Vorab:
Ich könnte in diesem Blogartikel sicher euphorisiert darüber schreiben, wie ich meine neue persönliche Bestleistung (PB) im Marathon finde. Wie es dazu kam, darüber schreibe ich. Doch dieser Abschnitt gehört dieses Mal meinem Orthopäden und meiner Physiotherapeutin:
Es tut mir leid. Ich hielt mein Wort und irgendwie doch nicht. Ich weiß, ihr beide habt mir das Wort abgenommen, dass ich nicht auf eine neue Bestzeit laufen darf. Und so viel schon einmal vorweg: Bis Km 32 habe ich das auch nicht, bzw. irgendwie doch. Ich lief locker, entspannt, wie ich es euch beiden zugesagt habe. Erst bei Km 30 merkte ich, dass es trotzdem eine neue PB wird. Ungewollt und einfach so! Das klingt unglaubwürdig, aber ich meine das total ernst. Ich war geschockt und total verblüfft. Ich habe euch beiden gegenüber schon ein schlechtes Gewissen. Was hätte ich tun sollen? Einfach stehen bleiben, damit es keine PB wird? Ich habe es wirklich nicht drauf angelegt, ich lief wie besprochen, zumindest bis Km 32.
So nun aber der Bericht:
Samstag, 23.09.2017 – Der Frühstückslauf
Über den Frühstückslauf möchte ich zuerst kurz berichten, denn entweder kennen einige diesen Lauf nicht, oder andere glauben, der Lauf lohnt sich nicht. Ganz ehrlich? Als Teilnehmer des Berlin Marathon ist dieser Lauf kostenfrei und daher ist es sicher eine schöne Gelegenheit mit tausenden anderen Läufern gemeinsam auf eine letzte 6 Km lange Runde zu gehen und entsprechend gemeinsam zu frühstücken.
Los geht es am Schloss Charlottenburg. Gemeinsam geht es mit einer wirklich sehr entspannten Pace zwischen 6:15 und 7:30 min Pro Km im vorderen Feld in Richtung des Olympiastadions. Dort läuft man einmal durch das Stadion und am Ende gibt es ein großes Frühstücksbuffet.
Es war mein dritter Frühstückslauf beim vierten Berlin Marathon und mittlerweile gehört er für mich einfach dazu. Ich finde die Atmosphäre nett und das Frühstück ist wirklich vielseitig und gut. Für mich gehört der Frühstückslauf mittlerweile zum Pflichtprogramm, wenn ich den Berlin Marathon laufe.
Sonntag, 24.09.2017 – 44. Berlin Marathon 2017
5:15 Uhr – Der lange Weg zum Start
Dieses Jahr bin ich in einem Hotel und nicht in der Jugendherberge am Wannensee, doch ich wollte wieder in die Nähe des Wannensees. Bei meiner Anreise am Freitag merke ich, dass ich sehr weit vom Zentrum entfernt bin. Ich bin in Potsdam an der Grenze zu Zehlendorf am Wannensee. Sonntagmorgens fahren hier noch keine Busse und ich habe einen 2 km langen Fußweg zur nächsten S-Bahnhaltestelle, die mich aber dann direkt zum Hauptbahnhof bringt. Der Start ist also um 9:15 Uhr und so stehe ich um 5:15 Uhr auf.
Ich krieche aus dem Bett und ziehe meine Wettkampfkleidung an. Ich packe meinen Laufrucksack mit einigen Gels, Handy, Schlüssel und einem Fahrticket für den Tag.
Das Hotel machte mir am Vorabend eine Lunchbox, doch sie machten mir so viel, dass ich nur leider einen Teil schaffe. Auch gaben sie mir eine Mülltüte, die ich mir überziehen konnte, denn ich wollte keinen Kleiderbeutel mitnehmen und es war dunkel, kalt und es regnete. Also war ein Müllbeutel perfekt. Danke noch einmal für die Mülltüte, die hat mir wirklich den Morgen gerettet.
Um 6:15 Uhr verlasse ich das Hotel und gehe zur S-Bahnhaltestelle. Um 6:50 Uhr ca. fährt die S-Bahn, gegen 7:20 Uhr bin ich am Berliner Hauptbahnhof und gegen 7:30 Uhr treffe ich mich mit Inga vorab.
Beim Einlass bekomme ich die erste Krise: Man lässt mich nicht mit meinem Laufrucksack hinein. Ich bekomme Panik, erkläre was ein Laufrucksack ist, dass darin meine Papiere und Handy drin ist und nicht mehr. Sie lassen mich dann doch rein und in der Läuferzone selbst sehe ich eine Menge Läufer_innen mit einer Menge Läufrucksäcken. Ich bin irritiert, wieso das bei mir nun so ein Problem war.
Inga und ich quatschen ein wenig und suchen ein Klo auf. Zum Glück sind die Schlangen noch sehr kurz, was sich 10 Minuten später rasant ändert. Wir treffen weitere Läufer vom TSVE 1890 Bielefeld und unsere Gesprächsrunde wird größer. Etwas später löst sich die Runde auf und jeder sucht seinen Startblock auf.
Kurz vor den Blöcken E und F trennen sich die Wege von Inga und mir. Wir verabschieden uns und ich frage mich, ob sie mich wohl einholt? Der F Block, in dem sie stehen wird, startet 20 Minuten nach dem E Block. Gegen 8:40 Uhr stehe ich im E Block.
Ich darf zum ersten Mal in E. Ein kleiner Funfact am Rande: 2009 startete ich im H Block (dem letzten Block). 2013 durfte ich in G starten, 2015 in F und nun in E. Ich war und bin darüber sehr amüsiert. Ich stelle mich ganz vorne rein, zur Grenze zum D Block.
Es ist noch eine gute halbe Stunde bis zum Start der ersten Welle, die bis Block E reicht. Sprich: Ich darf direkt mit rauslaufen. Ich gehe direkt nach ganz vorne an die Grenze zum D Block. Neben mir ist eine ARD Bühne aufgebaut und die Kamera hält genau auf mich. Später sehe ich in der ARD Mediathek, dass ich tatsächlich in der Aufzeichnung bin.
9:15 Uhr – Start
Und dann endlich um 9:15 Uhr geht es los. Es dauert etwas mehr als drei Minuten bis ich auf meine Uhr drücke und über die Startlinie laufe. Ich bin schon auf der Strecke und das erste Mal beim Berlin Marathon habe ich das Gefühl nicht ausgebremst zu werden, sondern einfach los laufen zu können. Ich bin angetan von dem Gefühl ungebremst direkt zu laufen und ermahne mich, es locker anzugehen. Ich gucke mich um, mache erste Fotos und genieße die Stimmung. Es ist jedoch grau in grau. Auch fällt mir direkt auf, dass es deutlich weniger Publikum als in den Jahren zuvor gibt.
Ich weiche ersten Pfützen aus und mache die ersten Kilometer. Sogar nach gut 3 Km habe ich immer noch nicht das Gefühl, dass es sich im Läuferfeld staut, sondern die Masse einfach ihre Bahn zieht. Wie immer verengt sich die Laufbahn von Anfangs sechs Spuren erst auf vier, dann auf zwei und kurz vor dem Bundeskanzleramt auf eine Spur. Hier wird es dann doch ein wenig enger. Nach einigen hundert Metern jedoch wir die Laufbahn wieder breiter und plötzlich habe ich viel Platz.
Bei Km 5 nehme ich mir einen Becher Wasser und ignoriere die offizielle Uhr am Straßenrand und laufe weiter. Wen interessiert schon die Zeit, wenn man nicht auf Zeit laufen darf? So bleibt mehr Zeit für die Zuschauer. Vor allem viele Kinder stehen am Rand, halten die Hand aus und wollen abgeklatscht werden. Ich versuche möglichst vorsichtig abzuklatschen, schließlich bin ich im Laufschritt und die Kinder meist kaum älter als drei oder vier Jahre.
Ich passiere die 10 km Marke, ignoriere die Zeitanzeige erneut und laufe einfach über die Matte. Was soll ich schon berichten, wenn ich den Lauf einfach ablaufen möchte?
Km 14 – Hektik und das Ende des ersten Drittels
Ich habe vier Gels dabei, wovon ich drei plane zu nehmen: Bei Km 12, 22 und 32 möchte ich eines nehmen. Wenige Meter vor der 12er Km Marke kommt ein Wasserpunkt, denn ich gar nicht realisiert habe. Schnell reiße ich ein Gel auf, nehme ein Becher Wasser, drück mir das Gel völlig chaotisch in den Mund und spüle nach. Das war total hektisch. Einen anderen Läufer bremse ich dadurch aus, der verständlicherweise verärgert ist. Ich wollte mich entschuldigen, aber bevor ich den Mund frei hatte, ist er schon weg. Ich sammle mich hingegen kurz und versuche nicht zu gestresst auszusehen. Ich vermute, der Versuch dürfte sicher gescheitert sein.
Als ich Km 14 passiere habe ich ein Drittel des Laufes absolviert und schaue zum ersten Mal auf die Uhr. 1:05h zeigt sie mir an. Okay, denke ich mir, du bist schon zügig unterwegs, aber es kommt ja noch die zweite Hälfe. Da wirst du automatisch langsamer, weil du nur wenige lange Läufe machen konntest und es sieht vieles nach einer guten 3:30h aus. Es ist alles im Rahmen, wenn es nicht in dem Moment anfangen würde, zu regnen. Ich seufze.
Bei Km 15 lerne ich einen Läufer auf Oelde kennen. Den erwähnte ich sogar einmal, weil wir uns bis Km 20 komplett durchgehend unterhalten. Er läuft eigentlich Sub 3h Zeiten. Berlin ist für ihn ein Trainingslauf und richtig auf Zeit läuft er erst in Frankfurt. Auch erzählte er mir, dass er nicht so gut die letzten Wochen trainieren konnte. Ich berichte ihm ähnliches: Wenig Training und es wird daher bei mir wohl eine 3:30h bis 3:50h. Wir tauschen Erfahrungen aus, welcher Lauf sich lohnen würde. Die Km gehen unglaublich schnell vorbei, nicht von der Geschwindigkeit, aber eben weil wir uns gut unterhalten. Irgendwann frage ich ihn, aus welchen Block er sei und er meinte aus C. Sowieso schaue ich mich um und sah nur noch D und C Blockstarter um mich herum. Das kommt wohl, wenn man an der Grenze zu D startet, denke ich mir.
Kurz nach Km 20 verabschiedet er sich. Seine Frau stehe gleich am Rand und er wolle sich ein bis zwei Minuten für sie Zeit nehmen. So trennen sich unsere Wege.
Km 21 – Halbzeit und immer diese Klopausengeschichten
Ich laufe durch einen Torbogen, der die Halbmarathonmarke darstellt.
Als ich mich der Km 22 Marke nähere, nehme mein Gel und warte auf den nächsten Wasserpunkt, der kurz danach kommen sollte. Noch einmal so ein Stress und Chaos wie bei Km 12 wollte ich nicht erleben. Ich fühle mich immer noch gut und locker. Ich atme nicht schwer und habe keine Beschwerden. Naja fast keine. Mein rechter Oberschenkel zwickte einmal kurz leicht, aber das war es. Das kannte ich schon und wusste, dass ich einfach aufpassen musste, dass ich keinen Krampf dort bekomme. Aber, da ich das Tempo nicht anziehen werde, sollte es beim kurzen Zwicken verbleiben. Warum auch sollte ich das Tempo anziehen? Ich darf es nicht, ich will es nicht und es gibt keinen Grund dafür.
Ich gebe lieber mehr Kindern High Fives, bejubele Zuschauer, danke ihnen und mache Fotos und achja, nebenbei laufe ich natürlich noch weiter.
Irgendwann bin ich bei Km 28 angekommen. 2015 musste ich hier auf das Klo und verlor ungefähr 1,5 Minuten. Einen kurzen Moment überlege ich wieder auf das Klo zu gehen, verwerfe aber den Gedanken und laufe weiter. Das Ziel hat sicher auch schöne Dixi Klos. Und im Ernst: Ich genieße den Laufrhythmus, dass ich meinen Schritt habe und das es einfach läuft.
2015 verlor ich genau dieses Gefühl und den Rhythmus, als ich auf das Klo sprang. So mache ich einfach weiter und erfreue mich an der Tatsache, dass ich mich einfach durch Berlin bewege. Okay das Wetter ist nicht perfekt. Wobei ich mir auch denke, dass ich bei so einem Wetter oft Bestzeiten lief. Dennoch ist es ungemütlich. Der Regen setzt mal ein und hört wieder auf. Ich bin froh, dass ich meine Laufweste angezogen habe. Die hält mich gut warm und ich empfinde es als ideale Kleidung an diesem Tag.
Km 30 – Der Schock, die Entscheidung und der Wettkampfmodus
Und was nur wenige Km später passiert, war für mich wie ein Schock. Ich habe wirklich nicht damit gerechnet. Doch von vorne und in Ruhe: Ich passiere die 30 Km Marke und achte zum ersten Mal bewusst auf die Zeitanzeige: 2:22h. Okay das ist die Bruttoanzeige. Also schaue ich auf meine Uhr und sehe: 2:19h. WAS? Ich meine… WAS? Ich atme tief ein und aus. Ich realisiere gerade erst, was die Brutto / Netto Zeit eigentlich bedeutet.
Das ist ungefähr meine Zeit auf den Hermannsläufen bei Km 31,1. Ich bin unglaublich schnell unterwegs. Sicher eine 4:40 min/km Pace.
Ach du … Wie soll ich das den anderen erklären? Ich sagte, ich lauf locker und werde weit ab jeglicher Bestzeit mich bewegen. Und jetzt? Ach du …
Ich beruhige mich erst einmal: Ich habe nichts falsch gemacht. Ich bin locker gelaufen. Ich habe die Zeit missachtet und jetzt ist es halt eine unfassbar gute Zeit. Das … kommt … unerwartet. Als ich meine Gedanken sortiere, passiere ich Km 31. Ich fühle in mich hinein, ich möchte schauen, wie es mir geht, abseits von dem Rennen und allem anderen. Bei Km 32 schaue ich erneut auf meine Uhr und die zeigt mir 2:28:45h. Es geht mir absolut blendend, die Zeit ist fantastisch und ich habe noch 10 km bis ins Ziel. Ich nehme mein drittes Gel, warte auf den Wasserpunkt und trinke einen Schluck für das Gel und einen zweiten für den Schock. Ich merke, wie die Gedanken aufkommen: „Wer weiß, wann ich nochmal die Chance habe, dass ich mich so gut zu fühle bei einer solchen Zeit?“ Ferner denke ich: „Ich bin bei 2:29h, wenn ich jeden Km um 5 Minuten laufe, schaffe ich eine 3:19h. Wahnsinn. Unfassbar. Das ist eine unglaubliche Chance die eigene persönliche Bestleistung so deutlich zu verbessern. Wenn ich das Tempo einfach halte, dann schaffe ich das. Ja, ich will das schaffen. Ich werde das jetzt einfach machen. 3:19:59h ist jetzt meine Mission. Ich werde das schaffen!“
Und ich lief weiter. Ab jetzt werde ich jeden Km auf die Uhr gucken, um durchzurechnen, wo ich liegen würde, wenn ich mit einer 5 min/Km Pace weiterlaufen würde.
Km 35 – Nur noch 7 Km
Als ich Km 35 passiere, geht es mir weiterhin blendend. Ich realisiere, dass ich irgendwo zwischen einer 3:17h und einer 3:18h raus kommen könnte. Ich halte mein Tempo und kämpfe. Jeder Kilometer wird anstrengender, aber, da ich im Moment mehr Leute ein- und überhole, motiviert mich das ungemein und gibt mir Kraft.
Als ich bei Km 38 den Potsdamer Platz passiere und weiß, dass es nur noch 4 Km sind, bin ich immer noch unter der 3 Stunden Marke. Im Moment liege ich zwischen einer 3:16h und 3:17h Zielzeit. Ich kann das immer noch nicht fassen, schiebe aber diese Gedanken zur Seite. Ich laufe gegen die Uhr und gegen die Zeit, ich will es jetzt wissen. Die Km fliegen dahin und ich laufe unverändert auf meiner Pace.
Dann kurz vor der Km 40 Marke sehe ich zwischen zwei Häusern durch die 3:15h Pace Läufer. Die sind höchsten 400m vor mir und die starteten am Anfang des D Blocks.
Km 40 – So schlimm ist der Km gar nicht
Ich biege nach links und sofort steht dort die Matte für 40 km. 3:06:10 zeigt mir meine Uhr an. Warte, ich habe noch 9:49 min und dann hätte ich sogar vorne eine 3:15h stehen? 2,2 km in 9:49 min? Das bedeutet aber, dass ich das Tempo anziehen muss. Ich laufe weiter und bei dem Gedanken, dass ich eine 3:15h laufen könnte, kommen mir die Tränen vor Freude. Ich muss mich zusammenreißen und merke, dass ich es erst einmal ins Ziel bringen muss. Doch der Gefühlsausbruch ist groß und es dauert einige Sekunden bis ich mich wieder fange und atme erst einmal stark durch. Ich passiere die Km 41 Marke bei einer 3:10:50. Noch 1,2 Km und ich habe noch 5:09 min Zeit. Zudem war dieser Km dieses Mal gar nicht so schlimm für mich.
Normalerweise mag ich den Km von 40 nach 41 auf dem Berlin Marathon nicht. Ich kann auch nicht erklären warum, aber ich mag ihn nicht.
Ich biege in die Straße des 17. Juli ein und sehe das Brandenburger Tor. Hin und her gerissen zwischen der knappen Zeit und der dem Anblick, ziehe ich das Tempo hoch. Meine Uhr zeigt mir eine Pace von einer 4:05 min/Km. Das muss ich auch laufen, wenn ich bei ungefähr 5 Minuten für die 1,2 Km raus kommen möchte. Ich ziehe und laufe sehr angestrengt. Ich halte meine GoPro für Bilder nur noch in die Luft, ohne zu wissen, ob auch nur ein gutes Bild rauskommt.
Ich merke, wie ich beiße und das Ziel verfolge. Erst als ich wenige Meter vor dem Ziel bin schaue ich auf die Uhr und weiß: Ich habe es geschafft. Die offizielle Nettozeit bestätigt das später: 3:15:47h für den Marathon. Die erste Hälfte lief ich in 1:37:48h und die zweite in 1:37:59h. Zwischen dem ersten und zweiten Halbmarathon liegen nur 11 Sekunden. Das nenne ich ein konstantes Rennen. Ich hätte sogar weiter laufen können. Luft und Kraft wäre noch da gewesen, ein gutes Zeichen für den meinen nächsten und längsten Ultra in zwei Wochen.
Nachdem Zieleinlauf
Ich juble und freue mich, lasse ein Foto im Ziel machen, erhalte meine Medaille und eine blaue Plastikdecke. Plötzlich bemerke ich, dass ich Kopfhörer auf hatte, ohne sie benutzt zu haben. Ich muss schmunzeln, was soll es, sage ich mir. Ich nehme mir einen Verpflegungsbeutel und jogge locker zum Bahnhof, um meine S-Bahn zu erreichen, was auch klappt. In der S-Bahn merke ich erst so richtig, wie ich bis auf die Knochen nass bin und mir kalt wird. Ich decke mich fester in die Plastikdecke ein und esse und trinke aus dem Verpflegungspaket. Als ich von der S-Bahn in den Bus umsteige, kommen ich mit zwei älteren Damen und einem älteren Herrn ins Gespräch, die den Lauf im Fernsehen gesehen hatten. Wir unterhalten uns über den Lauf und das sehr wenig an der Strecke los war, für Berliner Verhältnisse. Sie sagen, sie gehen sonst auch immer anfeuern, aber das Wetter sei einfach schlecht für Zuschauer. Da stimme ich ihnen zu.
Als ich nach 45 Minuten Fahrt endlich am Hotel angekommen bin, gehe ich erwartungsvoll sofort unter eine heiße Dusche. Die tut gut und wärmt mich wieder auf. Doch so viel Zeit habe ich am Ende nicht. Ich muss schließlich zurück zum Hauptbahnhof, denn dort wartet mein Zug in die Heimat. Ich gucke noch schnell in die Ergebnisliste und sehe, dass Inga auch ihr Ziel geschafft hat und ebenfalls eine neue PB lief. Jetzt aber schnell los!
Als ich zurück am Hauptbahnhof bin, sehe ich viele Finisher, die gerade erst einlaufen und sicher bei 5,5h Zielzeit sind, denn der letzte Block H startete ja 45 min nach den Blöcken A bis E.
Viele tragen ihre Medaillen offen, ich trage meine auch, aber unter meinem Pullover. Ich trage sie nur für mich. Ich merke, wie ich das brauche, um alles zu realisieren, was eben passiert ist. Ich muss lächeln, was soll ich auch anderen tun, als einen Moment lang glücklich, stolz und zufrieden über die erbrachte Leistung zu sein?!
Ich gehe zum Zug und denke mir: Tja Juliane, jetzt musst du beim Frankfurt Marathon nachziehen. Ich hab vorgelegt, nehme du es als Motivation für deinen ersten Sub 3:20h Lauf in Kürze. Kurz danach telefonieren wir und ich werde es ihr genauso sagen. Sie lacht und meint, sie arbeite dran.