langen Runde gestartet sein und mich haben ja einige überholt, mehr als ich am Ende wieder einholen konnte.
Zeit? Uhr? Das ist jetzt alles egal geworden. Ich möchte nicht mehr überholt werden. Susanne von den Sudbrackläufern, die die 12,4 km Runde lief, ruft mir zu und klatscht. Am Ende der Straße muss ich rechts auf den Schulhof abbiegen und sehe da die offizielle Bruttozeit. Es wird sogar noch eine 1:54h. Ich bin selber völlig überrascht und freue mich enorm. Ich würde laut jubeln und schreien, doch ich hab hunger und durst und bin davon getrieben. Beim Zieleinlauf zeige ich einen Daumen hoch zu den Offiziellen. Mehr schaffe ich gerade nicht.
Im Ziel
Im Ziel stehen Volker und Daniel von den Sudbrackläufern. Ich gratuliere den beiden erst einmal und trinke und esse erst danach. Ich stelle mich ans Ziel und warte nun auf etliche Personen: Christian, Karsten, Dominik, Sina und Juliane. Ich frage mich, wie es denen wohl geht? Christian kommt mit einer 1:59h ins Ziel und flucht darüber, dass er das Rennen zu schnell angegangen ist. Wir geben uns ein High Five und ich gratuliere ihm zum Finish in Sub-2. Danach kommt die erste Gesamtfrau. Ich applaudiere ihr zu.
Jetzt merke ich plötzlich, dass mir kalt wird und beschließe in Folge erst einmal mich umzuziehen. Das Duschen entfällt erst einmal vor Ort, da die Duschen nur per Shuttle im 15 min Takt zu erreichen sind. Das ist zwar nett, aber ich möchte lieber auf die anderen im Ziel warten.
Ich laufe zum Auto, schließe es auf, ziehe mich fix um und laufe zurück. Da kommt mir Karsten und Dominik entgegen, die ich sich auch erst einmal umziehen möchten.
Nach 2:31h läuft Sina zufrieden ins Ziel. Ich begrüße sie, doch da sie schnell friert, als sie im Ziel ankam, zieht sie sich auch fix um. Nach 2:45h erspähe ich endlich Juliane. Schnell wird noch ein Foto gemacht, mit einer bekannten, die sie auf der Strecke gefunden hat: Kirstin. Abschließend setzen sich Sina und ich noch zu den Sudbrackläufern zu der Siegerehrung. Susanne von den Sudbrackläufern lief die kurze Runde und wurde 3. Gesamtfrau und erste in ihrer Altersklasse. Ich esse etwas Kuchen, unterhalte mich mit den anderen über den Lauf. Etwas später werden die Ergebnisse der langen Distanz aufgehängt. Diese bringen mich abschließend zum Lachen.
Ich wurde Gesamt 34. Damit hatte ich nicht gerechnet und war positiv überrascht. Doch was mich zum Lachen brache war meine Altersklassenplatzierung. Dafür, dass ich 34. Gesamt wurde, wurde ich immerhin 14. in meiner Altersklasse M35. Ich glaube, dazu muss nicht mehr viel gesagt werden.
Was für ein schöner Tag, mit vielen netten Menschen bei einem für mich persönlich tollen Lauf. Wenn das mit der Anmeldung hinhaut und Gesundheitlich alles im Lot ist, bin ich nächstes Jahr wieder dabei. Auf jeden Fall Danke liebe Veranstalter_innen/Organisator_innen vom Klippenlauf in Ibbenbüren