Transalpine-Run 2016 – Von Garmisch-Partenkirchen (Deutschland), über Österreich nach Brixen (Italien) – Teil 1 von 3

Vorwort im Allgemeinen, sozusagen ein Disclaimer:
Ich habe diesen Bericht primär für mich geschrieben, um die Erinnerungen stets frisch zu halten. Ich hatte überlegt, ob ich sieben Einzelberichte, oder ob ich einen sehr ausführlichen schreibe. Nachdem ich die erste Fassung des Berichtes für die gesamte Veranstaltung fertig hatte, entschloss ich mich, den Bericht zu dritteln. Ich wünsche euch viel Spaß beim Lesen. Denn jetzt geht es los.

Vorwort:
Dieses Vorwort schreibe ich, nachdem ich die erste Rohfassung des gesamten Berichtes fertig hatte. Mir ist es wichtig, etwas vorweg zu sagen. Die Spannung in diesem Bericht besteht nicht darin, ob ich den Lauf erfolgreich gelaufen bin, sondern was ich bereit war zu ertragen und zu investieren. Gerade dieser Punkt beginnt jedoch erst mit dem 2. Teil des Berichtes. Nur um eines vorweg zu sagen, ich gehöre zu den glücklichen Finishern des Transalpine-Run 2016.
Der Transalpin-Run ist kein Lauf für Anfänger_innen oder für Leute, die meinen einfach mal so einen Lauf zu bestreiten. Der Transalpin-Run ist ein höchst anspruchsvoller Lauf über sieben Tage. Insgesamt müssen ungefähr 250 km und 15000 Hm bis zum Ziel überwunden werden. Er ist ein wundervoller, wunderschöner, emotionaler und vor allem sehr intensiver Lauf, der mein Leben bereichert hat. Aber er ist auch ein Lauf, der Leid und Schmerz bedeuten kann, alles abverlangt und einen für das Leben durch schlimme Verletzungen zeichnen kann. Absolut niemand weiß beim Start der ersten Etappe, ob er es bis ins letzte Ziel schafft. Es kann einfach sehr viel passieren und wenn man in einem kleinen, ungünstigen Moment nicht aufpasst, war es das.
Ich bin vorher über ein Dutzend Marathons gelaufen, sowie zwei Alpine Läufe, Zugspitzultra-Supertrail und Zugspitz-Marathon. Ich wollte gucken, ob ich diese Belastung überhaupt aushalten kann.
Überlegt es euch sehr gut, ob ihr den Transalpin-Run bestreitet wollt. Er kann einem sehr viel geben, aber auch nehmen.

03. September 2016
Ich stehe entspannt früh morgens gegen 8 Uhr auf, wohlwissend, dass meine Teampartnerin Juliane schon seit Stunden auf dem Weg nach Garmisch-Partenkirchen ist. Mein Zug jedoch fährt erst um halb Zehn und somit habe ich noch genügend Zeit, um in Ruhe zu frühstücken. Ich ahne schon, dass die nächsten Tage mich erschöpfen werden und sauge jede ruhige Minute in mich auf. Ich habe zu diesem Zeitpunkt jedoch keine Vorstellung, was mich wirklich erwartet. Ich starte beim Transalpin-Run 2016, einem Etappenlauf über die Alpen, von Garmisch-Partenkirchen nach Brixen. Gute 250 km, 15000 positive Höhenmeter und nochmal soviele negative Höhenmeter, sprich Downhills. Ich erinnere mich an den die letzten beiden alpinen Läufe, den Zugspitzultra und den Zugspitzmarathon und erstarre immer wieder selbst in Ehrfurcht vor der Strecke die vor mir liegt. Worauf habe ich mich nur eingelassen?
Ich nehme meine gepackte Tasche, gehe zum Zug und lasse mich binnen acht Stunden nach Garmisch-Partenkirchen durch die Bahn transportieren. Ich werde von Juliane feierlich und fröhlich empfangen. Bei dem Transalpin-Run muss man in zweier Teams laufen. In meinem Fall ist Juliane meine Teampartnerin. Auf geht es ins erste Hotel, zur Startnummerabholung und danach zur Pasta-Party.

Bei der Startnummerabholung bekommen wir direkt eine große Reisetasche. Diese wird vom Veranstalter Plan B nun jeden Tag für uns transportiert. So müssen wir einiges umladen. Dank Jan Erik und Andrea von Asics und den Asics Frontrunntern, nehmen sie u.a. meine reguläre Tasche in ihrem Auto nun jeden Tag mit. Plan B nimmt natürlich nur die ausgegebene Reisetasche mit. Ich wusste nicht, dass wir alles umräumen müssen. Wäre mir das klar gewesen, hätte ich zu Hause 1. anders gepackt und 2. wesentlich weniger. Auch wäre ich mit dem Auto angereist, um meine reguläre Tasche für die Woche ins Auto zu packen. Ohne Jan Erik und Andrea, hätte ich nicht gewusst, wo ich die reguläre Reisetasche hätte lassen sollen. Wirklich ein riesen Dankeschön an euch beide!
Die offene und entspannte Grundatmosphäre gefiel mehr sehr gut. Zusammen schauten wir uns das Briefing für die erste Etappe an. Es soll ein einfacher Einstieg in das Etappenrennen sein, mit entspannten Cut-Off Zeiten und einem eher ruhigem Profil. Cut-Off Zeiten? Ja, das sind Zeiten, die wir unterbieten müssen, genauer bis zu diesen Zeitpunkten sind die Verpflegungspunkte (VP) und Ziele geöffnet. Reißt man eine Cut-Off Zeit, so ist man offiziell disqualifiziert und wird kein offizieller Finisher mehr. Außerhalb der Wertung ist eine weitere Teilnahme zwar möglich, jedoch gibt es das begehrte Finisher Shirt nicht mehr.

Auf dem Briefing wird auch erwähnt, dass es eine Überscheidung mit der Strecke vom Zugspitz-Ultratrails gibt. Ich lasse mich überraschen, welcher Abschnitt das wohl wird.
Nach dem Briefing beschließen wir früh ins Bett zu gehen, auch wenn der Start erst um 10 Uhr ist. Es ist alles sehr aufregend und schließlich wollten wir nicht müde in die erste Etappe einsteigen.

04. September 2016, Etappe 1: Garmisch-Partenkirchen – Lermoos
Wir, Juliane und ich, stehen pünktlich auf, ziehen uns an und gehen erst einmal erneut zur Startnummerausgabe. Sehr ärgerlich, denn wir hatten vergessen PlanB mitzuteilen, in welchen Hotels wir in den kommenden Tagen nächtigen. Schließlich möchten wir, dass wir unsere Taschen am nächsten Abend wiederbekommen. So gegen halb neun, nach einem ausgiebigen Frühstück gingen wir zum Start. Schnell geben wir noch unsere Reisetaschen ab und stellen uns für Fotos in den Startblock. Mit den anderen Asics Frontrunnern, Juliane ist ein Mitglied der Frontrunner, werden noch mehr Fotos und Einschwörungsformeln ausgetauscht.

Die letzten Minuten vor dem Start waren dabei besonders intensiv für mich. Ich gucke ich mich um, und realisiere, dass jeder dritte den ich gerade sehe es nicht bis nach Brixen schaffen wird. Zumindest wenn man den statischen Zahlen der letzten Jahre glaubt. Wir starten mit knapp 300 Teams und ich frage mich, ob wir wirklich am Ende nur noch gute 200 Teams sein werden? Nehmt euch die Zeit und guckt euch die beiden Fotos vom Start mal genau unter dem Aspekt an, um vielleicht nachzuvollziehen, was ich fühlte. Es machte mich etwas melancholisch. Ich habe mir in dem Moment gewünscht, dass wir alle Gesund und heile bis nach Brixen ins Ziel kommen. Doch dies ist eine Utopie, eine Wunschvorstellung, die so nicht eintrifft. Niemand kann und darf sich sicher sein, es bis nach Brixen zu schaffen. Ich atme tief ein und aus und frage mich, was mich an Erfahrungen erwartet, welche guten sowie schlechten Momenten wohl vor mir liegen? Die Verbindung zwischen mir und diesem Lauf klingt ein wenig nach einer Eheschließung. Durchaus gibt es gewisse Parallelen auf die ich jetzt nicht explizit eingehe, sondern ich überlasse es euch, ob ihr im Bericht diese Parallelen ebenfalls wieder findet. Ich weiß eines ganz sicher, dass ich diesen Lauf laufen will, mit Juliane. Mit wem auch sonst, wenn nicht mit meiner Marathonpartnerin? Ich schaue zu Juliane rüber und sie jubelt. Ich weiß, dass ich viel von ihr verlange. Ich bin der organisierte Typ, der alles akribisch plant und vorbereitet. Sie ist da eher das Gegenteil was Wettkämpfe und Läufe angeht. Sie lässt es gerne auf sich zukommen. Der aktuelle Deal ist es, dass ich mich um Pace und das Erreichen der Cutoff-Zeiten kümmere. Sie vertraut mir da und lässt mich machen. Vielleicht habe ich da zu viel verlang von ihr und mir. Vielleicht.


Da fiel der Startschuss und wir liefen los. Wir hatten auf den ersten 2,5 km ein gutes Tempo, da wir zügig an den ersten Anstieg wollten. Endlich Trails, Natur und eine tolle Atmosphäre. Wir waren gespannt und auch ein wenig in freudiger, nervöser Stimmung. Der erste Anstieg zog sich über fast 10 km, jedoch mit laufbaren oder schnell zu wandernden Abschnitten. An der Spitze des ersten Berges angekommen standen Personen mit Rosa Puscheln und bejubelten alle. Juliane ließ sich kurz mit ihnen fotografieren und dann ging es weiter zum ersten Downhill. Es war der identische Downhill, wie der letzte Downhill beim Zugspitz-Ultratrail und mein Gedanke war: „Ach du Scheiße. Darf ich kotzen? Ich hasse ihn jetzt schon. Wenigstens ist er diesmal trocken und nicht total matschig vom Regen, wie beim Zugspitz-Ultratrail.“ Ich mochte den Abstieg nicht, aber es half nichts, wir mussten darunter. Auf halben Weg stützte ich. War ja klar. Mir passierte nichts, jedoch zerstörte es einen meiner Trailstöcke vollständig, da er nun einen zweifachen Bruch hatte. Diesen gab ich später am VP 2 ab. Ein Helfer bot es mir an, diesen für mich Fachgerecht zu entsorgen. So lief ich an diesem Tag mit nur noch mit einem Trailstock weiter. Einer war schließlich besser als keiner.


Beim zweiten Anstieg des Tages hatte sich das Feld mittlerweile so sehr gezogen, das wir immer öfter alleine waren. Das war nicht schlimm, aber wir wollten uns auch nicht hetzen lassen. Mehrere Personen sagten uns sehr eindringlich, dass wir nicht zu schnell den Lauf angehen sollten und das viele andere genau diesen Fehler machen würden und die erste Etappe richtig rannten.
Wir wussten relativ schnell, dass wir eher im hinteren Feld waren, aber es war uns egal, denn das wichtige war nur, dass wir Gesund durchkamen und Spaß hatten. Ich drehte mich immer wieder um und genoss die Aussichten ins Tal. Es war landschaftlich einfach wunderschön. Kurz vor dem zweiten „Gipfel“ des Tages, an der Grenze nach Österreich trafen wir einen japanischen Kamaramann. Er filmte mit mehreren und begleitete einige japanische Läufer. Er war total witzig und wir unterhielten uns kurz mit ihm.



Auf dem Weg zum VP 3 lernten wir dann Cindy und Geo kennen und liefen mit ihnen einige Kilometer und unterhielten uns länger mit ihnen. Cindy hatte Geo überzeugen können, hier mitzumachen. Ich glaube, die beiden wussten nicht mehr, als wir, worauf sie sich da eingelassen haben. Es waren auf jeden Fall zwei sehr sympathische Personen. Beim zweiten Downhill des Tages war ich froh, dass ich Handschuhe anhatte, da diese mir beim Abstieg enorm halfen. Ich weiß, dass ich die Handschuhe anzog, um Blasen an meinem Daumen von den Trailstöcken zu verhindern. In diesem Moment beschloss ich, denn gesamten Transalpinlauf nur noch mit Handschuhen zu laufen, damit ich besser klettern konnte und einen besseren Halt hatte.

Das letzte Stück der ersten Etappe war flach und gut zu laufen. Wir sahen Cindy und Geo nicht mehr, da sie lockerer laufen wollten. Juliane und ich nahmen noch einmal Schwung und liefen locker ins Ziel und beendeten die erste und zweitlängste Etappe nach gut 6:47h in Lermoos.

Nach einer kurzen Pause suchte ich den Verkaufsstand von PlanB auf und informierte mich, ob sie noch Trailstöcke verkauften. Es gab nicht die optimalen für mich, und es gab kaum noch welche und ich musste in Bar bezahlen. Das letztere war ein enormes Problem, da ich extra für Hotels Bargeld mitgenommen hatte. Doch den Transalpin-Run ohne Trailstöcke bestreiten? Das wollte ich auch nicht. Wir verhandelten, dass ich am nächsten Morgen mir die Stöcke abholen durfte und dann einfach direkt bezahle.
Danach suchten wir unser Hotel auf, duschten und fuhren zur Pasta-Party. Dankbarerweise nahm uns andere Frontrunner in ihrem Auto mit. Es wäre für uns unmöglich gewesen das reguläre Shuttle zu erreichen, da wir dafür zu spät eingelaufen waren. Das Ziel war sogar noch länger geöffnet, als die Shuttles fuhren. Jeder der nach 8 Stunden drin war, hätte es wegfahren sehen können und die Läufer_innen hatten sogar 9 Stunden Zeit für die Etappe. Das Shuttle wurde gebraucht, da es in Lermoos keine Pasta-Party gab, sondern im benachbarten Ehrwald. Wir hörten später, dass das Shuttle teilweise über eine halbe Stunde zu spät kam. Doch damit nicht genug. Es gab nur eine Essensausgabe für um die 600 Läufer. Daraus folgte, dass die Schlange am Essen sehr lang war und es auch sehr lange dauerte, bis alle Essen bekamen. Das Essen selbst war ok, doch viele Läufer_innen empfanden die Organisation in Lermoos als nicht optimal. Bei dem anschließendem Briefing für den zweiten Tag, gab es auch promt eine Entschuldigung und das Versprechen, dass es nun besser werden sollte. Ich war sehr gespannt, ob sie dieses Versprechen einhalten würden.
Beim Streckenbriefing wurde eine Routenänderung vorgestellt. Ein Streckenabschnitt dürfe nur durchlaufen werden, wenn es trocken sei, doch wegen Regen war der Abschnitt gesperrt. Somit wurde die Strecke um einen Kilometer gekürzt und um 400 positive, wie negative Höhenmeter. Nach dem Streckenbriefing ging es zurück ins Hotel. Dort angekommen trafen sich noch einige im Foyer, um das WLAN zu nutzen. Ich war dabei. Dabei trafen wir Cindy wieder. Lustiger weise erkannte sie mich in „zivil“ nicht sofort. Das führte zu einem sehr interessanten Dialog, als sie plötzlich von dem Tag und mir berichtete. Erst da bemerkte ich, dass sie mich nicht erkannt hatte. Ich machte sie darauf aufmerksam, dass sie gerade von mir sprach. Wir lachten und unterhielten uns weiter. Aber halt, was war das? Ach mein Bett ruft!

05. September 2016, Etappe 2: Lermoos – Imst
Nächster Tag, 2. Etappe. Wir standen früh auf, auch weil wir die Taschen rechtzeitig vor das Hotel bringen mussten. Ich ging am Morgen alleine zum Start, da ich noch neue Trailstöcke kaufen wollte / musste. Dabei lernte ich zwei Spanier kennen, mit denen ich mit ein wenig unterhielt. Sie schienen sehr erfahren zu sein und ich war beeindruckt von ihrer schier endlosen Liste von erfolgreichen Ultraläufen, die sie vorwiesen. Ich war total glücklich, wie viele Menschen ich in so kurzer Zeit kennen gelernt habe. Es wirkte alles sehr familiär, was mir sehr gut gefiel.
Als die Spanier und ich beim Start ankamen, trennten sich unsere Wege. Ich ging alleine weiter zum Verkaufsstand von PlanB. Ich hatte am Vorabend schon alles organisiert und besprochen und so war es ein schnelles und leichtes die Trailstöcker zu bekommen. Allerdings erfuhr ich auch, dass sie nun keine mehr zum Verkauf hatten. Es wurden die wenigen Paare nach einer Etappe verkauft. Ob sie nochmal welche bekamen, wussten sie selbst zu dem Zeitpunkt nicht. Sie waren überrascht, welcher Bedarf plötzlich sich aufzeigte.
Als ich auf Juliane wartete, fühlte ich einen leichten Muskelkater im Oberschenkel, aber dagegen war wohl nichts mehr zu machen. Ich entschied mich ihn rauszulaufen und hoffte einfach, dass er nicht schlimmer werden würde.

Wir starteten bei Regen. Heute gab es zwei Startblöcke, da der erste Anstieg schon nach 1,5 km anfing, ein Singletrail war und man keine größeren Staus dort provozieren wollte. Wir waren im zweiten Startblock anzutreffen. Wir stellten uns vorne rein, um einem potentiellen Stau zu entgehen.
Unsere Taktik war einfach: Im Flachen wollten wir einige Minuten heraus laufen, um dann entspannt den ersten Anstieg hoch wandern. Als kritisch erachtete ich die Cut-Off Zeit des ersten Verpflegungspunktes. Daher war es nicht verkehrt, den Lauf zügiger anzugehen. Durch die Streckenänderungen blieben wir auch am 2. Tag unter der magischen 2000 m Grenze.


Der erste Anstieg war ein sehr schöner Singletrail und es staute sich schnell hinter uns. Wir waren froh, dass wir zügig unterwegs waren und so entspannt und ohne Stau den ersten Anstieg nehmen konnten. Es war ein Single-Pfad durch Gestrüpp und Wald, voller S-Kurven. Sehr bald hörte auch der Regen auf und es lockerten sich die Wolken. Es wurde wärmer und ein Panorama nach dem anderen offenbarte sich. War ich von der ersten Etappe schon sehr angetan, musste ich anerkennen, dass die zweite Etappe noch viel schöner war.


Kaum vorzustellen, dass sich das noch steigen ließe. So liefen wir nach 7,5 km direkt an Wasserfällen vorbei, sahen Wolken auf Augenhöhe und hatten Aussichten, die ich so nicht kannte. Mir stockte mehrmals der Atem. Ich musste mich selbst immer wieder ermahnen, nicht zulange an einem Ort zu verweilen. Wir wussten ja, dass der Cut-Off zum ersten Verpflegungspunkt relativ eng gestrickt war. Daher gaben wir bis dorthin auch richtig Tempo. Das war aber nicht so einfach. Kurz vor dem Verpflegungspunkt mussten wir einen Singletrail durch dichtes Getrüpp bergab schleichen. Eigentlich kam es mir so vor, als wenn ich einen Abhang runter glitt, rutschte und kletterte. Es staute sich sehr und wir verloren sehr viel Zeit. Kurz nach dieser Abstiegsaktion erreichten wir den VP1 gerade so in der Zeit. Wir hatten nur 14 Minuten bis zum Cut-Off. In nur 5 Kilometern weiter sollten wir schon auf den 2. VP treffen. Jedoch war dieser Abschnitt primär ein breiter Waldweg, Straße und ging fast nur Bergab. Die hier vorgesehene Zeit war jedoch plötzlich so großzügig, dass wir den zweiten VP mit knapp einer Stunde vor dem Cut-Off wieder verließen und nun ein entspanntes Rennen zu Ende laufen konnten. Der Weg zur VP 3 stellte sich als unspektakulär heraus, was der Streckenänderung wohl geschuldet war.


Wir liefen entspannt den Lauf ab und der Vorsprung vor dem Cut-Off wurde immer größer und war für uns sehr bald nach dem zweiten VP nicht mehr relevant. Die letzten Kilometer waren eine abschüssige Straße und verlief in die Stadt Imst rein. Daher liefen wir locker ins Ziel und freuten uns, dass wir auch die zweite Etappe nach gut 6:20h erfolgreich mit viel guter Stimmung absolvieren konnten.


Getrübt wurde unsere Stimmung jedoch vom nicht funktionierenden Shuttelsystem. Vor uns warteten einige Läufer schon über eine Stunde, da viele Hotels außerhalb von Imst lagen, so auch unseres. Es endete damit, dass wir nach einer halben Stunde warten ein Taxi nahmen und zum Hotel fuhren. Zwei Stunden später fuhren wir jedoch entspannt mit dem Shuttel zur Pasta Party, denn am Abend funktionierte das Shuttle tadellos. Bei der Pasta Party trumpfte Imst voll auf! Wahnsinn. Kein großes Warten, riesige Portionen an Nudeln, Salat, Nachtisch und alles in allem ein sehr gutes, leckeres Essen. Dieses wurde von den Läufer_innen mit riesigem Applaus gedankt. Auch wenn das Shutteln nach dem Zieleinlauf echt mies war, so war die Pasta-Party ein voller Erfolg. Ich war auch nach zwei Tagen noch völlig entspannt. Das Briefing zur dritten Etappe jedoch, erfüllte mich das erste Mal mit Sorgen, denn es war die Königsetappe. Die meisten Höhenmeter (um 3000 Hm) und die längste Distanz von fast 50 km lagen vor uns. Ich musste direkt an meinen Scott Rock the Top Marathon denken, denn sofort kamen die schlimmen Momente hoch; das gestresste, negative Gefühl. Ja, der Zweifel klopfte an diesem Abend an meine Tür. Ich war vom Briefing sorgenerfüllt und meine belastenden, negativen Erinnerungen ließen mich nicht mehr los. Ich wusste, dass es meine unberechtigten Sorgen waren. Es würde sicher alles gut gehen. Einige von den Asics Frontrunnern beruhigten mich und meinten, dass das wird. Ich war über die Aufmunterung froh, konnte ich doch mit einigen meine Sorgen teilen. Aber im Grunde wollte ich das mit mir ausmachen, da meine Sorgen hoffentlich unbegründet sein sollten. Niemand wusste großartig von meinen Erfahrungen beim Scott Rock The Top und welche Spuren dieser Lauf hinterlassen hatte. Ich realisierte zu diesem Punkt auch noch nicht die Tragweite. Doch durch die dritte Etappe sollte sich vieles ändern. Sehr viel. Und einiges zum negativen.

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Scott Rock the Top 2016 – Ein riesiges Drama

Anfang Juli entschied ich mich spontan den Scott Rock the Top Marathon zu laufen, welcher am 23. Juli 2016 stattfinden sollte. Meine Idee war es noch einen alpinen Marathon mitzunehmen, als Training, Übung und Erfahrung für den Transalpinrun 2016. Ich habe einiges auf dem Zugspitz-Ultra-Trail (ZUT) gelernt, doch die ich wollte gerne noch mehr Erfahrung. So entschied ich mich, erneut in den Süden zu fahren und den Lauf mitzunehmen. Irgendwie freute ich mich über diese Spontanität. Und was soll schon passieren? Ich habe 10:30 Std für 43,6 km Zeit und mache nur 1000 Höhenmeter (Hm) in positiver Richtung mehr und knappe 800 Hm in negativer Richtung weniger als beim 63 km ZUT Supertrail. Dazu noch 20 km weniger und ich brauchte nur knappe 11:20h vier Wochen vorher. Es sollte ein kalkulierbares Abenteuer sein, welches ich schaffen sollte. Er galt zwar als schwerster Marathon Deutschlands und ist wohl einer der schwersten Marathons in Europa, aber das wird schon. Zumindest dachte ich mir das, aber es sollte einiges anders kommen.

 

Die reinen Fakten:

43,6 km

4175 positive Höhenmeter

2290 negative Höhenmeter

Einlauf auf der Zugspitze.

 

  1. Juli 2016

Ich nahm mir einen Tag Urlaub und fuhr nach Ehrwald in Österreich, welches im Zugspitztal lag, wo der Start des Rennens sein sollte. Über 600 Km sollte ein Fahrtweg lang sein. Ich entschied mich diesmal aus verschiedenen Gründen dafür mit dem Auto zu fahren. Am Abend wollte ich rechtzeitig noch kurz nach Garmisch-Partenkirchen fahren. Dort gab es die Pasta-Party, sowie meine Startunterlagen und das Streckenbriefing.

Die Anreise klappte wunderbar. Als ich in Ehrwald ankam, bemerkte ich sogar, dass ich nur knappe 250 m vom Start entfernt meine Pension hatte; welch glücklicher Zufall!

Am Abend holte ich wie geplant meine Unterlagen ab und nahm am Briefing teil. Dort wurde uns gesagt, dass das Ziel vorverlegt wurde auf 42,5 km und einer Höhe von ungefähr 2680 HM. Die letzten gut 250 Höhenmeter, sowie der letzte Km bis ganz hoch auf die Zugspitze wurden nicht mehr als Laufstrecke angeboten. Dies lag an der Wetterprognose die besagte, dass es ab dem frühen Nachmittag starke Gewitter zu erwarten seien und der letzte Kilometer voller Stahlabsicherungen war. Das ist natürlich schade, wurde aber mit einem anerkennenden Applaus der Teilnehmer_innen versehen. Es nun zum dritten Mal in Folge so, dass der Zieleinlauf nicht auf die Zugspitze führte. Ich fand das schade, aber Sicherheit geht vor.

Es wurde am Ende noch einmal betont, dass es sich immer noch um einen vollen Marathon handeln würde. Nach etwas Unterhaltung und einigen Treffen mit bekannten Gesichtern, z.B. den Jungs von exito, fuhr ich zurück in die Pension. Ich setzte mich noch kurz auf den Balkon und blickte hinauf auf die Zugspitze. Welch Anblick für mich. Ich merkte, dass ich immer noch ganz erstaunt von den Bergen bin und es für mich nicht vorstellbar ist, dass ich dort morgen hochlaufen würde.

 

  1. Juli 2016

04:30 Uhr – Kein Hunger

„Wieso klingelt nochmal mein Wecker? Wieso ist um 6 Uhr Start und wieso … ach egal. Ich muss aufstehen, keine Zeit zum Meckern.“ Mit diesen Gedanken stand ich auf und aß, ohne wirklich Hunger zu haben. Danach packte ich meinen Rucksack mit der erforderlichen Pflichtausrüstung. Rucksack mit Pflichtgepäck? Ich musste gute 1,5 Liter Flüssigkeit am Körper transportieren können (ich konnte 2,5 Liter transportieren und trug meist 0,5 bis 2 Liter), sowie eine Wärmedecke, Erste-Hilfe-Set, Notfallpfeife, Handy (welches im Ausland funktionieren muss), Langarm-Laufoberteil, lange Laufhose, Regenjacke, Latexhandschuhe für den Notfall, Mützen und Laufhandschuhe und Ersatzakkus. Insgesamt wog mein Rucksack gute 4-5 kg. Diese Ausrüstung wurde für den hochalpinen Bereich benötigt, denn dort kann das Wetter umschlagen und dort liegt auch teilweise noch Schnee. Zusätzlich hatte ich noch Trail-Laufstöcker, eine GoPro und Energieriegel. Ich war dieses Mal weniger aufgeregt, weniger fokussiert, sondern vorwiegend müde, als ich die Pension verließ und zum Start ging.

 

05:35 Uhr – Einchecken

Ich stehe vor dem Startblock und muss einchecken. Beim Einchecken wird geprüft, ob ich meine gesamte Pflichtausrüstung dabei habe. Dort steht wirklich Jochen von exito und begrüßt mich, wie er es beim Briefing versprochen hatte. Jochen lernte ich auf dem Zugspitz-Ultra-Trail kennen. Ich versprach ihm, dass wenn er kommt, ich zumindest seine Firmenseite liken würde. Dass ich ihn sogar noch hier erwähne, weiß er nicht, aber ich bin ihm wirklich dankbar dafür, dass er kam. Ich kannte sonst niemanden an diesem Morgen und es war verdammt nochmal kurz nach halb sechs an einem Samstagmorgen!

 

06:00 Uhr – Kein Fokus beim Start

Ich gehe mental noch einmal die Zwischenzeiten und das grobe Profil durch. Im Endeffekt habe ich 10 Stunden und 30 Minuten Zeit für den Marathon. Der Startschuss ertönt pünktlich und es geht los. Welches Abenteuer liegt wohl heute vor mir?

Es geht sofort nach links und direkt danach rechts und gucke das erste Mal auf meine Uhr und stelle entsetzt fest, dass ich gar nicht auf Start drückte, geschweige denn ihr mitgeteilt habe, dass ich laufen möchte mit einem vorgegeben GPX Track. Dies bestätigte mich sofort, dass ich weniger fokusiert war. So starte ich die Uhr und warte auf das GPS Signal. Nach einer knappen halben Minute findet er das Signal und ich drückte auf Start. Auf der Uhr war die Strecke gespeichert, was ebenfalls Pflicht ist, wenn man keine Karte mitführen möchte.

„Ach was soll‘s“, denke ich mir. Ich laufe ja nicht auf Zeit, sondern für die Freude und den Spaß. Ich sollte grob bei 9 Stunden rauskommen. Was machen da schon die paar Minuten, die ich vergessen habe? Nichts! 🙂

 

Km 2 – Warmlaufen

Die ersten zwei Kilometer gingen leicht bergab und gerade aus. Wir liefen auf Forstwegen und Straßen. Irgendwann betraten wir einen Pfad und damit die erste Steigung. Der Pfad wurde nach kurzer Zeit sofort zu einem Single-Trail, also einem Pfad der nur so breit ist, dass man hintereinander laufen kann. 1000 Höhenmeter sollten nun erklommen werden.

 

Km 5 – Wow

Wow! Einfach wow. Dieser Ausblick ins Tal, bei strahlend blauen Himmel, war einfach wunderbar; dazu noch die leichten Wolken die über dem Tal hangen. Das gab mir Kraft und ich ging weiter berghoch.


 

Km 12,5 – Alles lief nach Plan

Nach 2 Stunden und 15 Minuten erreiche ich grob den Verpflegungspunkt (VP) 1. Was lag seit Km 5 hinter mir? Nach dem erklimmen von 1000 Hm mussten diese wieder abgestiegen werden. Der Gipfel lag auf ungefähr 1800 Höhenmeter. Der Aufstieg fiel mir leichter im Vergleich zum Abstieg, wo ich erneut viele vorbei lassen musste. Ich stürzte auch bei einem Bachlauf einmal, aber es passierte zum Glück nichts ernsthaftes. Ich war froh, so früh den VP 1 erreicht zu haben. Ich lag nun 45 Minuten vor dem Cutoff, was ein gutes Polster schon darstellte. Ich wollte natürlich entspannt laufen, aber ich wollte nicht disqualifiziert werden. Ich lief aus dem VP 1 raus und konnte erst einmal knappe 3 Km voller Laufreude verbringen. Es ging leicht rauf, leicht runter und mir gefiel das. Bis zum VP 2 wurden zwar Höhenmeter gesammelt, doch es gab nicht den Berg zu besteigen. Mir gefiel der Streckenabschnitt.

 

Km 18 – Drama, Stufe 1 von 4

Und irgendwann, rückblickend betrachtet, fing das Drama an. Wenn ich einen Wendepunkte benennen müsste, dann bei Km 18, gute 4 Km vor dem VP 2. Es war ein gut ausgebauter Forstweg, der zudem relativ flach war. Mein Plan war es diesen zu laufen, aber ich tat es nicht. Ich konnte es nicht. Ich war total fertig und hatte zum ersten Mal in meinem Leben ein intensives Gefühl von „Ich steige aus und gehe DNF (Did Not Finish). Das ist mir zu viel. Ich möchte nicht mehr.“

Ich beschloss, dass ich sowieso noch zur VP 2 müsste und dass ich bis dahin erst einmal gehen würde. Danach wollte ich gucken, ob es mir immer noch so mies geht.

 

Km 22 – Der Dickkopf

Manchmal bin ich ziemlich dickköpfig, so auch, als ich VP 2 erreichte. Wir hatten knappe 5 Stunden Zeit gehabt, um hierhin zu kommen und ich war nach knapp 3:50h dort endlich angekommen. Somit hatte ich gute 1:10h Vorsprung vor dem Cutoff. Ich wusste, dass nun ein langer und harter Anstieg, von erneut gut 1000 Höhenmeter, vor mir lag. Laufen war also sowieso nicht drin, und das Gehen funktionierte. „Ach was soll‘s, ich gehe einfach weiter! VP 3 lege eh viel näher an meiner Pension.“ Ich habe für die nächsten 10 km mit 1000 Hm hoch und 500 Hm runter gute 3 Stunden Zeit, plus eine Stunde die ich noch vor dem Cutoff bin. Insgesamt waren das also fast 4 Stunden. Das wird schon werden. Ich füllte meine Vorräte auf und ging los.

 

Km 25 – Der unbekannte, nette Herr

Der Gipfel war erreicht. 3,5 Km, 1000 Hm, permanent über 30 Prozent Steigung. Dieser Anstieg war wirklich anspruchsvoll und zum Ende hin technisch. Auf halber Strecke musste ich mich hinsetzen und eine Pause machen. Jeder Läufer und jede Läuferin, die vorbei kamen, fragten mich, ob alles in Ordnung sei. Ich antwortete: Mir ginge es gut, ich brauche nur eine Pause. Ich genoss dabei die Aussicht und erkannte, dass da unten irgendwie VP 2 sein musste. Ich lächelte und erholte mich. Nach guten 5 Minuten brach ich wieder auf.
Ein langer und harter Weg lag noch vor mir, bis ich endlich oben ankam.

Als ich oben ankam, lernte ich auch einen unbekannten, netten Herrn kennen, der schon viele Ultras lief. Alleine in diesem Jahr lief er die 70 km beim Rennsteig erfolgreich. Er lief noch weitere Ultras in diesem Jahr, aber die habe ich mir nicht behalten können. Er machte auf der Spitze dieses Anstieges ein Foto von mir und wir quatschen noch ein wenig. Da ich den Downhill teilweise laufen konnte, denn er war mir nicht zu steil, sah ich Eindrücke und Bilder, die mich dafür belohnten, dass ich dank meines Dickkopfes weiter gelaufen war. Ich war erneut sehr sprachlos über das, was ich an Eindrücken wahrnahm. Alleine in der Ferne die Zugspitze zu sehen, erfreute mich, aber beängstigte mich gleichermaßen. Da sollte ich gleich noch rauf? Es ging mir wieder besser, denn mein Tief hatte ich endlich überwunden. Ich war etwas später wieder alleine, da beim Downhill entweder viele mich überholten und vorliefen.


 

Km 30 – Die Dame mit den pinken Haaren

Nach dem Downhill, ca bei Km 27 gab es einen flachen Abschnitt der sich bis zum VP 3 hinziehen sollte. Dieser flache Abschnitt begann mit einem tollen See, denn man schon von der Höhe aus sehen konnte. Der flache Abschnitt selbst sollte ungefähr bei Km 32 sich befinden. Erst liefen wir an einem Teich vorbei und danach ging es in einen Waldabschnitt. Ich lief recht zügig und holte den unbekannten, netten Herren wieder ein, denn der ging. Er meinte, er hätte noch genug zum Cutoff und wolle sich nicht stressen. Ich nickte und meinte, dass es mir gerade gut ginge und ich deswegen etwas Tempo machen würde.

Kurz nach dieser Szene kam direkt eine Weitere. Vor mir lief eine Dame mit pinken Haaren. Das erste Mal fiel sie mir bei der VP 1 auf, wo sie mich überholte und ich sie kurz danach. Beim 2. Aufstieg war sie dicht hinter mir und nun durch den Downhill wieder vor mir. Berichtenswert macht diese Dame folgende Situation. Wir laufen auf einer Höhe von 1500 m. Sie lief ungefähr 50 m vor mir bis sie plötzlich freudig schrie. Am Wegesrand traf sie zufällig (!) Bekannte, welches durch Sätze wie „Was machst du denn hier?“ – „Ich lauf einen Marathon“ bekräftig wurde. Als sie sich wieder losriss und weiterlief, liefen wir nebeneinander. Durch das laute Reden, verstand ich auch Wortfetzen, die mir zeigten, dass sie nicht beim Briefing war. Ich sprach sie darauf an und sie bejahte, dass sie nicht da war. Ich zeigte auf die dunklen Wolken rund um die Zugspitze und das es Gewitter geben würde und fragte weiter, ob sie wissen würde, was zu tun sei. Als sie dies verneinte, klärte ich sie über die Sicherheitsmaßnahmen und potentiellen Hütten und allgemeinen Gefahren des nächsten Streckenabschnitts auf. Sie bedankte sich und wir verabschiedeten uns kurz vor der VP 3. Doch das war nicht das letzte Mal, dass wir miteinander sprachen.

 

Km 32 – Drama Stufe 2 von 4

Ich erreichte den VP 3 bei km 32 nach gut 6:45h. Ich hätte 8 Stunden Zeit gehabt. Ich hatte nun bis zum Cut-Off 1:15 mir heraus gelaufen. Ich freute mich und fühlte mich gut. Ich schnackte mit verschiedenen Leuten und füllte meine Vorräte für den letzten Anstieg auf. Ich lachte, scherzte mit anderen. Die heitere Situation endete plötzlich, als folgender Dialog entstand:

Eine Helferin: „Du hast keine 1:15 mehr bis zum Cutoff. Du hast nur noch 5 Minuten.“

Ich: „Aber ist die Durchgangszeit nicht bei 8 Stunden?“

Helferin: „Doch, aber das Gewitter zieht früher auf. Wir schließen vorzeitig. Wenn du unsicher bist, geh zum Streckenchef. Der steht dort vorne am Auto.“

Ich ging zum Auto.

Ich: „Hallo Streckenchef. Wie ich habe nur noch 5 Minuten bis ihr schließt? Bitte informiere mich, damit ich für mich eine Entscheidung treffen kann.“

Streckenchef: „Das stimmt. Du darfst jetzt noch los, aber ich schließe gleich. Das Gewitter zieht auf und ihr müsst in 60 Minuten an den Gatteln vorbei sein.“

Ich: „Das waren die Steilseile?“

Streckenchef: „Genau. Die fungieren als Blitzableiter und es ist zu erwarten, dass der Blitz pro Gewitter dort einmal einschlägt.“

Ich: „Gib mir bitte Fakten, damit ich gucken kann, ob ich das in einer Stunde schaffe.“

Streckenchef: „Klar“. Er holte seine Streckenkarte hervor: „Du musst 3,5 km mit 500 Hm schaffen. Dafür hast du 60 Minuten Zeit. Du MUSST in 60 Minuten da vorbei sein. Ansonsten bist du auf offener Strecke ohne Schutz. Der nächste Schutz nach den Gatteln ist der VP 4.“

Ich: „3,5 km mit 500 Hm in 60 min? Das schaffe ich.“

Streckenchef: „Dann viel Erfolg.“

Ich bedankte mich, schnappte mir meine Trailstöcke und lief sofort los. Keine 5 Minuten später drehte ich mich um und sah, dass nur noch 5 Personen hinter mir waren und dann kam ein riesiges Nichts. Keine weiteren Läufer. Sie hatten VP 3 geschlossen. Wie viele wohl nicht mehr weiter durften? Ob ich wohl im Mittelfeld war oder im hinteren Feld war? Kurz danach verwarf ich den Gedanken und ging weiter. Wir liefen eine Skirampe mit guten 35, 40 Prozent Steigung hoch. Der erste Läufer direkt hinter mir fluchte und wollte schon fast umdrehen, bis er sah, dass hinter ihm keine mehr kamen. Er war verwundert. Ich klärte ihn über mein Gespräch mit dem Streckenchef auf. Er ging weiter. Die Skirampe waren gute 700 m Distanz und gute 300 Hm. Ich dachte dort: Ja nur noch 200 Hm und 2,8 km. Das sollte doch entspannt werden. Doch es wurde nicht entspannt, denn als ich oben ankam realisierte ich, dass ich nicht 500 Hm laufen durfte, sondern 500 Hm absolut. Ich durfte kräftig bergab laufen und sah in der Ferne die nächste Steigung, die nicht viel besser war. Erneut lief ich weiter. Mir kamen viele Wanderer entgegen, die gerade abstiegen. Sie meinten, dass der Weg zu den Gatteln noch gut eine Stunde dauern sollte. Ich sah auf die Uhr und hatte schon 35 Minuten benötigt und war irritiert. Doch ich lief weiter und es ging so weiter. Es ging rauf und runter, und wieder rauf. Und ich sah keine Gatteln. Ich hatte mittlerweile 1:10h auf der Uhr und war im totalen Stress. Ich hatte viele Läufer hinter mir gelassen und war schon sehr zügig, aber ich sah keine Gatteln und ich war schon über die Zeit. Stärkerer Regen setzte ein und es grummelte schon in den Wolken. Ich sah mich nach Tieren um und versuchte zu erkennen, ob diese entspannt waren oder zusammen hockten. Sie hockten nicht zusammen und machten einen entspannten Eindruck. Ich atmete tief aus, da das Gewitter noch etwas weg war.

Irgendwann erreichte ich ein Trupp von der Bergwacht. Ich fragte, wo die verdammten Gatteln waren und sie entgegneten, dass diese da „vorne“ in 200 m seien. Ich lief hin, stützte, stand wieder auf und lief weiter. Ich erreichte die Gatteln und sah auf die Uhr. Ich hatte annähern 1:35h von der VP 3 bis hier hin gebraucht, sagte mir ein Blick auf die Uhr. Ich schaute zum Himmel, es war immer noch dunkel grau, es regnete und grummelte über mir. Ich atmete erneut tief ein und griff nach dem Stahlseil und fing an hoch zu klettern, denn es war eine Kletterpassage. Als ich endlich oben ankam, ließ ich die Gatteln los und sah einen weiteren Trupp von der Bergwacht.

Ich: „Wie sieht es mit dem Gewitter aus?“

Bergwacht: „Das schlimmste liegt hinter uns. Es rauschte an uns vorbei. Wir haben Glück gehabt. Es wird auch langsam wieder heller.“

Ich: „Puh! Das beruhigt mich. Und wie lange ist es noch bis ins Ziel von hier aus?“

Bergwacht: „Ja so knappe 2 Stunden solltest du noch rechnen.“

Ich: „2 Stunden? Die sagten uns an der VP 3, dass es nur 2,5 Stunden sein sollte. Ich hab jetzt schon 1,5 Stunden gebraucht und nun sind es nochmal 2 Stunden?“ Ich blickte auf meine Uhr. 8:30h hatte ich schon absolviert. Das hieße ich kam kurz vor dem Cut-Off rein. Das sollte passen. Auf ging es auf die letzten 5 km.

Direkt bei der Bergwacht, am oberen Ende der Gatteln war die Staatsgrenze zwischen Deutschland und Österreich. Ich machte fix ein Selfie und ließ mir zeigen, wo die VP 4 in der Ferne war. Die zwei Kilometer bis zur VP 4 sollten auch kaum laufbar sein. Wegen dem Regen, waren die Felsen sehr rutschig und ein zügiges voran kommen schien kaum möglich. Da wurde ich von Dirk überholt, den ich vorher noch nicht kannte. Er rief mir zu, er habe einen Lauf und es würde rollen. Ich wünschte ihm viel Erfolg und das er es zügig und Gesund bis ins Ziel schaffen möge. Er meinte, dass ich ihm am Berg sicher wieder einholen würde. Dies dementierte ich, da das nur noch entspannt nach Hause bringen wollte.

Irgendwann erschient das „noch 5 km“-Schild und wusste, jetzt sind es nur noch 4 km, da sie ja das Ziel um einen Km vorverlegt hatten und erreichte kurz nach dem „noch 4 km“ die VP 4.

 

Km 38 – Drama Stufe 3 von 4 oder die falsche Annahmen

Die Jungs von der VP 4 fingen schon langsam an abzubauen, als ich eintraf. Ich schnacke neben dem auffüllen und meinte: „Ich hab jetzt 9:15 auf der Uhr, also noch 1:15 bis zum Cutoff und nur noch 3 km. Das klingt doch machbar.“ Worauf ich sofort folgende vernichtende Antwort vom Helfer erhielt: „Nein es sind noch 4 km, dass Stand ja eben auf dem Schild dort vor der VP.“

Ich: „Ja aber ihr habt das Ziel doch einen Kilometer vorverlegt.“

Helfer: „Das stimmt, aber wir haben auch heute Morgen alle Schilder neu ausgerichtet.“

Ich: „Das heißt, ich habe noch 1:15h für 4 km? Okay es soll ja nur noch bergauf gehen, aber das klingt doch trotzdem machbar.“

Helfer: „Und wie kommst du auf noch 1:15h?“

Ich: „Na der Zielschluss ist doch um 16:30 Uhr. Wir haben doch 10:30 Uhr für den Lauf Zeit.“

Helfer: „Das ist wohl eine Fehlinformation. Zielschluss ist um 16:15 Uhr und damit auch der Cutoff.“

Ich: „Nicht im ernst. Ich bin fest davon überzeugt gewesen, dass er bei 10:30 Uhr liegt. Verdammt, ich muss los. Das ist ja annähernd unmöglich. Danke für alles“

Ich griff meine Stöcker und lief sofort los. 4 km, über 400 Hm in weniger als einer Stunde? Wie sollte ich das nur machen? Es war felsig, rutschig und Wanderer kamen einen entgegen, die einen zwangen hin und wieder kurz stehen zu bleiben. Jetzt sah alles danach aus, als wenn ich es nicht mehr schaffen sollte.

Ich gab alles auf dem Weg nach oben, holte jede Kraftreserven hervor. Ich ärgerte mich insbesondere über mich selbst. Ich ließ mit anderen Läufern meinen Frust raus. Wir fragen einander, ob wir es noch schaffen, ob sie wohl länger das Ziel offen lassen würden oder um diese über 10 stündige Belastung wohl für nichts war. Nichts bedeutet hier keine Medaille und kein Finisher Shirt. Dann kam es, dass noch 3 km Schild. Ich sah auf meine Uhr und es waren 9:35 Stunden vergangen. Noch 40 Minuten und noch 3 km. Bei meinem aktuellen Tempo war ich erst nach 10:35 Stunden drin. Wie sollte das nur werden? Es ging weiter steil den Berg hinauf. Einige Läufer überholten mich, andere überholte ich dafür. Alle fluchten und kämpften, keiner wollte aufgeben. Aber man spürte bei den meisten den Druck des Cutoffs.

Dann erschien das „noch 2 km“ Schild. 9:52h hatte ich nun auf der Uhr. Ich war etwas schneller geworden, doch mir blieben nur noch 23 min für diesen Abschnitt. Endlich kam ich auf einer Kuppel an und sah, dass es etwas runter ging. Dort stand ein weiterer Trupp der Bergwacht: „Ja gut so! Seht ihr da vorne den kleinen Hügel? Von hier bis dahin und noch einmal genau die gleiche Strecke. Dann habt ihr es. Super!“

Ich lief, wo ich laufen konnte und ich ging sehr schnell wo ich es nur noch konnte, wie auf dem sehr glattem Schnee. Wir waren mittlerweile auf 2600 Meter Höhe angekommen. Vor mir erschien wieder Dirk. Ich sollte ihn doch noch einholen? Sollte er recht behalten?

 

Km 41 – Maximales Drama und Stufe 4 von 4 – Die Erkenntnis eines Irrtums

Und dann überholte ich Dirk, der eine Läuferin begleitete, kurz vor dem „noch 1 km“ Schild. Als dieses erschien, sah ich auf meine Uhr: 10:08h. Wow! Ich hatte noch 7 Minuten und nur noch ein Kilometer. Das war zwar sehr wenig, aber in anbracht des letzten kleinen Hügels machbar. Ich sammelte noch ein letztes Mal alle meine Kräfte und verlor für einen Moment die vollständige Spannung. „OH NEIN, DAS DARF DOCH NICHT WAHR SEIN“, war mein Gedanke und es durchzuckte mich vollständig. Ich hatte beim Start zu spät auf die Uhr gedrückt. Ich weiß nicht, wie viel Zeit ich da verloren hatte. Hatte ich nicht noch gedacht, dass es auf die paar Minuten nicht ankommt? Es kam tatsächlich auf die paar Minuten an. Das kann nicht wahr sein. Solche Rückschläge aus dem Wetter, falsche gespeicherte Informationen oder eben solche Irrtümer warfen mich immer wieder moralisch zurück und ich fragte mich, ob irgendjemand mich ärgern wollte. Diese Folge von Gedanken durchzuckte mich nur wenige Sekunde. Alles wirkte wie ein schlechter Roman, der jedoch völlige Realität war. Dann trat großer Trotz ein. Mir war plötzlich jedes Risiko egal. Ich holte mir die gesamte Anspannung zurück und lief los ohne mehr anzuhalten. Bergab, danach über den glatten Schnee, auf den letzten Hügel. Alles belief ich vom Tempo meiner 1000m Intervalle, abzüglich der dünneren Luft und der schon vorhandenen Erschöpfung. Ich rannte so schnell ich konnte, ja ich sprintete. Dann hörte ich Musik und erkannte, dass ich um das eine Gebäude komplett rumlaufen musste. In dieser Umrundung sah ich die Dame mit den pinken Haaren wieder, sie feuerte mich an und sah schon umgezogen aus. Ich wollte endlich diese Anzeige sehen, diese verfluchte Anzeige, ob ich es noch im Cutoff schaffe oder nicht. Und dann war der Moment da, wo ich endlich um das Gebäude rum war und sah, dass ich nur noch gute 20, 30 m bis zur Ziellinie hatte. Ich blickte mit einem gemischten Gefühl von Angst und Erwartung auf die Uhr und erkannte folgende angezeigte Zeit: „10:13h“ und ein paar Sekunden. Ich fing unmittelbar anzuschreien und jubeln und bekam mich nicht mehr ein. Ich übertrat die Ziellinie mit einer „10:13:36h (brutto)“ und lag damit 84 Sekunden (brutto) unter dem Cutoff. Hinter der Ziellinie schrie ich weiter und hüpfte und jubelte. Die Moderatoren freuten sich mit. Eine nette Frau hängte mir die Medaille über den Hals und dann kurz nach mir kam Dirk durch das Ziel. Wir schlugen uns ab und dann musste ich erst einmal an den Rand gehen. Ich musste weinen. Der ganze Druck, dass Drama, die immer wiederkehrenden Rückschläge und die Tatsache, dass so viel passiert ist, ich so viel Risiko in Kauf nahm und am Ende dafür belohnt wurde, wühlten mich vollständig auf. Es war sehr knapp, aber ich hatte es geschafft. Ein unbeschreibliches Gefühl und ein nachhaltiges, welches das Thema Cutoff für mich sehr negativ besetzte.


 

20:00 Uhr – Pasta Party, die 2.

Nach dem Erhalt des Finisher-Shirts fuhr ich per Gondel zurück nach Ehrwald, machte mich frisch und setzte mich auf den Balkon, um etwas zu entspannen. Ich las nochmal die Beschreibung und musste feststellen, dass die CutOff Zeit wirklich nach 10:15h war. Ich weiß bis heute nicht, wie ich zu diesem Irrglauben und Fehlinformation kam, dass ich 10:30h Zeit haben könnte.

Ich beschloss zur 2. Pasta Party zugehen, um ggf. einige Personen zu treffen, die ich kannte für einen Austausch. Dieses Mal war die Pasta Party in Ehrwald und fast nebenan. So ging ich los und traf u.a. Familie Laufs. Ich sah mir zuvor die aufgehängten Ergebnisse an und sah, dass ein knappes Drittel des Feldes bei VP 3 raus genommen wurde. Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich traf auch andere Läufer, die bei VP 3 disqualifiziert worden sind. Sie regten sich auf. Keine Medaille, kein Shirt und es gab wohl nur unfreundliche Worte. Die Stimmung war auf dem Boden bei VP 3. Natürlich war es der Lauf, bei dem 2012 zwei Personen an Unterkühlung starben und natürlich wollte man vorsichtig sein, doch die Art der Behandlung sei schlecht gewesen, so der eine Läufer.

Am Ende der Pastaparty entschuldigten sich auch die Veranstalter für ihren Ton bei VP3 und sicherten zumindest die Medaillen zu, jedoch nicht die Shirts. Man erklärte nochmals, wie gefährlich die Situation gewesen sei und das sie kein Risiko eingehen wollten.

 

  1. Juli 2016

8:00 Uhr – Andere Blickwinkel

Beim Frühstück in der Pension waren auch andere Läufer anwesend, die allesamt beim VP 3 disqualifiziert wurden. Sie ärgerten sich über die nicht erhaltenen Qualifikationspunkte für den Ultratrail de Monc Blanc, über das Wetter und auch über sich selbst. Sie berichteten davon, wie sie in eine Hütte einkehrten und entspannt was tranken, eben weil sie dachten, sie hätten noch ausreichend Zeit, doch sie passierten die VP 3 gute 15 min nach mir, daher 10 Minuten zu spät und wurden disqualifiziert. Die Läufer berichteten, dass gerade die Läuferinnen besonders viel Druck auf den Streckenleitung bei VP 3 gemacht hatten und viele Tränen flossen. Die Leitung zeigte sich jedoch als hart und schickte alle per Gondel ins Tal. Die Strecke war und blieb geschlossen. Es gab viel Enttäuschung. Auf der anderen Seite berichtete ich, was ich erlebte.

Was für ein intensives Wochenende, was für ein Lauf, was für ein Drama. Die Summe aus körperlicher und emotionaler Erschöpfung brach am Sonntag Abend, als ich sicher zu Hause ankam, über mich ein. Jetzt rückte der Transalpinlauf in greifbarer Nähe. Wie soll ich den nur schaffen?

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Zugspitzultra 2016 – Supertrail (63 km, 2950 HM) – Mein erster Ultra

Es war der 17. Juni 2016, als ich mich früh morgens in den Zug setzte. Mein Ziel war Grainau, das Dorf an der Zugspitze auf der deutschen Seite. Der Grund meiner Reise war der Zugspitzultratrail (ZUT). Es wurden fünf unterschiedliche Distanzen angeboten, von 25 km bis 101 km. Ich entschied mich für den Supertrail: 63 km mit ungefähr 3000 Höhenmeter (Hm).
Während der Fahrt nach Grainau dachte ich viel über dieses Abenteuer, meinen ersten Ultralauf, nach. Ich lebe aktuell in Bielefeld, einer Stadt die den Teutoburgerwald hat und damit einige Hügelchen vorweisen kann, im Vergleich zu den Alpen. Diese bin ich auch fleißig auf und ab gelaufen, doch über 1000 Hm kam ich nie auf einer langen Trainingseinheit. Ich hätte auf jeden Fall andere Ultras zuerst laufen sollen, die vielleicht flacher sind oder mir ein Terrain bieten, welches ich gewohnt bin. Ich wollte aber den alpinen Zugspitzultra laufen! Ich musste ihn laufen! … Als Trainingseinheit. *seufzt*

„Warte… als Trainingseinheit? Das soll dein erster Ultralauf werden. Wieso um Himmels willen, ist das jetzt nur eine Trainingseinheit? Was hast du denn schon wieder vor?“ Ja diese Frage wurde mir genauso gestellt. Meine Antwort war: „Ich habe mich für den Transalpinrun angemeldet. Eine läuferische Alpenüberquerung von Deutschland nach Italien, über Österreich. 250 km mit 15000 Hm in 7 Etappen. Ich dachte es wäre eine gute Idee davor einen alpinen Ultra zu laufen, um Erfahrung mit dem Equipment und dem Untergrund zu bekommen.“ Die Antwort kam prompt: „Du bist doch verrückt!“
Vielleicht hätte ich erwidern sollen, dass ich mir das gut überlegt hatte, bewusst die 63 km ausgesucht habe, um die Königsetappe des Transalpinlaufes zu simulieren und das es so besser war, als einfach nur direkt über die Alpen zu laufen.

 

Nach einigen Stunden erreichte ich Grainau und es dauerte nicht lange bis ich mich mit meiner Marathonpartnerin Juliane traf. Sie startete zum zweiten Mal auf den 101 km. Ich lernte sehr schnell viele neue Personen kennen, darunter auch die Jungs von exito (Jochen, Stefan und Bart), Markus und ach nach viele andere. So verging der Tag sehr schnell mit Nummern holen, Pastaparty, Streckenbriefing, netten Menschen und einen Regenschauer, der so heftig war, dass man sich im Zelt nicht mehr unterhalten konnte, weil das prasseln auf das Dach so unfassbar laut war.

 

18.06.2016
5:00 Uhr – Aufstehen
Ich stehe so langsam auf und mir wird bewusst, dass dies der Tag meines vielleicht ersten Ultras wird. Ich packe meinen Rucksack zum allerersten Mal und habe Angst, dass nicht alles rein passt. Wieso habe ich eigentlich dies nicht vorher ausprobiert? Ich ärgere mich über mich selbst kurz. Was ist wenn ich nicht alles mitbekomme? Es gibt eine Reihe von Dingen, die ich als Pflichtausrüstung in meinem Laufrucksack mitführen muss: wasserdichte Regenjacke; komplettes Set an warmer, langer(!) Kleidung; Handschuhe; Mütze; Stirnlampe mit Ersatzbatterien; Becher zur Aufnahme der Getränke an den Verpflegungsstellen; Wasserbehälter (1,5 Liter); Notfallausrüstung (Von Rettungsdecke, über Notfallpfeife und Verbandspäckchen bis hin zu Wärmedecke und noch mehr Kram); Mobiltelefon und auch dafür Ersatzakkus, da mein Akku nicht mehr lange hält. Ich hatte dann noch meine GoPro dabei. Es passte wirklich alles in meinem 12l Salomon Rucksack bis auf die Jacke. Verdammt. Nach einer kleinen Runde panisches „Alles-muss-rein-Tetris“ schaffte ich es, alles mitzuführen und war erleichtert. Allerdings war ich nun hinter meinem Zeitplan.
Dann musste ich fix zum Frühstück. Dort traf ich Markus und die Jungs von exito wieder, die schon fast fertig waren. Wir quatschen und aßen zusammen. Dann trafen Markus und ich uns etwas später vor dem Hotel und gingen zum Bustransfer, denn unser 63 km Start lag in Österreich und wir wurden erst dorthin gefahren.

7:35 Uhr – Die Fahrt zum Start
Es war herrliches Wetter. Die Prognose war, dass es zum Abend regnen sollte. Doch im Moment hatten wir strahlend blauen Himmel. Wir kamen bei dem Bus Shuttle an, bekamen einen Sitzplatz und fuhren fast 45 Minuten. Irgendwann erreichten wir unseren Start und stellten uns erst einmal ans einsame Klo an. Viele Leute, wenig Klos, so ist das halt. Bei den Klos traf ich dann auch meine alte Vereinskollegin Kathi wieder. Wir quatschten kurz und trafen uns nach dem einchecken im Startbereich wieder und machten ein Selfie. Einchecken bedeutet hier: Die Pflichtausrüstung wird überprüft und wir wurden als anwesend abgehakt. Die Anspannung stieg bei mir. Ich erinnere mich noch, wie ich mich um sah, die hohen Berge um mich herum wahrnahm und überlegte, über welchen ich wohl drüber laufen durfte. Markus und ich wünschten und viel Erfolg und sortierten uns an unterschiedlichen Punkten im Startbereich ein.

 

 

Km 0: Der erste Berg
Und dann spielten die Veranstalter das Lied „Highway to Hell“ und kurz darauf ertönte der Startschuss. Es ging los und ich lief locker los. Naja locker, war die Intention. Die ersten drei Kilometer waren nur leicht Bergauf, so dass ich ungefähr eine Pace von 5 Minuten lief. Doch es ging tiefer in den Wald und damit wurde es auch steiler. Nachdem vierten Kilometer war es so steil, dass alle schnell wanderten. An ein echtes Laufen war nicht mehr zu denken. Und so ging es rauf bis auf 2080 Höhenmeter bis zum Scharnitzjoch. Auf diesem ersten Anstieg wurde mir einiges bewusst: Was mach ich hier? Ich habe keine Ahnung, wie ich die Trailstöcke verwende. Ich habe keine Ahnung, wie man solche langen Steigungen effizient hochgeht. Ich habe keine Ahnung wie sehr es mich belasten wird, wenn ich so zügig hier hoch gehe und abschließend bleibt nur zu sagen: Ich hatte ich absolut keine Ahnung, was ich hier eigentlich machte. Ich wusste warum, ich hier lief, aber ich wusste nicht wirklich was ich da mache. Ich fühlte mich wie ein Anfänger, völlig unbeholfen und mir wurde sehr schnell klar, dass ich dieses Gefühl vergessen hatte. Ich schaute die anderen Läufer_innen an, wie sie die Stöcker benutzten, ihre Beinarbeit und hoffe mir irgendwas abgucken zu können. Ich war ein erfahrener Läufer, sogar ein erfahrener Marathonläufer. Ich hatte nur keine Ahnung von alpinen Läufen und ich war noch nie über 2000 m in der Höhe. Ich wusste nicht einmal, ob ich die Luft vertrage. Der Gedanke, dass dies primär ein Trainingslauf ist, half mir sehr. Es fokussierte mich auf das wesentliche an diesem Tag: Nicht stürzen, nicht übertreiben und neue Erfahrungen sammeln. So ging ich den ersten Berg hoch. Plötzlich sah ich frei rumlaufende Kühe neben mir und Ziegen und ich war so positiv überrascht, weil ich das einfach nicht kannte. Alles war so neu für mich, so anders als alles was ich bisher erfahren durfte.

 

Irgendwann kurz vor dem Gipfel des ersten Anstieges sah ich das Schild: „55km to go“. Ich wusste, dass ab hier spätestens die 80er und 101 km Läufer die identische Strecke laufen müssten, wenn sie ins Ziel kommen möchten. Nach dem Anstieg auf das Scharnitzjoch ging es weiter. Ein langer Downhill kam und auch hier musste ich einiges sofort erfahren: Ich kann kein Downhill laufen. Ich war sehr vorsichtig. Insbesondere, als wir über Schnee laufen mussten. Ich war über den Anblick von Schnee so erfreut, dass ich mir dachte: „Es wäre jetzt verdammt toll, wenn ich frontal mit meinem Gesicht den Schnee küsse und mich so richtig hinlege.“ Gesagt, getan. Ich rutsche als Bonus sogar noch etwas abwärts, aber nur so 1-2 m. Mein erster Gedanke war „Ich hoffe, alles ist heile.“ Nachdem ich aufstand und alles überprüfte, stellte ich fest, dass alles in Ordnung war. Ich lief weiter den Berg runter. Irgendwann kamen wir zu einem Abschnitt, der durch den Regen der Vortage völlig aufgeweicht war. Ich war sehr langsam und ließ eine Menge Leute vorbei.
Nach einer gefühlten Ewigkeit kam ich endlich in einen eher flacheren Abschnitt mit guten Forstwegen, wie ich es aus der Heimat kenne. Sofort ergrifft ich wieder ein ordentliches Lauftempo und freute mich enorm. Ich tippte, dass die erste Verpflegungsstation (VP) nicht mehr weit weg war. Dies war die VP 5. Die Zählung galt für die 101 km Läufer. Erstmal lief ich länger und erfreute mich, dass ich die ersten 1000 Hm schon vollendet hatte. Ich fühlte mich im Moment gut und sah optimistisch nach vorne. Zwischendurch unterhielt ich mich mit mehreren Personen. So rannte eine Frau von der anderen Seite auf das Scharnitzjoch, um ihren Mann auf dem Gipfel einen Kuss zu geben und dann rannte sie wieder runter. Andere berichteten mir, dass der letzte Anstieg noch anspruchsvoller werden sollte. Ich war sehr gespannt.

 

Km 15: VP 5 und der flache Abschnitt
Ich kam nach gut 2:17h an die VP 5 an und lag damit noch gut in der Zeit. Ich nahm mir viel Zeit, um zu Essen und zu trinken. Getränke wurden auch aufgefüllt. Nach wenigen Minuten ging es weiter. Nun sollte der für mich wohl stärkste Abschnitt liegen: Ein 10 km relativ flacher Abschnitt mit fast keinen Höhenmeter. Ungefähr bei km 26, sollte der nächste VP 6 sein. Als ich los lief, sah ich noch ein Pärchen, welche ordentlich jubelten und ich jubelte zurück. Yeah!
Der Abschnitt war flach. Ich konnte hier meine Schnelligkeit im flachen voll ausspielen. Annähernd die gesamten 10 km lief ich durch, was mir sehr gut tat. Unterbrochen wurde diese Pace nur von Eindrücken, die ich auf jeden Fall auf Fotos und Film festhalten wollte. Es gab wirklich für mich besondere Eindrücke von Flüssen und Bergen, um mich herum. Selbst die Passagen auf einer Straße trübten den Einblick nicht wirklich. Am Ende dieses Abschnitts liefen wir nach Deutschland, genauer nach Mittenwald.

 

KM 26: VP 6 und der Regen
Ich war total überrascht, dass ich nach gut 3:25h hier schon ankam. Damit hatte ich nicht gerechnet. Bisher lief alles sehr zufriedenstellend, doch Wolken zogen sich zu. Ich aß etwas, füllte meine Getränke auf und lief weiter. Nach gut 5 km sollte schon die VP 7 kommen. Auf ging es.
Ich lief weiter und freute mich auf den nächsten Abschnitt. Er war in meinem Kopf als „eher flach“ im Kopf geblieben, aber so flach war er nicht. Ich konnte die Anstiege plötzlich nicht mehr so gut laufen und ging. Der Regen der Vortage hatte alle Böden aufgeweicht und es war stellenweise, an sehr schlammigen Abschnitten, rutschig. Meine Pace nahm daher ab, aber den meisten anderen Läufern um mich herum erging es ähnlich. Wir Läufer wurden wieder in einen Waldabschnitt gelotst, der zu einem See führte. Ich durfte um den See laufen und erreichte am Ende der fast Umrundung die VP 7.

 

KM 31: VP 7 und die unerwünschte Kostprobe
Knapp die halbe Strecke beendete ich nach gut 3:58 Stunden. Yeah! Der Regen setzte ein und ich zog meine Regenjacke an. Ich füllte schnell alle Vorräte auf, soviel waren es diesmal nicht auf Grund der Kürze des Abschnittes. Der nächste VP war bei KM 43,5, offiziell. Schon hier hatte meine Uhr mit dem GPX-Track in die Irre geführt und zeigte mir 2 km mehr an (also knappe 33 km). Dies wurde mir erst sehr viel später bewusst. Es ging weiter, und direkt bergauf. Dieser Abschnitt zeigte mir mein erstes Tief auf. Ich lief nicht mehr bergauf. Wir waren auf einem Waldweg, der für mich teils sehr rutschig war. Das führte zu einer unerwünschten Kostprobe als es etwas steiler bergab ging. Ich stand da, mit meinen Stöcken fest in den Boden gerammt und sah nach unten. Überall waren vor mit spuren von Turnschuhen die geschlittert sind. Es war sehr, sehr glatt an dieser Stelle. Ich erinnere mich noch, wie der Gedanke durch meinen Kopf schoss: „Noch ein Schritt und du fällst“. Und so machte ich noch einen Schritt, rutsche sofort vollständig weg und erhielt eine Kostprobe, wie es ist mit dem Po auf Schlamm zu landen und zu rutschen. Meine rechte Hand fand das weniger lustig, da diese einen Großteil der Wucht anfing. Ich stand wieder auf mit einem braunen Po und einer Schlamm überzogenen Hand. Aufstehen, Trailkleidung richten, weitermachen!

 

Der Abschnitt war schon anspruchsvoller als ich es mir vorgestellt hatte. Ich erinnere mich noch, dass wir durch eine wundervolle Klamm liefen. Ich blieb stehen und war so erfreut von dem Ausblick in die Klamm, dass es die Zuschauer erheiterte. Ich machte einige Fotos, leider wurden diese Bilder nichts, da die Linse wegen dem Regen nass war und ich sie nicht vorher geputzt hatte (Das bemerkte ich aber erst am nächsten Tag, als ich mir die Bilder ansah). Dann folgte ein knackiger Anstieg, der nur im langsamen Tempo zu bewältigen war. Ich traf das Pärchen wieder, welches ich an VP 5 wahrnahm und jubelte. Ich freute mich sie zu sehen, rief zu ihnen rüber und sie jubelten erneut und erinnerte sich ebenfalls an mich. Es war wie eine Qual so kurz vor der VP. Ich hatte Durst und Hunger und musste diesen anspruchsvollen, nicht endenden Anstieg hoch. Am Ende erreichte ich die VP 8. 43,5 km waren erreicht.

Km 43,5: Extra Pausen, viele Gedanken
Zuerst füllte ich alles an Vorräten wieder auf. Es war wie eine Routine, die nicht endete. Mit etwas Essen, Salz und Elektrolyten setzte ich mich erst einmal hin. So! Hinsetzen, Beine ausstrecken, Pause! Ich war schon angeschlagen und es ging mir nicht so gut. Meine Laufgeschwindigkeit hatte stark nachgelassen. Ich erreichte die VP 8 nach gut 6:20h. Damit war ich immer noch unter im Rahmen eines Straßenmarathons, der einem erlaubte um 6:30h zu laufen. Ich wusste, dass es nun noch leicht bergab ging, bevor der letzte Berg mit 1400 Hm im Anstieg und nochmal das gleiche im Abstieg anstand. Wir durften auf die Alpspitze rauf, nicht vollständig aber doch bis 2200 HM in der Summe.
Nach fast 10 Minuten ging ich weiter und lief nach wenigen 100 m auch wieder. Das ich lief bedeutete, dass es flach war oder bergab ging, denn Berghoch konnte ich nicht mehr laufen. Ich konnte in dieser Phase die Natur genießen und schaute vermehrt nach links und rechts. Ich muss an dieser Stelle sage: Was eine tolle, schöne Laufstrecke. Doch plötzlich endete das Bergab und es ging aufwärst. Das war der Moment in dem ich realisierte, dass es nun anspruchsvoll und hart werden würde. Erst war es ein Forstweg, dann ein Pfad. Danach war der Pfad überspült und erinnerte mehr an ein Bach-Rinnsal, als an ein Weg. Ich musste auf einem kurzen Abschnitt teilweise einen Meter hohe Schritte machen, weil zwischen Stufen nicht mehr existieren und das Wasser daran runterfloss. Dann kam ein langer, magischer/mystischer Abschnitt. Moosbedeckte, große Felsen in einem Urwald ähnlichen Abschnitt. Hier war der Pfad auch wieder halbwegs geh bar. Es war ein auf mich schier unendlich lang wirkender Abschnitt, indem ich in zick-zack Form nach oben ging. Da war keine Kraft mehr, keine Energie, ja keine Motivation. Als auf meiner Uhr die 50 km anzeigt wurde (in Wirklichkeit km 47), musste ich mich setzen. Ich sah einen Baumstumpf und machte den Weg für die anderen Läufer frei. Ich wollte nicht im Weg sitzen. Ich holte meine GoPro heraus, wischte dieses Mal die Linse ab und teilte meine Gedanken. Ich war am Tiefpunkt angekommen. Ich war demoralisiert, ich war erschöpft. Ich aß etwas und trank etwas und holte Luft. Ich ahnte, dass solche Pausen nun noch häufiger kommen könnten. Ich war sehr langsam geworden und wollte nur noch ins Ziel und den Lauf beenden. Ich wollte einfach nicht mehr. Erste 80 KM Läufer überholten mich und sahen so schnell aus. Ich war völlig ernüchtert.
Irgendwann erhob ich mich und ging einfach weiter. Es dauerte noch eine Weile bis ich Applaus vernahm und realisierte, dass die VP 9 nicht weit weg war. Hoffnung kroch langsam zurück in meinen Körper. Bis dahin habe ich diesen Zustand einfach ertragen. Und dann verließ ich den Pfad und betrat einen breiten Schotterweg und ich erblickte die VP 9.

 

Km 50: Schnee und mehr Pausen und Erkenntnisse
Ich erreichte die VP 9 nach 8:11 Stunden. Diese VP war die identische mit VP 10. Ich war noch nicht die gesamten 1400 HM hoch gegangen. Es sollte noch höher gehen; genauer war es eine knapp 7 km lange Schleife, die zu laufen war und genau an dieser VP wieder endete. Hier realisierte ich nun auch, dass meine Uhr inkl. GPX Track völlig falsch waren. VP 9 war für ungefähr km 50 und nicht km 53,5. Ja die Ungenauigkeit stieg weiter an.
Ich sah Läufer_innen anhand der Startnummer, die die 39 km liefen und gerade auf dem Weg runter ins Ziel waren. Ich sah Läufer von der 63 km Strecke, die gerade mit der Schleife fertig waren und ihre VP 10 ansteuerten. Aber alle hatten etwas gemeinsam: Sie fluchten über die Schleife. Diese Tatsache war nicht sehr förderlich für meine Motivation. Es kam der Wunsch hoch, einfach abzusteigen und das Ziel aufzusuchen. Meine Motivation ließ wieder nach und ich entschied mich, einfach den Kopf abzuschalten. Nachdem ich meine Vorräte aufgefüllt hatte, lief ich weiter in die Schleife.

 

Der Anstieg war nun ein flacherer, breiter Forstweg. Dies führte dazu, dass meine Moral sich anhebte. Ich konnte wieder einigermaßen schnell gehen, sogar phasenweise leicht laufen. Irgendwann lag plötzlich überall Schnee. Doch ich war immer noch nicht oben, dass sollte noch wenige Minuten dauern. Sollte ich bergab genauso gut klar kommen, wie diesen letzten bergauf Abschnitt seit VP 9, dann würde ich wirklich früh ins Ziel kommen. Unter 10 Stunden würde ich noch bleiben. Doch es kam alles anders! Bergab hatten wir keinen Forstweg, sondern einen schmalen Pfad, wo man nur hintereinander laufen konnte. Dieser war zudem rutschig und überspült. Es gab Treppenstufen aus Holz, die nur noch aus einem Balken in der Luft bestanden und deren Enden von Erde umfasst waren. Unter den Balken selbst konnte man durchgucken. Propo gucken: Man sah hier auf Grainau runter: Da unten war das Ziel. Auf geht es! Doch ich war nach zwei Stürzen so vorsichtig und langsam, dass ich oft stehen blieb, um andere vorbei zu lassen. Beim Abstieg blieb ich einmal auch bei einer Bergwacht sitzen und machte eine fünf minütige Pause, um erneut Luft zu holen. Ich fluchte über den Downhill. Wieso konnte man so einen Weg nicht bergauf laufen und dafür den tollen Forstweg bergab? Das hätte mir so viel mehr zugesagt. Irgendwann erhob ich mich, bedankte mich bei der Bergwacht für die Sitzmöglickeit und ging weiter. Als der Weg dann endlich etwas laufbarer wurde, lief ich auch wieder und erkannte irgendwann endlich die VP 10, nach gut 9:45h!

KM 57: Dieser verfluchte letzte Abstieg!
VP 10, unfassbar. Die letzte VP vor dem Ziel. Ich nahm mir viel Zeit, aß heiße Suppe, Nüsse und vieles mehr. Dinge ich die ich in der Ausführlichkeit vorher nicht gemacht hatte. Doch mir wurde auch kalt, ich hatte Hunger und brauchte eine Pause. Ein Helfer sagte mir auf Nachfrage, ich hätte nur noch 6,5 km vor mir, aber er warnte mich auch. Es gebe sehr viele Stürze auf dem letzten Abstieg, denn es sei sehr rutschig und glatt. Der Weg runter sei sehr schwer zu laufen. In diesem Moment erkannte ich, dass ich wohl noch gut 2 Stunden brauchen würde bis ich ins Ziel kommen sollte. Aber was solls, ich hatte noch 5,5 Stunden bis zum Cutoff ins Ziel. Das sollte wohl doch werden! Und die letzten 2 Km sollten ja auch auf Asphalt sein. So reduzierte ich die notwendige, schlimme Strecke auf 4,5 km in meinem Kopf. Bei dem Abstieg traf ich viele interessante Leute. So überholte mich der 5. Mann von den 101 km Läufer. Wir redeten kurz. Er hatte sich um 10 km verlaufen und ärgerte sich, da er vor dem Verlaufen 1. Mann war. Ich teilte ihm mein Mitgefühlt mit. Dann lief er weiter. Eine Läuferin blieb steif hinter mir. Ich war schon langsam aber tastete mich vorsichtig den Weg runter. Sie war ebenfalls vorsichtig und offensichtlich froh, dass jemand den Weg auskundschaftete. Das sah ungefähr so aus: Ich setze langsam die Stöcker vor mich und ging einen kurzen Schritt, setzte die Stöcker wieder vor mich und ging wieder einen Schritt. Nur so hatte ich das Gefühl sicher absteigen zu können. Ich bemerkte wieder Mal, dass ich absolut null Erfahrung mit solchem Gelände hatte und null Ahnung hatte, was ich hier tat. Immerhin blieb ich bisher verletzungsfrei.
Ein kleiner Bach-Rinnsale wurde zu einem großen Bach mit fast 3 oder 4 m Breite, wo es keine Brücken gab und wir direkt durch durften. Es war es Abenteuer für mich, wobei ich bei Tageslicht abstieg. Wie sollte es erst dem Hauptfeld der 101 km Läufer ergehen, die hier nachts runter mussten? Irgendwann kam ich endlich in ein flacheres Stück und dachte, dass ich endlich laufen könne, doch es war so rutschig auf dieser Wiese/diesem Acker, dass Warnschilder auf diesen Zustand zusätzlich hinwiesen.
Und so schlich ich über die Wiese, vorsichtig vortastend um nicht noch zu stürzen. Ich habe nicht gezählt, wie oft ich diesen letzten Abstieg verflucht habe, aber es war oft! Nach der Wiese kam noch ein kurzer Waldabschnitt und dann sah ich nach 11:08 Stunden das „2 km to go“ Schild und betrat Asphalt. Endlich, alles Schlimme war überstanden. Ich fühlte in mich, dass erste Mal seit langem, und spürte, dass ich noch enorme Kraftreserven hatte. Ich lief einfach los und erreichte eine 5 min Pace. Meine Motivation war plötzlich hoch. Der Gedanke, dass ich fast im Ziel war, beflügelte mich. Ich wollte mein Abenteuer ZUT jetzt beenden. Ich überholte noch 2 Herren von der 63 km Distanz, sowie zwei Damen (davon war eine Supergirl) aus der 39 km Distanz. Ich lief konstant und erreichte jubelnd das Ziel nach 11:18:52h.

Eine junge Dame übergab mir die Finisher-Medaille unmittelbar nach dem Zieleinlauf. Ich war zufrieden, glücklich und den Tränen nah in diesem Moment. Ich beendete meinen ersten Ultralauf und konnte es selbst noch nicht glauben. Ich aß Nüsse, Suppe, noch mehr Nüsse, Obst und trank viel. Nach einer guten halben Stunde ging ich zurück zu meinem Hotel. Ich hatte noch auf Markus und Kathi gewartet, doch sie kamen nicht und nun wurde mir kalt. Außerdem sollte der Regen wieder einsetzen und diesmal auch die gesamte Nacht durchregnen. Ich wusste nicht, wo die beiden waren und wann sie eintreffen sollten. Markus sollte gute 45 min nach mir eintreffen und Kathi knappe 3 Stunden, wie ich später erfuhr. Der Weg zu meinem Hotel waren gute 2 km lang. Im Hotel angekommen, guckte ich wo Juliane war. Sie war bei der VP 7 durch. Puh … da hatte sie ja noch einiges vor sich. Es war mittlerweile kurz vor 22 Uhr. Ich schrieb ihr zur Motivation kurze Nachrichten per WhatsApp und alles Gute für die Nacht.

 

19.06.2016
03:00 Uhr: Wie konnte ich das nur vergessen?
Nach dem Duschen ging ich ins Bett und versuchte zu schlafen. Ich war aber so aufgedreht, dass ein richtiges Schlafen nicht wirklich möglich war. Um 06:30 Uhr sollte mein Wecker klingeln, da ich gegen 7:30 Uhr schon nach Hause fahren sollte. Doch irgendwann gegen 03:00 Uhr erwachte ich zum x-ten Mal. Nur dieses Mal war ich hellwach, stand förmlich senkrecht im Bett. „Ach du Scheiße. Wie konnte ich das nur vergessen?“, entglitt es mir. Ich stand sofort auf, zog mich an und ging zurück zum Ziel. Ich war verärgert über mich, dass ich das nur vergessen hatte. Sowas war mir noch nie passiert. Ich nutzte die Zeit auch, um zu prüfen, wo Juliane war. Sie war bei VP 8 durch. Dann war sie also nun beim letzten Aufstieg. Ich erinnerte mich an die Strecke und dazu kam jetzt noch die dunkle Nacht und der Regen. Ich schrieb ihr erneut aufmunternde Worte, denn ich hätte sie jetzt gebraucht. Ich legte einen Schritt auf dieser 2 km Distanz zu und ging in das Rathaus, welches neben dem Zielbereich war. Ich hörte in der Ferne den Sprecher, wie er neue Finisher ankündigte, die jetzt einliefen. Im Rathaus war die Startnummerausgabe. Genau dorthin ging ich. Bei der Startnummerausgabe waren auch noch Mitarbeiter und Helfer. Ich ging zur 63 km Startnummerausgabe und sprach: „Hallo. Ich habe mein Finisher T-Shirt vergessen. Ich hoffe es gibt noch eines. Schließlich war der Zielschluss vor 3 Stunden für die 63 km Läufer.“ Er schaute in seinem Laptop nach, ob ich wirklich ein Finisher war und holte dann mein T-Shirt und ergänzte, dass ich bis zum Cutoff der 101 km Läufer noch Zeit gehabt hätte. Ich nahm es, bedankte mich und ging erleichtert und zufrieden zurück in Hotel. Das wäre jetzt wirklich ärgerlich gewesen, wenn ich es komplett vergessen hätte. Ich legte mich wieder ins Bett und konnte noch gute 2,5 Stunden halbwegs schlafen, bis der Wecker mich erneut aus dem Schlaf holte.

07:25 Uhr
Ich wartete auf mein Taxi, welches mich zum Bahnhof bringen sollte. Es war 7:25 Uhr, das war der Moment in dem Juliane einlaufen sollte, um ihren zweiten 101 km ZUT zu beenden. Das wusste ich aber in dem Moment noch nicht, sondern erst später als ich im Zug saß. Auf dem Heimweg dachte ich viel über den Lauf nach, guckte mir die Bilder, die ich gemacht hatte an und beschloss, dass ich den ZUT auf jeden nochmal laufen möchte. Die Landschaft und die Strecke waren wundervoll. Die Organisation war super und die größten Kritikpunkte lagen an meiner Unerfahrenheit. Auch lernte ich sehr viel über das Packen von Trailrucksäcken, die Handhabung mit Stöckern, dass ich kein Downhill laufen kann, Ernährung bei Ultras und vieles mehr. Dieser Lauf hatte sich als Trainingseinheit sehr gelohnt, auch um ein Gefühl dafür zu bekommen, was es bedeutet fast 3000 Hm zu laufen. Der Transalpinrun ist alleine von den Fakten her so viel länger und so viel reicher an Höhenmeter. Das war ein gutes Preview, auf das was noch folgen sollte. Ja, es war ein sehr gutes, lehrreiches Training.

 

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Hermannslauf 2016 – Der Lauf meines Lebens

Hermannslauf 2016 – Der Lauf meines Lebens

Ich habe eine sehr enge emotionale Verbindung zum Hermannslauf. Es ist schon verwunderlich, dass ich nicht vorher einen Blogeintrag über diesen Lauf verfasste. Seit dem Jahr 2009 laufe ich jedes Jahr diesen 31,1 km langen Traillauf von Detmold nach Bielefeld. Doch der Ursprung ist, dass ich am meisten gelitten, am meisten Schmerzen nicht auf Marathonläufen oder anderen Trailläufen hatte, sondern auf diesem Lauf, der sowas wie ein Heimspiel ist.

2009 bis 2015 – Ein Review
Der Hermannslauf ist wie eine Wundertüte. Du hast eine Ahnung was dich erwartet, aber es gibt immer eine Überraschung. 2009 bis 2011 waren es sehr heiße Wettkampftage, teils bis 27 Grad. Gerade mein erster Hermannslauf war sehr heiß und entsprechend meiner damaligen Form nicht gerade sehr schnell. 3 Stunden und 37 Minuten sollte ich für die Strecke benötigen. Neben 2009 musste ich 2011 auch in die Notaufnahme nach dem Hermannslauf, weil ich mich in den beiden Jahren verletzt hatte. Einmal litt das Knie, einmal war es eine Bänderüberdehnung. Doch ich habe die und andere Schwachstellen gezielt trainiert und seit dem *klopft auf einen Tisch* keine so starken Verletzungen mehr gehabt. Es gehört wohl leider als Anfänger dazu, der ich damals definitiv noch war, einfach Defizite im Training nicht zu bemerken.
2009 war mein Ziel den Hermannslauf überhaupt zu finishen. Er war eine Zwischenmarke für meinen ersten Marathon, der ungefähr sechs Monate später folgen sollte. Das schaffte ich. Ich nahm alle Willenskraft zusammen, guckte auf meine Uhr und sah zu, dass ich innerhalb der Streckenschließung blieb. Ab und zu trabte ich wieder an aber konnte wegen dem Knie mich kaum laufend bewegen. Doch ich gab nicht auf und kam, wie erwähnt nach 3:37h ins Ziel.
Da hatte ich sie, die Finisher-Medaille des Hermannslaufes 2009. Ich war damals stolz darauf und auch heute bin ich es noch. Mein nächstes Ziel war es unter 3 Stunden zu laufen, was ein equivalent darstellt zur berühmten 4 Stundenmarke beim Marathon. Viele möchte einmal darunter bleiben, so ich ebenfalls. Dieses Ziel erreichte ich direkt im Jahr 2010 mit einer 2:58h. Mein neues Ziel wurde es zumindest einmal unter 2:50h zu bleiben aber meine Leistung stagnierte in den nächsten Folgejahren zwischen 2:58h und 2:54h. Erst 2013 erlebte ich einen riesen Fortschritt, da ich das Training umstellte und gezielter auf Trails trainierte. Ich nahm mir nicht 2:50 als Ziel sondern eine 2:30h! Welch ein unrealistisches Ziel, dass war mir aber egal. Ziele sollen einen fordern und motivieren. Ein solcher Leistungssprung war nun doch schon enorm. Ich finishte in 2:34h und 2014 sogar in einer 2:32h. Es fehlte nicht mehr viel. Es liest sich sicherlich schnell, aber ich spreche hier von vielen Jahren, unzähligen Trainingsstunden und Disziplin. So trainierte ich für 2015 noch härter. Mehr Bergspringt, schnelleres Grundtempo und vieles mehr. Ich fühlte mich gut und dann kam der Wettkampftag und dieser war ein Musterbeispiel für das Pech einer schlechten Tagesform. Ich merkte schon nach 10 km, dass es nicht läuft. Nach 18 km war mir damals bewusst, dass ich nicht unter 2:30h bleiben werde. Nach 23 km setzte mein Kreislauf aus und ich hatte Schwindel, Kreislauf und mir wurde Schwarz vor Augen. Ich musste gehen und wurde erst später von einer Wanderin aufgepeppelt, weil die Sanitäter mich einfach bis zur 2 km entfernten Verpflegungsstadion schickten ohne sich meinen Zustand genauer anzugucken. Dank dem Traubenzucker der Wanderin und etwas Zucker und Iso an der 2 km späteren Verpflegungsstation kam ich wieder in meinen Rhythmus, doch die verlorene Zeit holte ich nicht mehr auf und kam am Ende mit einer 2:44h ins Ziel. Wieder ein Jahr und zum dritten Mal in Folge, dass ich mein Ziel nicht erreichte. Vielleicht sollte es nicht sein, vielleicht bin ich nicht in der Lage dieses Ziel, diese Marke zu unterbieten? Ich nahm an, dass ich am Limit meiner Leistungsfähigkeit angekommen sei. 2:30h sollte für mich unüberwindbar sein. Ich war niedergeschlagen, ich war traurig und ich akzeptierte die Situation … für einige Wochen. Ich beschloss dickköpfig nicht aufzugeben und es nochmal zu probieren. Ich brauchte einen neuen Impuls, ich brauchte neue Ideen. Ich war in meinem Training zu eingefahren und das musste sich ändern.

November 2015 bis April 2016, ein halbes Jahr der Vorbereitung
Okay, ich brauche neue Impulse, doch wie? Neue Laufgruppe und Literatur war meine Antwort. Ich schloss mich der kostenpflichtigen Trainingsgruppe für den Hermannslauf ‚Mein bester Hermann 2016‘ vom Active Sportshop Bielefeld an. Im Rahmen dieser Gruppe folgte ein Ernährungsseminar, Grundkurs in Trainingslehre, Trainingspläne und viele gute Gespräche. Ich möchte hier erwähnen, dass dies meine Erfahrung ist, ich weder dafür bezahlt werde, noch wissen die, dass ich diesen Artikel hier schreibe.
Ich weiß noch, dass ich mich doof fühlte, da es 4 Leistungsgruppen (Gruppe A bis D) für das Training gab. In A sollten jene trainieren, die unter 2:30h finishen möchten und in Gruppe D trainierten jene, die überhaupt erfolgreich finishen wollten, ohne Zeitvorgabe. Als ich mich als völlig unbekannter direkt für die stärkste Gruppe anmeldete, fühlte ich mich schon etwas seltsam, denn andere Teilnehmer_innen sagten mir direkt, dass eben jene Gruppe sehr klein sei und sie kaum Nachwuchs bekam. Auf Grund des Ernährungsseminar änderte ich weitreichend meine Ernährung ab Anfang 2016. Der Trainingsplan gab mir neue Reize. Ich nahm Krafttraining noch ernster, sowie Tempotraining. Ebenfalls kaufte ich mir mehrere Laufbücher, die mir sagten, wie man eher „richtig trainieren sollte. Allein über das Thema Training streiten sich die Gemüter und ich möchte dies hier ausklammern.
Ich erkannte wie viele grundlegende Fehler, ich die letzten Jahre gemacht habe. Ich trainierte nicht mehr nach Gefühl, sondern nach Puls. Falls ihr euch fragt, ob das alles noch Spaß machen kann, kann ich nur sagen: Ja, sowas von! Ich änderte alles langsam und ich achtete stets drauf, das mir das Laufen in erster Hinsicht noch Freude bereitet. Wenn es dem nicht so wäre, hätte ich aufgehört soviel umzustellen.
Natürlich hatte ich mit der Form absolut keine Erfahrung und ich konnte mich in keinster Weise wirklich gut vorstellen, ob dieses Training wirklich etwas bringt, aber ich machte weiter. Was hätte ich schon zu verlieren? Nichts. 🙂 Wenn ich das Ziel dieses Jahr nicht erreichen sollte, dann wäre es so und es wäre okay. Den seit ich dieses Jahr soviel umstellte und mich selbst sehr stark reflektierte, weiß mehr denn je, warum ich diesen Sport ausübe. Ich liebe diesen Sport. Er gibt mir viel, fordert aber auch einiges. Erfolge sind wahre erarbeitete Erfolge und das ist gut so. Meine Art von Erfolge ist nicht schneller als Person X zu sein, sondern weniger Zeit für eine Strecke zu brauchen, oder eben neue Strecken zu meistern.
Einige kleinere Testwettkämpfe waren gelaufen und liefen sehr gut und waren als Indikator ein erstes Zeichen, dass ich ganz vielleicht unter 2:30h bleiben könnte.

24. April 2016 – Hermannslauf
Kilometer 0 – 11 Uhr – Start
Wie immer am Start eines Laufes, wusste ich nicht, was mich erwartet. Natürlich ist es mein achter Hermannslauf, und natürlich gibt es eine gewisse Routine. Die Gefühle, die Emotionen sind nicht mehr so intensiv, wie beim ersten Mal. Ich wusste welche Strecke vor mir liegt, ich wusste, wie ich meine Kraft einteilen musste. So stand ich im Block A und durfte, wie einige hundert Weitere direkt loslaufen. Block B startet immer um 11:05 und Block C um 11:15.

Kilometer 3
Nach drei Kilometern fast nur Bergablaufens kommt ein Stück gerade Straße. Der Kilometer drei Anzeiger ist für mich immer der Punkt, wo ich die erste Zwischenzeit mir angucke. 11:37 min zeigte mir die Uhr an. Ich war doch etwas schneller, als ich es geplant hatte. Die Gefahr ist, dass man schon hier zuviel Energie investiert, was sich später rächen kann. Eigentlich wollte ich erst nach 12 min hier sein. Ich musste aufpassen und mich drosseln. Vor allem, in zwei Kilometer fing der erste Berg an.

Kilometer 4
Ich traf Christian, ein Laufkollege aus Bielefeld. Ich halte ihn für einen sehr starken Läufer und war überrascht, dass er vor mir auftauchte. Wir unterhielten uns und ich bemerkte, dass er ähnliche Zielambitionen hatte. Soviel sei gesagt, wir liefen sehr vergleichbar. Mal war ich 50 m vor ihm, meistens war aber er 50 m vor mir.

Kilometer 5
Der Hermannslauf fing nach gut 21 Minuten nun für mich erst richtig an, denn der erste Berg zeichnete sich langsam ab: Der E-Berg. Ein langgezogener Berg, der jedoch noch gut zu laufen ist und irgendwie bei Kilometer 7,5 enden sollte. Der weiche Sand am Anstieg führte dazu, dass sich viele Läufer an den Rand drängten, wo zumindest einige Erde den Boden fester machten.

Kilometer 8
Ich überholte Björn, einen anderen Läufer aus der ‚Mein schnellster Hermannslauf‘-Gruppe der seine Freundin als Pacemaker begleitete. Er lief die Jahre zuvor immer knapp über die 2 Stunden, doch dieses Jahr war verletzungsbedingt angeschlagen. Er kommentierte „Ich habe dich schon vorher erwartet, du bist ein wenig spät dran.“ Ich musste schmunzeln und entgegnete, dass ich mich nicht überlasten wollte, der schwerste Abschnitt käme ja noch. Wir wechselten noch einige Worte und ich lief an ihm vorbei weiter ins Tal.

Kilometer 9
Der erste Hotspot auf der Panzerstraße! Trotz eher schlechten Wetters war hier sehr viel los. Es ist immer wieder erstaunlich, welch Stimmung hier ist und wie motiviert sich die Leute an den Rand stellen. Ich freue mich einfach und bemerkte, wie ich von vielen überholt werde. Solche Zuschauermengen sind natürlich motivierend, aber ich bremse mich. Kraft, ruhiger und gleichmäßiger Rhytmus sind mir wichtiger als mich jetzt zu einem hohen Tempo anzustacheln.

Kilometer 10
Ich verlasse die Panzerstraße und biege rechts in den Wald ein. Ein langes, relativ flaches Stück Waldweg folgt nun. Bei Kilometer 10 gucke ich auf die Uhr: 43:10 min. Ich war recht zügig unterwegs und machte mir schon sorgen. Das war auf jeden Fall die beste Zwischenzeit, die ich je nach 10 Kilometern auf dem Hermannslauf hatte. Erstaunlich, aber ich fühlte mich gut. Ich wollte nun jedoch etwas Tempo bewusst raus nehmen und drosselte mich auf eine maximale Pace von 4:25 min pro Kilometer.

Kilometer 12
Ja, ich werd‘ nicht mehr! Da ist eine ganz bestimmte Läuferin aus Minden vor mir. Dafür muss ich etwas ausholen. Ich nahm vor einigen Jahren an der Mühlenkreisserie teil und lernte bei einer Siegerehrung dieser Laufserie die Sarah kennen, die beim TUS Minden ist. Ich glaube nicht, dass sie mich noch kennt oder sich an mich erinnert. Ich erinnere mich jedoch sehr gut. Sie ist eine unglaublich starke Läuferin und mir ist es in all den Jahren nie gelungen sie zu überholen. Auf jedem Wettkampf auf dem ich sie sah, lief ich an sie ran, doch ich schaffte es nie, nicht ein einziges mal, sie zu überholen. Nun war sie vor mir, nur wenige Meter, weil sie mir vorher nicht auffiel. In diesem Moment beschloss ich, dass ich sie nun einmal wenigstens in meinem Leben überholen wollte und sei es nur für 100 m. Ich trat etwas an und überholte sie und war nun gespannt, wie lange es dauern sollte, bis sie mich wieder überholte.

Kilometer 15
Nach 1:06h erreichte ich den Tönsberg, der für mich schwerste Berg im Wettkampf. Ich entschied mich für einen Mix aus Laufen und Gehen. Kurz zuvor überholte ich Christian, der bis Kilometer 14 meistens wenige Meter vor mir war oder neben mir war. Durch meine Strategie locker den Berg hoch zugehen/zu laufen überholte mich Christian und setzte sich auf weit über 100 m von mir ab und diese Distanz sollte ich lange nicht mehr aufholen können.

Kilometer 17
Ich lief runter ins Tal nach Oerlinghausen. Der zweite Hotspot stand an, doch dieser war irgendwie anders als sonst.

Kilometer 18
Normalerweise ist in Oerlinghausen sehr viel los, doch auf Grund des trüben und eher schlechten Wetters war gefühlt tote Hose im Ortskern, den wir passieren durften. Ich verlor nicht viel Zeit am Verpflegungspunkt und verließ die Ortschaft. Nun ging es auf zu meinem persönlichen Angstpunkt: Das Schöpktetal.

Kilometer 20
Da war der Punkt, das Schöpktetal. Auf den meisten Hermannsläufen brach ich hier das erste Mal ein. Ich konnte nicht mehr oder war temporär erschöpft. In diesem Moment fühlte ich mich eigentlich gut, wenn der Mix aus Graupel und Schneesturm nicht eingesetzt hatte. Stellt euch vor: Es ist der letzte Sonntag im April; freie Ackerflächen und am Rande dieser Flächen ist ein Waldweg und ihr lauft gegen den starken Wind. Schnee und Graupel flog mir ins Gesicht. Da lief ich nun mit Langarm-Shirt und kurzer Hose. Irgendwie war es doch Ironie, dass dies genau an meinem persönlich meist gehasstem Punkt während des Laufens passierte.

Kilometer 21
Der Schnee und Graupel ließ langsam nach und ich überholte exakt an dieser Kilometermarke wieder Christian, nach 6 Kilometern, denn solange brauchte ich, um die 100 m wieder rein zulaufen, um wieder auf ihn aufzuschließen. Ich fühlte mich gut und sah wieder auf die Uhr: 1:34:07h benötigte ich bisher. Ich war damit 53 Sekunden unter meiner als Idealzeit berechneten Finisher Zeit. Ich fühlte in mich hinein und spürte, dass es mir immer noch blendend ging. Genau ab diesem Punkt bis zum Ziel benötigte ich 46 Minuten im Training bei gegebenen Wettkampftempo. Ich schmunzelte und schrie zu Christian: „Komm Christian, noch 46 Minuten, dann haben wir es geschafft.“ Er schien sich gerade nicht so gut zu fühlten und gab sich skeptisch. Ehrlich gesagt, bedeutete dies eine Zielzeit von 2:20h ungefähr für mich. Alleine mit dieser Zeit wäre ich sehr glücklich gewesen, denn mein Ziel war es eine 2:30h zu laufen. Ich rechnete es mir hoch und dachte: „Ja super, dann habe ich jetzt gute 55 min für die letzten 10 km.“ Selbst in diesem Moment glaubte ich nicht ansatzweise daran, in Richtung 2:20h zu laufen.

Kilometer 23
Die Treppen von Lämmershagen waren vor mir. Der Punkte wo ich ein Jahr zuvor mein Kreislaufproblem hatte und sehr viel Zeit verlor. Ich passierte die Treppen und lief weiter und es ging mir immer noch richtig gut. Christian blieb dran und wir liefen einige Zeit gemeinsam.

Kilometer 25
Links von mir war der eiserne Anton (ein Aussichtspunkt mit Eigennamen) und der letzte richtige Verpflegungspunkt, der mehr als nur Wasser hatte. Ich griff noch einmal richtig zu und stärke mich schnell. Ich sah bewusst nicht auf die Uhr, denn ich wollte das Gefühl eines Laufes den ich genieße. Ich wusste, dass ich gut in der Zeit bin.

Kilometer 27
Ab Kilometer 27 geht es nur noch Bergab oder flach weiter. Es gab kein richtigen Anstieg mehr, was mich sehr zufrieden stimmte. Ich sah auf die Uhr auf war völlig irritiert: 2:01h! Wenn ich die letzten 4,1 km mit einer Pace von 4:30 laufen würde, dann könnte ich tatsächlich unter 2:20h bleiben? Oh mein Gott! Oh mein Gott! Was passiert hier gerade?
Dieser Moment brachte mir die Erkenntnis, dass ich mein Ziel auf jeden Fall erreichen werde: Meine erster Hermannslauf unter 2:30h. Jahre hatte ich drauf hin trainiert und nun hatte ich noch 28 Minuten für 4,1 km. Das sollte mir nicht mehr zu nehmen sein.

Kilometer 29
Hier überholte mich Christian zum letzten Mal. Ich sollte ihn nicht mehr einholen können, denn er zog mit seinem Tempo noch einmal richtig an. Ich sah erneut auf die Uhr: 2:10h. Nur noch 2,1 km in weniger als 10 Minuten sind theoretisch machbar, aber langsam setzte doch eine Müdigkeit ein. Ich lief am letzten Getränke-Wasser-Stand vorbei und nahm nichts. Ich hatte beim eisernen Anton ausreichend getrunken. Ich fühlte mich gut und es war kühl. Jetzt kam es doch auf jede Sekunde an.

Kilometer 30
Endlich war auf der Promenade. Der letzten Stück Weg zieht sich leider jedes Jahr, trotz eines zügigen Tempos von 4:30 min pro Kilometer. Ich sah ein letztes Mal auf die Uhr: 2:14:30h. Das werde ich nicht vergessen. Ich musste nun nur noch 1,1 km in unter 5:30 Minuten laufen und ich würde unter einer anderen magischen Grenze laufen. Ich rechnete meine Pace fix im Kopf durch und kam auf eine benötigte Zeit von 4:58 Minuten, wenn ich mein Tempo halten würde. Das reichte, um genau 32 Sekunden.

Kilometer 31,1 – Das Ziel
Ich lief weiter und als ich endlich das Ziel sah, konnte mich nichts mehr halten. Ich fühlte ein letztes Mal in mich hinein und alles fühlte sich gut an und zog ein letztes mal das Tempo an. Es war kein Sprint, denn ich wusste ich bleibe drunter und mehr möchte ich gerade nicht. Ich lief ins Ziel und jubelte, schrie und war einfach zufrieden und glücklich. Ich hatte mein besten Hermannslauf beendet. Dies war mein Tag, als 174. Mann mit einer Zeit von 2:19:18h lief ich ins Ziel und erreichte eine Leistung, an die ich niemals geglaubt hatte und niemals erwartet habe. Es war der Lauf meines Lebens.

Einige Tage später:
Nachdem ich den Lauf verarbeitet hatte, beschloss ich mir kein zeitliches Ziel mehr für den Hermannslauf zu stecken. Alle zukünftigen Hermannsläufe sollen so enden, wie ich halt in Form bin. Ich werde weiterhin entsprechend trainieren. Ich habe auf dem Hermannslauf zeitlich mehr erreicht, als ich je erwartet hatte. Natürlich könnte ich nun sagen: Ich peile die 2:15h an, aber das möchte ich nicht forcieren. Persönliche Ziele können nicht immer weiter, höher und schneller gehen. Sollte ich diese Leistung noch einmal toppen, dann werde ich erneut laut jubeln und mich enorm freuen, aber ich möchte primär Gesund und Spaß am Laufen haben und je höher man sich Ziele steckt, umso vielfacher sind die Kosten, um eben jenes zu erreichen. So gilt es für mich primär Gesund zu bleiben, Spaß zu haben und die Leistungsstufe zu halten und nach vorne zu schauen.

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470 Stunden meines Lebens für einen Conquest of Mythodea Plot

Ein Bericht eines Teamleiters eines Autoren und SL-Teams auf dem Conquest 2015 – Traumdorn

Vorweg:
Ich schreibe diesen Blogeintrag auf meinem Blog, weil es meine Meinung und meine Erfahrung ist. Es ist ein Erfahrungsbericht eines „Teamleiters“ auf dem Conquest of Mythodea (CoM), ein retroperspektivischer Einblick in das was die Teilnehmer_innen auf der Veranstaltung nicht sehen. Es ist sozusagen, ein Blick hinter die Kulissen, durch meine Augen. Ich werde bemüht sein, die geleistete Arbeit meines Teams entsprechend zu würdigen, denn ohne jeden einzelnen, hätte ich gar nicht die Arbeit leisten können. Ich bin dem gesamten Traumdorn Team unfassbar dankbar, für ihren Einsatz, ihre Leistung und der gesamte APL wäre ohne ihre Mithilfe so nicht möglich gewesen. Dafür vielen Dank, ich schätze euren Einsatz sehr und kann es nicht in Worte fassen! Und die im Titel aufgelisteten Arbeitsstunden wurden von mir investiert. Die Stunden jedes einzelnen Teammitglieds kommen da noch hinzu.

September 2013
Ich werde zum Verantwortlichen Autor (VA) für das Conquest of Mythodea (CoM) ernannt und erhalte das Vertrauen einen Plot über mindestens zwei Jahre zu schreiben. Da die Berufung zum VA jedoch nur für ein Jahr ist, muss ich mich natürlich erst einmal beweisen. Was ich zu diesem Zeitpunkt nicht wusste, dass ich diesen Plot für das erste Jahr fast vollständig alleine schreiben würde. Es dreht sich auf dem CoM 2014 um den Zacken des Traumdorns. Eine Art von Verstärker-Außenposten des eigentlichen Konstruktes „Traumdorn“, welcher 2015 bespielt werden soll. Der Traumdorn soll an dieser Stelle als Bauwerk verstanden sein, welches eine gewisse Geschichte birgt, die es zu ergründen gilt.

August 2014
Das CoM 2014 ist vorbei und der Plot ist recht erfolgreich inszeniert worden. Die Basis für das CoM 2015 sind gelegt, einige Handlungsstränge sind in sich abgeschlossen, aber irgendwie auch offen gelassen worden (z.B. der Logan Plot (=Handlungsstrang), der Nan’Haith Plot oder der eigentliche Traumdorn Plot). Doch jetzt steht erst einmal der CoM Urlaub an. Zu diesem Zeitpunkt bin ich kein Verantwortlicher Autor (VA) mehr und muss auf eine erneute Ernennung als VA warten.
Aktuelles Zeitkonto: 0 Stunden (Plotseiten: 0)

September 2014
Ich werde als VA bestätigt und darf nun offiziell den Traumdorn Plot weiter schreiben. Anders als das Jahr zuvor, erhalte ich seitens der Autorenleitung (AL) ein weißes Blatt und den Auftrag mit „Mach mal Daniel und erstell ein Konzept. „ Die Autorenleiter sind gewissermaßen und einfach gesprochen Bereichsleiter_innen, die mehrere Plotbereiche betreuen und u.a. dafür sorgen, dass die Plots auf einer Meta-Ebene auch miteinander funktionieren.
Nebenbei baue ich mein Team auf. Viele Festrollen vom Traumdornzacken-Plot (CoM 2014) sind nun Autor_innen (Gott was war und bin ich froh darüber.) Das Team füllt sich mit weiteren Interessenten auf. Neben der Bildung des Autoren-Teams, sowie die Rekrutierung von neuen Autor_innen, schreibe ich ein Konzept-Paper von drei Seiten, was meine Vorstellung des Traumdorns Plots 2015 darstellen soll. Dabei ist das Ziel des Plots durch die Kampagne zwar vorgegeben, aber halt nicht, wie dies in einen Plot gegossen werden soll. Es soll drei Plotstränge geben, die allesamt miteinander konkurrieren. Der Clou dabei ist es, dass es egal sein soll, welcher Plotstang gewinnt, denn jeder hat seine eigene Auswirkung auf ein CoM 2016. Das bedeutet, dass die Spieler_innen dazu verpflichtet sind eine Entscheidung zu fällen. Dabei gilt es natürlich, dass keine Entscheidung auch eine Entscheidung sein wird. Der Nachteil des Plots ist es, dass es ihn dadurch hochdynamisch macht und sehr schwer zu koordinieren ist. Durch die Konkurrenz dieser drei Plotfäden entsteht die eigentliche Spannung des Plots, jedoch nicht durch die einzelnen Plotstränge. Achja, und da wir eine düstere, dunkle und böse Welt darstellen wollen, soll jeder Weg einen Preis kosten, wie auch immer der am Ende aussieht. Das Konzept wird seitens meiner Autorenleitung angenommen. Mein Team und ich können mit dem Schreiben anfangen.
Neben diesem Tätigkeiten stehe ich für Rückfragen für einige Teilnehmer (SCs) bereit, z.B. Logan (der Name eines Charakters im Spiel), um direkt nach der Veranstaltung im Rahmen von Mails und Skype / Teamspeak (TS) Gesprächen Rede und Antwort zu stehen. Dabei ziehe ich den Teilnehmer des Charakters Logan mit ins Boot. Wir diskutieren meine und seine Vorstellung von dem offenen Ende seines Plots aus 2014. Wir finden sehr schnell inhaltlich zueinander. Ich verabrede mind. drei weitere Gespräche bis zum CoM 2015 mit ihm, da er ein Gefangener sein soll und damit einige Umstände geklärt werden müssen.
Ich werde ab diesem Punkt fast ohne Rücksprache zur Autorenleitung für diesen Plot vorweg fast alles alleine organisieren und koordinieren. Koordinieren heißt hier, dass ich Absprachen mit anderen Autorenleiter_innen direkt besprechen werde, wenn ich Kooperationen mit ihren Bereichen sehe (z.B. Verantwortliche Betreuer (VBs) mit ihren darzustellenden Völker (Tribes)) und dabei meinen Autorenleiter umgehe, um keine Last für ihn zu sein. Denn er ist aus privaten Gründen dieses Jahr sehr stark eingespannt und kündigte an sich etwas zurück zunehmen. Für seine Situation empfinde ich noch heute volles Verständnis, jedoch muss ich kritisch sagen, dass es für mich eine enorme, zusätzliche Belastung bedeutete.
Dies ist einer der Gründe, warum dieses Jahr für mich so außergewöhnlich intensiv aber auch arbeitsreich wurde. Ich möchte an dieser Stelle absolut klar stellen, dass ich bewusst mich zu dieser Mehrarbeit entschieden habe, ich es wieder so machen würde und niemanden einen Vorwurf machen kann und werde.
Aktuelles Zeitkonto: 35 Stunden. (Plotseiten: 3)

Oktober 2014
Da ich zwischen Januar und März aus beruflichen Gründen wenig Zeit haben werde, um am Plot zu schreiben, entscheide ich, dass ich mein Engagement bis Ende Dezember voll auslasten möchte. Ich nehme direkt im Oktober mein Job als VA auf und verabrede einmal im Monat ein TS mit meinem Autorenteam. Dazu kommen einige Abende und Nächte, wo ich Plot schreibe.
Auch fange ich an Gespräche mit einigen Verantwortlichen Betreuern (VB) zu suchen, um mich anzumelden. Ein VB betreut eine ganze Fraktion, wie zum Beispiel das Untote-Fleisch oder die Armee des Zweifels. Seine Aufgaben sind vielfältig. So soll er u.a. darauf achten, dass Plots/Handlungsstränge nicht den Hintergrund einer Fraktion brechen. Ich kündige mein Plotvorhaben an und suche nach ersten Vorab-Gesprächen. Diese haben inhaltlich erst einmal nur die Aufgabe zu prüfen, ob mein Konzept des Plots auf Probleme hinsichtlich eines Tribes/einer Armee trifft, die ich als VA nicht direkt erkannt habe.
Neben den drei Hauptplotlinien kommt eine weitere Plotlinie für die Einleitung des APLs hinzu. Ebenfalls gibt es ein Plotstrang für den Logan dazu, wie er als Gefangener wieder „geheilt“ werden kann. Ein nicht bespielter Plot aus 2014 wird ebenfalls erneut für 2015 verwendet. Damit hat der Plot schon sechs Plotstränge.
Neben diesen Aufgaben stehe ich auch für die neuen Mitglieder_innen in meinem Autoren-Team Rede und Antwort in TS Sessions, da diese Teilweise keine Vorkenntnisse vom CoM Hintergrund haben. Meine persönliche Autorenleitung steht, wie oben erwähnt, nicht zur Verfügung.
Aktuelles Zeitkonto: 70 Stunden

November 2014
Mit großen Schritten nähert sich der Plot einer ersten umfangreicheren Fassung. Ungefähr die Hälfte der sechs Plotlinien sind erstmalig konzeptuell geschrieben. Es gibt eine gute Stimmung im Team und eine sehr hohe Motivation. Es bildeten sich mehreren Teilgruppen, die Teile des Plots bearbeiten. Ich werde bei jedem TS der Teilgruppen im November dabei sein, um für Fragen da zu sein, und bei Wunsch mit zu diskutieren. Wir nehmen zudem einen Bereich von Plots auf, die sehr klein sind und häufiger bespielt werden können. Es folgt auch ein weiterer Plotstrang für die Fraktion der Nan’Haiths, die schon 2014 mit dem Traumdorn Plot eng verwoben waren. Bis Ende November habe ich mit den VBs des Untoten Fleisches, Schwarzen Eises, Armee des Zweifels und Edalphi gesprochen. Mein Team ist immer noch im Status, dass es wenig selbstständig schreiben kann, da es oft nicht weiß „wie“ sie Plot schreiben sollen. So unterstütze ich wo ich kann, denn ich erinnere mich gut an meine Anfänge als Autor. Ich kann aber sagen, dass das Plotschreiben erlernbar ist.
Es gibt zudem das monatliche TS. Es fällt langsam auf, dass alleine das monatliche Team-TS Gespräch immer 4-5 Stunden dauert.
Ich schreibe im November auch vorab meinen Festrollen bedarf nieder, sowie einen kleinen Text, welche Aufgaben diese Festrolle hat und wie ich sie mir konzeptuell vorstelle.
Doch plötzlich kommt die Autorenleitung auf mich zu mit den Worten: „Daniel, Fabs möchte gerne bei dir diesen AdZ (Armee des Zweifels) Plot verankern. Achja, du bekommst dafür auch einen weiteren Autor in dein Team.“ Gesagt getan, dachte ich, dass wäre es. Aber nein, da kam noch mehr Arbeit. Der liebe Tobei kam mit einer Anfrage „Daniel, magst du nicht bei einer Siedler-Con unsere SL vor Ort sein.“ Klar hätte ich nein sagen können, habe ich aber nicht. Dafür kann ich einen ersten Teaser des AdZ Plots dort verankern. Es kann ja nicht schaden, gleich einen der Plot für das CoM 2015 anzuteasern. Doch dafür muss viel abgestimmt werden mit dem AdZ Autor, dem VB AdZ und dem Veranstalter des Siedler-Cons. Natürlich bin ich dann vor Ort gefahren und habe auch den Plot-Teaser gespielleitert. Was mache ich nicht alles für einen in sich geschlossenen Plot über das Jahr, und vielleicht einige Teilnehmer_innen für den Plot zu motivieren.
Aktuelles Zeitkonto: 135 Stunden

Dezember 2014
Was im November begann, wird im Dezember genauso fortgesetzt. Der Plot vervollständigt sich.
Leider werde ich bis Ende März kaum Zeit haben, dem neuen AdZ Autor im Team die gleiche Menge an Unterstützung zu geben, wie den restlichen Autoren, was mir auch sehr leid tut. Aber die beruflich intensive Phase steht an und ich komme kaum mehr dazu nach Weihnachten den Plot angemessen zu unterstützen. Daher gibt es im Dezember auch zwei TS-Team-Gespräche. Der Plot selbst entwickelt sich. Immerhin sind nun neun Plotfäden enthalten. Für Dezember ist der gesamte APL Plot sehr weit fortgeschritten und ist in einer ersten Fassung fast vollständig. Am meisten Zeit aber kostet die abendlichen Gespräche mit den Teilgruppen im Autoren-Team. Brainstorming, Hintergrund, Plot abstecken ist hier der abendliche Lohn. Dabei dauert jede Sitzung oft zwei oder drei Stunden, teilweise auch mehr. Es ist schwer in Worte zu fassen, wie viel Arbeit bei einem solchen Skype / TS Gespräch geleistet wird. Dies sind keine „Wir schwatzen mal“ Gespräche, sondern konzentrierte und fokussierte Gespräche. Zwar ufern einige Diskussionen zeitlich aus, aber die Inhaltsdichte ist stets hoch. Die Stimmung im Team ist weiterhin sehr gut. Mehrere Leute schreiben aktuell Plot und ich muss diesen gegenlesen und kommentieren. Gespräche mit den VB und der AL der Fraktion Eisern/Tivar’Kharassil fallen nun auch an, sowie noch einmal mit dem VB des Schwarzen Eises.
Auf der Siedler-Con ist auch der 2. VB des Schwarzes Eises (Papa SE!). Mir fiel auf, dass das SE gar keinen Plot auf dem CoM bisher hat. Ich diskutiere mit den VBs des Schwarzen Eises und der AL und bekunde mein Vorhaben ggf. für diese Fraktion einen Plot als VA mit zu schreiben. Das SE hatte nur wenig bis kaum Plot die letzten zwei Jahre, was für eine große (fast 450 Teilnehmer_innen) und starke Fraktion sehr schade ist.

Aktuelles Zeitkonto: 170 Stunden (Plotseiten, ungefähr 70)

Januar 2015
Ich habe im Januar kaum für etwas Zeit für das Conquest. Sicher fallen mal hier und da einige Gespräche an, doch ist gerade der Januar ein totaler „Cool-Down“ für mich in Sachen Conquest. Baulisten und erste Bedarfslisten für Festrollen werden benötigt und sind mit Deadlines versehen, sowie Zeltbedarf/-bestellungen stehen meistens bis Ende Januar an.
Aktuelles Zeitkonto: 185 Stunden

Februar 2015
Was im Janaur begann, setzt sich im Februar fort. Bis auf die Einhaltung von Deadline ist meine Arbeit annähernd null für das Conquest.
Auf dem Siedler-Con 2015 fängt eine potentielle Plotkooperation mit dem SE an. Jetzt im März mache ich noch einmal Druck. Nach Monaten spreche ich mit meiner Autorenleitung, die leider immer noch wegen anderen Verpflichtungen keine Zeit hat.
Aktuelles Zeitkonto: 200 Stunden

März 2015
Im März nehme ich wieder langsam die Arbeit am Plot auf. Mein Team hat in meiner Abwesenheit fast nichts geschrieben und kaum in ihren Teil-Arbeitsgruppen weiter gearbeitet. Der allgemeine Tenor war „Wenn du nicht da bist, läuft nicht viel.“ Ich organisiere wieder TS-Abende, monatliche Gespräche. Auch stehen erste Festrollen-Casting-Gespräche an. Das Festrollen-Casting des CoM macht mir Vorschläge für Festrollenbesetzungen. Sollte sie meinem Wunsch entsprechen, standen Vorstellungsgespräche an. Im Rahmen eines solchen Gesprächs habe ich überprüft, welche Vorstellungen die Personen für eine Rolle haben und mit meinen Vorstellungen verglichen.
Die Arbeiten an dem „Meer der Träume“, eine Art Dungeon, beginnen. Es gibt wieder eine Deadline für irgendwelche Einkaufslisten.
Nun beginnt auch die Phase, wo erste Briefinggespräche mit Festrollen des APLs plane. Auch muss der Plot an vielen Stellen überarbeitet werden. Der neue AdZ Autor hat viel Plot geschrieben, der jedoch großen Teilen leider umgeschrieben werden muss. Hier tut es mir erneut leid, dass ich ihm nicht die anfängliche Unterstützung geben konnte, die ihm vermutlich einige Arbeit erspart hätte.
Gespräche mit den Autoren des Schwarzen Eises und den beiden dazugehörigen VBs führt dazu, dass sich weitere Autoren meinem Autoren-Team anschlossen. Ich habe nun um die zehn Autoren in meinem Team, die ich alle aktiv unterstütze und fast alle sind zum ersten Mal Autor. Das bedeutet einfach, dass ich mehr Zeit investiere, um sie entsprechend einzuarbeiten. Der neue Plot um das Schwarze Eis forderte erneut viel Aufmerksamkeit, da der Plot aus dem Nichts gestampft werden muss. Die Autoren sind im eigentlichen Plotschreiben zwar etwas geübt, wenn es um interne Plots ging, jedoch weniger, wenn es sich um Plot für das CoM handelte. Hier müssen einfach viele Dinge zusätzlich berücksichtigt werden und abgesprochen werden. So entwickelte das neue Teil-Arbeitsteam für den Plot des Schwarzen Eises und ich gemeinsam im Rahmen von mehreren Gesprächen eine neue Plotlinie. Dies ist nun die 10. (!) Plotlinie für den Traumdorn Plot.
Aktuelles Zeitkonto: 225 Stunden

April 2015
Für mich fängt im April immer die Endphase für das Plotschreiben an. Bis Ende April möchte ich immer, dass der Plot in einer vollständigen, ersten Fassung steht und ab Mai nur noch im Detail überarbeitet wird. Dafür erhöhe ich ab April die Anzahl von festen TS-Gesprächen von einem auf zwei pro Monat. Dazu kommen noch erneut einige Absprachen mit anderen VBs, Arbeitsgruppen, die sich anderen Traumdorn dranschreiben möchten. Auch werden die Festrollen nun langsam im Detail gebrieft. Ein Guide soll noch für die Nan’Haith geschrieben, bzw. erweitert werden. Dieser wird aber für durch die Autor_innen, die nun auch Festrollen sind, geschrieben. Das bedeutet für mich: Eine Sorge weniger!
Das klingt nun immer wieder nach derselben Arbeit, aber das ist sie nur in Teilen. Natürlich ist das Plotschreiben ein zyklischer Prozess, jedoch für eine riesige Veranstaltung. Schreiben, Hintergrund prüfen, Diskutieren, überarbeiten und von vorne. Gerade ab April fängt meine Hauptarbeitslast an.
Gespräche mit dem Logan Spieler oder anderen Einzelpersonen kann ich gar nicht mehr völlig im Detail auflisten, einfach weil es so viele sind. Pro Woche standen 3 oder 4 Skype Abende an und über die Dauer steht oben schon einiges.
Aktuelles Zeitkonto: 275 Stunden (Plotseiten: Ca. 110)

Mai 2015
Wieder kam ein Siedler-Con daher, auf dem ich erneut einen Teaser für das CoM 2015 setzen konnte. „Logan ist ein Gefangener.“ Dies bedeutet aber erneut Absprachen mit dem Teilnehmer Logan, dem Veranstalter des Siedler-Cons, der Kampagnen-Leitung des Siedler-Cons, VB der Armee des Zweifels und einer Autorenleitung.
Der erwähnte Dungeon, „Das Meer der Träume“, muss ebenfalls geplant werden. Für das „shoppen“ im Plot-Shop verabreden sich eine Autorin und ich für eine TS-Sitzung. Das ist ein Webshop in dem wir Autoren im Lager des Live Adventures (die Veranstalter des CoM) „shoppen“ können. Dabei kann nur das bestellt werden, was natürlich noch im Lager liegt.
Die letzten Festrollen sind jetzt besetzt und erneut stehen Briefings an. Die Deadline für das sogenannte Endlektorat ist zweimal verschoben. Das Endlektorat ist die Phase, nachdem der VA mit seinem Team den Plot für „Abgeschlossen“ bewertet. Die Autorenleitung überprüft den Plot im Detail, um letzte „No-Go“-Elemente zu filtern , bzw. letzte Ungereimtheiten mit dem Hintergrund noch anzupassen. Nach der letzten Verschiebung hieß die diesjährige Deadline „10. Juni 2015“.
Der Mai war wohl der Höhepunkt mit der meisten Arbeit im meinem Autoren-Conquest Jahr.
Auch formte sich nun langsam das Spielleiter (SL) – Team für den APL auf der Veranstaltung. Spielleiter sorgen dafür, einfach gesagt, dass Regeln eingehalten und der Plot koordiniert und inszeniert werden kann. Ich hatte zwei neue SLs im Team, mit denen ich ebenfalls erst einmal telefonieren muss, um sie kennenzulernen. Eine weitere SL, neben meiner Person, stand schon lange fest. Wir sollten es also zu viert „rocken.“
Aktuelles Zeitkonto: 325 Stunden.

Juni 2015
Am 10. Juni haben mein Team und ich den Plot abgeschlossen und meiner Autorenleitung übergeben. Bis hierhin hatten wir, meine Autorenleitung und ich, vielleicht vier Gespräche mit je ca. einer Stunde, seit September 2014 gehabt. In diesen wenigen, kurzen Gesprächen habe ich immer wieder beschrieben, wie der Plot aussieht und wie das Team funktioniert. Anmerkungen oder Ideen der Autorenleitung hat unser Autorenteam zwar eingebaut, doch viele waren es auf Grund der wenigen Gespräche nicht.
Nach wenigen Tagen im Endlektorat habe ich das Feedback zurück erhalten, dass der Plot akzeptiert worden ist. Eine Liste von ganzen neun Anmerkungen sollte ich noch einbauen, was nur eine ganze Stunde gedauert hat. Ich hoffe die Ironie war deutlich herauszuhören. Denn die Anmerkungen sind nur oberflächig und eine Überarbeitungszeit von einer Stunde nach einem Endlektorat des CoM empfinde ich als wenig. Ich muss hier wieder mal betonen, wie unendlich froh ich über dieses motivierte und gute Autorenteam bin.
Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie erleichtert ich war, dass wir so entspannt durch das Entlektorat kamen.
Ich spreche nun nur für mich: Soviel Arbeit lag nun schon hinter mir, so viele Abende hatte ich investiert. Nun standen alle zehn Plotstränge in einer finalen Fassung. Der Plot war um die 120 Seiten lang. Er ist nicht der längste ausformulierte Plot auf dem CoM 2015. Doch meine Arbeit ist hier nicht zu Ende, denn nun fängt die unmittelbare CoM Vorbereitung an. Ich muss mit etlichen VBs erneut Rücksprache halten, über den finalen Plot-Zustand und diese in Kenntnis setzen. Auch muss ich den Guide der Nan’Haith gegenlesen.
Auch sollen nun die Texte, die Teil des Spiels (sogenannte IT-Texte) sind, geschrieben werden. Nun wird die Arbeit für die Autoren und Festrollen größer. Sie müssten auch für die Prüfung lernen, die ich von fast jedem in meinem Team abverlange. Es handelt sich hierbei um sogenannte Plot-Autorisations-Prüfungen der Stufe 2. Ich mag es persönlich gut informierte und gebriefte NSCs zu haben und investiere dafür im Vorfeld auch gerne mehr Zeit. Jede dieser Prüfungen sollte dabei zwischen 60 und 90 Minuten dauern und primär nur einen Prüfling haben. Ziel dieser Stufe 2 Prüfung ist es dem VA zu beweisen, dass jemand den Plot grundlegend verstanden hat. Die Stufe 1 Prüfung soll hingegen das Hintergrundwissen einer Spielleitung beweisen und ist eine schriftliche Klausur von 45 Minuten, die meistens am Dienstag auf dem CoM durchgeführt wird und direkt von den CoM Veranstaltern organisiert wird. Die Stufe 2 Prüfungen nehmen jedoch die VAs ab. Und eine SL an einem APL ohne Stufe 1 und 2 darf keinen Plot spielleitern, da sie nicht über ausreichend Wissen verfügt. Soviel sei an dieser Stelle schon verraten, auf dem CoM gab es Personen im APL-SL-Traumdorn-Team, die weder Stufe 1, noch Stufe 2 hatte. Diese Person hatte aber auch so genug arbeit zu tun. An einem APL gibt es halt sehr viel mehr zu tun, als nur Plot zu spielleitern.

Aktuelles Zeitkonto: 355 Stunden.

Juli 2015
Jetzt könnte man denken, dass es nur noch vier Wochen bis zum Conquest sind und die Arbeit beinahe erledigt ist. Der Plot steht, die NSC sind gebrieft und das SL Team ist auch schon fast sicher. Und dann … dann kam der Tag der schlechten Nachrichten. Zwei SL sprangen an einem Tag komplett ab. An dieser Stelle muss ich klar sagen, dass sie aus nachvollziehbaren und guten Gründen absagten, aber für mich war dieser Tag, der 01. Juli schon ein Tag an dem ich leicht panisch wurden.
Ich bitte alle im Autoren und Festrollen-Team des APLs Traumdorn nach potentiellen SLs Ausschau zu halten. Live Adventure informiere ich über die überaus angespannte SL Situation. Zu diesem Augenblick gibt es nur noch eine SL neben mir im SL Team. Einen SL Azubi kann Live Adventure organisieren, was zwar Entspannung brachte, aber natürlich immer noch keine vernünftige Ausgangssituation darstellt. Azubi bedeutet, dass eine SL mit wenig oder keiner Erfahrung im SL Team des CoM ist. Zudem gehört es u.a. zu meinen Aufgaben als APL Chef mich auf der Veranstaltung um die Ausbildung zu kümmern. Das bedeutet: Funken, Schlachten, Rituale, Magie, Plot etc. sollten durch dem Azubi gespielleitert werden. Dabei soll er anfänglich auf jeden Fall an die Hand genommen werden.
Meine Festrollen können im Laufe des Julis noch zwei weitere SL Azubis organisieren, doch auch hier stehen pro Person gute 2 Stunden Bewerbungsgespräche an. Für mich war es wichtiger Personen zu finden, die ins Team passen, als jemanden ins Team zu lassen, der am Ende mir mehr Arbeit macht, dadurch dass er das Team belastet.
Neben diesen Umständen darf ich ein für alle Autoren und interessierte SLs zu einem öffentlichen Briefing einladen. Live Adventure verlangte dies von jedem Plotteam vor dem CoM.
Und daneben standen noch das Schreiben und Gegenlesen von IT Texten an, welches primär vom den anderen Autoren des Traumdorn Teams geschrieben wurden und weniger von mir. Ich lese sie primär gegen. Auch steht das durchführen der Plotautorisationsstufe 2 an. Ich habe mich aber nicht von allen 10 Autoren eine Plotautorisationsstufe 2 als Einzelprüfung abverlangt. Alle aktiven Autoren prüfe ich innerhalb einer 2,5 Stündigen Gruppenprüfung und sie durften dafür jedoch teils sehr knackige Fragen beantworten, insbesondere aus Bereichen, an denen sie nicht mitgeschrieben haben. Die Festrollen, sowie die SLs und einige eher inaktive Autoren werden einzeln von mir geprüft. Natürlich gibt es so kurz vor dem Conquest noch letzte grundsätzliche Abstimmungen und Gespräche. Alles in allem war der Juli keine Entspannung, sondern für mich noch einmal besonders stressig.
Aktuelles Zeitkonto: 390 Stunden.

August 2015
August. Es ist CoM Zeit!
Ich kam am Montag ungefähr gegen 11 Uhr auf dem Gelände an. Doch ein entspannter Start sah anders aus. Gegen 12 Uhr fangen meine Vorbereitungen an. Um 14 Uhr habe ich das erste Briefing und somit die erste Sitzung. Diese Sitzungen gehen am Montag bis ca. 22 Uhr. Am Dienstag habe ich ebenfalls ein volles Programm von 10 Uhr bis 0:30 Uhr. Ich beschwere mich hier in keiner Weise, aber für SLs und insbesondere für APL Chefs sind die Montage und Dienstage besonders gesprächsintensiv. Zum Glück dürfen zwei Festrollen, die auch Autoren waren, die Stufe 1 und 2 Prüfung bestanden ebenfalls SL in Rolle sein. Damit sind sie weiterhin Festrollen, jedoch haben sie einen SL Pass und damit auch alle Befügnisse einer SL. Damit steht das SL Team am Dienstag Abend endlich entgültig fest: Neben meiner Person gibt eine eine weitere volle SL, zwei SL in Rolle und drei SL Azubis. Da Montag und Dienstag schon besonders voll sind, gibt es eine Schlachtplanung am Mittwoch um Punkt 8 Uhr morgens vor dem APL Traumdorn. Mit gut 20 Leuten sprechen wir die erste Schlacht um den APL durch. Und von da an, habe ich bis zum Zeitpunkt des Spielbeginns (ca. 19:15 Uhr) am Mittwoch wieder nur noch Sitzungen, Gespräche und unmittelbare Vorbereitungen für eben jenen Spielbeginn.
Jeder Tag bedeutet für mich 16-18 Stunden Dienst. Ich bin kein Einzelfall auf dem CoM, sondern teile diese Arbeitslast mit vielen anderen SLs. In diesen Tagen baut sich ein eigenartiges Gefühl auf. Das ist ein ganz besonderes Druckgefühl. Wir alle im Team haben besonders viel investiert, aber ob dieses Investment auch so wahrgenommen und zu einem Erfolg führt, weißt man erst am Sonntag, wenn die Veranstaltung zu Ende ist. Mit Erfolg meine ich hier, dass wir vielen Teilnehmer_innen eine Freude und eine spannende oder auch intensive Geschichte erzählen konnten.
Am Samstag, um 20:07 Uhr war die Geschichte erzählt. Die Teilnehmer_innen haben ihr eigenes Ende der Geschichte erwählt und sich für einen der drei Wege entschieden und erspielt. Wir jubeln, da das meiste gut über die Bühne ging und das CoM für uns weitestgehend beendet war. Das ist der Moment bei dem ich zum ersten Mal eine Art von Erleichterung spürte, da ich weiß, dass das Jahr harte Arbeit nun beendet war. Um 20:07 Uhr ergab sich folgendes Gespräch über die Funke:

Ich: „Daniel, APL Traumdorn an Plotkoordination.“
Plotkoordination: „Plotkoordination hört. Was gibt es Daniel?“
Ich: „Alle 10 Plotlinen des APL Traumdorns wurden beendet. Die Spieler haben sich ihr Ende erspielt. Hiermit verkünde ich das Ende des APL Traumdorn 2015 und werde ihn schließen. [Großes Jubel des Gesamten APL-Traumdorn Teams, die zu diesem Zeitpunkt um die Funke stehen].“
Plotkoordination: „Was hast du gesagt? Das Ende ging in Geschrei unter.“
Ich: „Ich schließe den APL Traumdorn. Wir sind durch.“
Plotkoordination: „Verstanden.“

Aktuelles Zeitkonto: 470 Stunden.

Fazit
Das Leben als APL Chef ist ein ganz besonders intensives, aufregendes und irgendwie im positiven auch sehr besonders. Ich weiß, dass es Umstände dieses Jahr gab, die mir den Job schwerer gemacht haben. Ich weiß aber auch, dass wenn alles klappt, es eine enorme Befriedigung darstellen kann. Die hier aufgelisteten Stunden beziehen sich nur auf meine investierte Zeit und sind nur ganz grob geschätzt. Mein Team, welches sich besonders engagiert hat, hat ebenfalls sehr viel Zeit und viele Stunden gelassen. Das der Plot so erfolgreich verlief, liegt ganz besonders am gesamten Team. Doch ich wollte hier einfach primär meine Perspektive aufzeigen.
Ich bin unendlich dankbar, dass wir nach zwei Jahren nun ein so gutes Team geworden sind. Ob es uns in dieser Form noch ein drittes Jahr gibt, das weiß ich nicht. Das wird die Zukunft zeigen, denn die Berufung zum APL Chef gilt immer nur für ein Jahr.
Ich weiß, dass ich nicht noch einmal so viel Zeit investieren kann und das es eine große Ausnahme sein muss; auch als Selbstschutz. Ich bereue nichts, denn diese kreative Arbeit bereichert mein Leben in vielen Facetten. Ich weiß aber auch von 2014, dass diese Arbeit im Normalfall mit weniger Arbeitszeit versehen ist. Denn am Ende ist dies eine ehrenamtliche Arbeit und es ist nur ein Plotbereich.
Doch wenn ihr nächstes Mal bei einem APL seid und dieser macht euch Spaß, denkt nicht nur an die NSC die euch diese Geschichte erzählen, denkt vielleicht auch an die SLs und Autoren, die ein knappes Jahr an diesem APL gearbeitet haben. Ich habe es selbst erlebt, dass sich fleißig bei NSCs und SLs bedankt worden ist und in den meisten Fällen sind dies auch die Autoren, aber eben nicht immer. Das Autoren-Team ist ungleich des Teams vor Ort. Denn ohne jene Personen, könnten euch die NSCs nichts erzählen. In meinem Fall sind die NSCs weitestgehend auch die Autoren gewesen.
Vielen Dank an mein Team: Benny, Cordula, Eli, Vicky, Ariane, Raphael, Franzi, Harald, Andre, Thorsten, Luise, Stefan, Manuel, Katja, Tobbi, Quirin und Max.
Auch ein besonderer Dank geht an die Personen, die den APL Unterstützt haben, aber nicht direkter Teil des APL-Teams waren: Jörn, Linda, Anne, Christian W., Ju und Igi.
Auch möchte ich einigen Festrollen aus den verschiedenen Bannern danken, die ihre Hilfe auf dem CoM anboten, um den Plot in verschiedenen Orten und Spielgruppen nah zubringen.
Und sollte ich jetzt noch jemanden vergessen habe, dann meldet euch bitte, denn mein Dank gilt auch euch!

Daniel Katzberg
Verantwortlicher Autor des Traumdorn-Plots 2014 und 2015
APL-Chef Traumdorn 2014 und 2015

PS: Am Ende erhielt ich das, wonach ich persönlich gestrebt habe: Das mein Team bis zum Ende zusammen gearbeitet hat. Es war ein wahrhaftig gutes und schnell eingespieltes Team. Die NSCs waren gut gebrieft, das SL-Team hat einen sehr guten Job gemacht. Jeder hat seinen Beitrag geleistet und sich in dieses Projekt tief rein gekniet. Der Plot war mit vielen anderen Fraktionen verstrickt und … ich erhielt einen Handschlag und ein Danke von verschiedenen Personen und das Feedback, dass einige Teilnehmer_innen diesen Plot spannend und als gut empfunden haben. Daher nehme ich für mich auf jeden Fall eines mit: Für mich hat sich mein Investment gelohnt und ich freue mich auf das nächste Jahr.

(Erste Fassung dieses Textes entstand im September 2015)

Veröffentlicht unter Allgemein, Rollenspiel | Ein Kommentar

Zehn Marathons und mein Resümee eines Lebenswandels: “I crossed the finish line and it changed my life forever”

Ich habe es vollbracht und die zweite magische Grenze an Marathonläufen beendet: 10 Stück, 421,95 km Marathon-Wettkämpfe liegen nun hinter mir. Für mich ist die erste magische Grenze der erste Marathon an sich. Ich möchte mit diesem Blogeintrag euch erzählen, wieso ich überhaupt laufe, wie es mein Leben veränderte und warum mir dieser Sport, bzw. dieses Hobby so unglaublich viel bedeutet. Ich möchte damit niemanden überzeugen selbst zu laufen, aber ich möchte zeigen, was dieser Sport mit einem anstellen kann, am Beispiel meiner Person, in meiner subjektiven Wahrnehmung. Der Untertitel „When you cross the finish line, it will change your life forever“ von dem Film „Spirit of the Marathon“ trifft auf mein Leben zu. Nicht ohne Grund ziert er auf Facebook meine Titelseite. Die Geschichte, wie ich zum Läufer wurde, beginnt Weihnachten 2007.

24. Dezember 2007, Heiligabend
Wie viele Langläufer, gab es auch bei mir den Moment der alles veränderte. Ich gehöre zu den Läufern, die aus medizinischen Gründen zum Laufen kamen. Zum wiederholten Mal hatte ich Beschwerden, die für mich persönlich so schlimm waren, dass ich freiwillig an Heiligabend in die Notaufnahme des Krankenhauses ging. Das war so ca. 20 Uhr, sprich wenn andere ihre Geschenke auspacken. Es sollte über drei Stunden dauern, bis ich wieder zu Hause war. Mit der Erkenntnis, dass wirklich etwas nicht in Ordnung sei und mit einem Termin zur Endoskopie für den 27. Dezember 2007. Als der Tag nach Weihnachten kam, und ich die Untersuchung abgeschlossen hatte, erklärte man mir, dass ich Glück gehabt hätte. Ich kam so früh, dass alles noch in Ordnung sei und die Ärzte schon alles korrigieren konnten. Jedoch sagte der Arzt beim Gespräch danach folgendes: „Wie alt sind sie?“ Ich: „Ich bin 24. In zwei Wochen werde ich 25.“ Arzt: „Ich verschreibe Ihnen nun, dass sie dreimal die Woche spazieren gehen. Mindestens eine halbe Stunde. Wissen Sie, Sie haben ein ganz anderes Problem. Sie haben jetzt schon erste Bewegungsmangelerscheinungen. In Folge sind auch ihre Beschwerden entstanden. Ändern sie das, dringend. Ansonsten sind Sie mit 30 Jahren schon fertig.“ Ihr habt keine Vorstellung, was in diesem Moment in mir vorging. Ich wog zu diesem Zeitpunkt bei 189 cm, 92 kg. Also ich finde das normal, ich hatte mir nie sorgen darum gemacht, dass ich so früh schon solche Probleme hatte. Ich nahm mir an diesem Tag vor, nicht dreimal die Woche spazieren zu gehen, sondern dreimal die Woche eine halbe Stunde zu joggen. Spazieren zu gehen fand ich nämlich nicht so spannend und motivierend.

01. Januar 2008, Neujahr
Ich packte meinen grauen Tschibo Trainingsanzug aus, zog sehr alte Laufschuhe an und joggte los. Ich wollte gucken, wie lange ich es schaffen würde und nahm mir auch erst einmal nur eine kleine Runde vor. Nach ziemlich genau 12 Minuten war ich fix und fertig, hechelte schwer und dachte mir, dass es noch lange hin sein würde bis zur halben Stunde. Ich schaffte ja nicht einmal die Hälfte. Das hatte mich damals sehr deprimiert und auch niedergeschlagen. Ich fragte mich, was ich tun könnte, um mich selbst zu motivieren. Und dann…
Ich tat etwas, was ich immer in diesen Momenten tat. Ich suchte mir ein Ziel aus, welches unerreichbar erschien. In diesem Moment beschloss ich für mein Leben: Ich laufe einen Marathon! Egal wie lange es dauern würde, egal wie viel Kraft es kosten sollte. Ich werde Marathonläufer. Das klingt ein wenig verrückt, aber es ist die Wahrheit. Es gibt Zeugen! Dieses Ziel sollte mich über Jahre motivieren, immer Sport zu treiben. Zumindest dachte ich mir das. Allerdings hatte dieser Plan einen Fehler, den ich so nicht vorhersehen konnte. Doch dazu später mehr.
Um mir auch selbst etwas Druck zu machen, erzählte ich es sofort jedem. Ich wurde von vielen am Anfang belächelt, und ob ich mir da nicht zu viel vorgenommen hätte. Vielleicht hatten die Leute Recht, aber ich war dickköpfig und wollte es vor allem mir beweisen.
Ich setze mir auch gleich ein erstes Zwischenziel: 10 km alleine Laufen, damit ich wieder in meinen alten Leichtathletik Verein, den TV Löhne-Bahnhof e.V. , eintreten konnte und zumindest eine Grundbasis hatte.
Und so lief ich in meiner Anfangszeit auch nicht alleine, sondern mit meiner größten Supporterin und Fan, bis heute, zusammen. Inger! Ihr verdanke ich sehr viel, vor allem in meiner Anfangszeit. Noch heute denkt sie an die großen Wettkämpfe, fragt nach und feuert mich an. Wir joggten anfänglich Strecken bis 3, bzw. 4 km zusammen.

März 2008
Nachdem ich dann endlich 4, bzw. 5 km joggen konnte, trat ein erster Rückschlag ein. Ich bekam tierische Knieschmerzen und dachte schon, dass mein Plan gescheitert sei. Zum Glück ließ sich das schnell lösen. Mein Orthopäde sagte: Einlagen und das wird. Und es wurde! 🙂 Und so baute ich mich nach besten Gewissen weiter langsam auf. Stetig hängte ich einen km dran und langsam schaffte ich es an die 10 km ran zu pirschen. Es war immer noch alles sehr anstrengend und es kostete mich immer häufiger eine große Überwindung zu laufen. In meiner Anfangszeit war das Laufen leidige Pflicht, die mir überhaupt keinen Spaß gemacht hatte. Mittlerweile joggte ich auch alleine, da Inger nicht mit dieser Konsequenz mittrainiert hatte und daher schon bald die Distanzen für sie zu lang waren. Aber ich trainierte drei Mal die Woche, auch wenn das sehr anstrengend war.

Juni 2008
Endlich konnte ich 10 km joggen. Mein erstes Zwischenziel war erreicht und ich ging zum TV Löhne Bahnhof e.V.. Ich meldete direkt an und mein Training begann sofort. Mein Trainer, Kalle, sah mich damals leicht irritiert an, als ich meinte, ich wolle Marathon laufen, könnte bisher aber nur 10 km laufen und das sehr langsam, also im Jogging Tempo (Für mich ist Jogging Tempo ein Tempo wo man mehr als 6 Minuten 30 Sekunden für einen Kilometer benötigt). Er nahm mich trotzdem auf und gab mir Individualtrainingspläne, da ich zu diesem Zeitpunkt der einzige war, der so lange Distanzen in diesem Verein laufen wollte. Ich war zwar nun weitestgehend immer noch alleine am Trainieren, aber nun mit einem Aufbauplan. Zu diesem Zeitpunkt lief ich die 10 km in ungefähr 70 Minuten, nur zur Orientierung für Euch Läufer da draußen. Aber das Laufen fing an mir Spaß zu machen und ich freute mich nun wesentlich häufiger auf das Training. Es hatte ja auch nur ein halbes Jahr gedauert, bis ich Freude am Laufen fand.

August 2008
Vielleicht hätte ich Kalle früher sagen sollen, dass ich im September mich für einen Halbmarathon angemeldet hatte. Ich konnte zu diesem Zeitpunkt gerade einmal 14 km laufen und definitiv keine 21,0975 km. Kalle schrieb meinen Trainingsplan komplett um, und wirkte leicht verärgert, dass ich da so vorpreschte. Rückblickend frage ich mich manchmal, warum ich mich da angemeldet hatte. Es war wirklich absoluter Blödsinn und ich hätte mich definitiv erst für kürzere Strecken anmelden sollen.

20. September 2008, „Gesund im Mund“ Halbmarathon
Und das war der Tag. Mein absolut erster Volkslauf / Wettkampf überhaupt und gleich ein Halbmarathon. Es waren noch keine 9 Monate vergangen, wo ich bei 12 Minuten anfing und nun stand ich hier mit der Absicht schon einen halben Marathon zu laufen. Das war der Fehler in meinem Plan. Ich hatte nicht erwartet, dass ich mich so schnell entwicklte. Aber ich musste diesen Lauf auch erst einmal schaffen.
Bis km 15 lief der Lauf gut. Ich erinnere mich, dass ich erstaunlicherweise eine Pace von ungefähr 6 Minuten pro Km halten konnte, was unglaublich schnell für mich war. Ab km 15 wurde es dann schwer, weil ich nie über diese Distanz hinaus trainiert hatte. Tja, und es kam, wie es kommen musste. Bei km 20, bekam ich einen Zusammenbruch. Ich konnte nicht mehr und war völlig erschöpft. Das war so nach 2:05 Stunden. Ein Ehepaar gab mir Wasser und beruhigte mich. Ich musste weinen, weil mir nur ein Kilometer fehlte und ich einfach nicht mehr konnte. Ich brauchte fast 10 Minuten, bis ich mich wieder gefangen hatte und beschloss weiter zu gehen. Wenn ich nicht mehr laufen kann, so gehe ich ins Ziel und beende diesen Lauf. Inger war mit dabei und stand an der Strecke, an verschiedensten Punkten und feuerte mich an. Ich wusste, dass sie im Ziel auf mich wartete. Als ich merkte, dass ich nach der nächsten Kurve nur noch Bergab laufen würde, trabte ich langsam los. Nach 2:22:15 h kam ich ins Ziel, als 70. von 71 Männern. Als 8. von 8 in meiner damaligen Altersklasse M20. Im Ziel setze ich mich. Ich zitterte am ganzen Körper und war völlig erschöpft. An diesem Tag hatte ich 50% von meinem Ziel erreicht. Ich war einen Halbmarathon gelaufen. Aber eben wegen dieser Erschöpfung konnte ich mir absolut nicht vorstellen einen ganzen Marathon zu laufen. Aber um bis hier hin zu kommen, hatte ich schon einige verrückte Entscheidungen getroffen und nun auch etwas volles Verrücktes getan. Okay, es war auch völlig bescheuert, das möchte ich nicht kleinreden.

November 2008
Kalle stellte mir Dirk vor. Er sollte mein neuer Trainer werden und Dirk ist es noch heute. Dirk wurde der Trainer für die Langlaufabteilung, die in diesem Moment gegründet wurde. Dirk war ein Hermannsläufer und ich spielte auch mit dem Gedanken den Hermannslauf zu bestreiten. Er sollte im April 2009 sein und war 31,1 km lang und sehr berglastig. Ich fand dies ein gutes Zwischenziel auf dem Weg zum Marathon. Wir stiegen sofort ins Bergtraining ein und ich dachte ich sterbe. Wieder einmal lernte ich meine Grenzen kennen, denn Berge hochlaufen war etwas ganz anderes, als flach zu laufen. Florian und sein Bruder Sebastian schlossen sich uns an. Florian war schon Marathonläufer und plante seinen nächsten Marathon und Sebastian wollte bald auch einen ersten Marathon laufen. Und so planten wir nicht nur einen Hermannslauf, sondern auch einen Marathon zusammen. Dies gab mir nochmals einen enormen Push, mein Ziel zu erreichen. Es war der Moment, wo ich das erste Mal überhaupt nicht mehr regelmäßig alleine lief, sondern in einem Team.
Mittlerweile wurde ich in meinem Bekanntenkreis, bzw. Freundeskreis nicht mehr belächelt. Ich trainierte eisern dreimal die Woche seit fast einem Jahr. Und so sollte es auch über den ganzen Winter gehen. Ich trainierte öfter über 20 und sogar über 25 km. Lief noch einen Volksläufe und dann kam der Tag meines ersten Hermannslaufes.

26. April 2009 – Hermannslauf
Ich war völlig geflasht von der Gewaltigkeit eines Hermannslaufes. 5500 Läufer wurden mit Bussen zum Start gefahren, da wir von Detmold nach Bielefeld zurück laufen mussten. 31,1 km sollten vor mir liegen. Ich startete im Block C. Im Block A starteten die schnellsten und in C die langsamsten Läufer. Aber es sollte passten, denn niemals zuvor bin ich über 30 km gelaufen. Das Maximum im Training waren 28 km. Und dann ging es für mich los. Lange lief es gut bis zum km 16 (seht ihr hier auch die Parallelität zum ersten Halbmarathon?), als ich beim Bergablaufen einen Schritt nicht halten konnte, und mein Knie durchgesackt ist. Sofort kamen höllische Schmerzen auf und ich konnte einen Moment lang nicht mehr laufen. Dazu gleich mehr. Ich lief danach trotzdem weiter und konnte irgendwann ab Km 20 nicht mehr wirklich laufen. Es wurde ein ständiges Wechseln zwischen gehen und laufen. Ab und zu tat mein Knie dann wieder weh, oder es kamen Krämpfe durch. Dieser erste Hermannslauf war eine pure Qual. Es zeichnete sich ab, dass der Marathon noch viel schlimmer werden würde. Aber ich absolvierte diesen Lauf mit 03:37:15 Sekunden. Ich hatte damit mein nächstes Ziel erreicht. Nun konnte ich schon zu drei Viertel einen Marathons laufen. Im Herbst sollte dann die Krönung folgen: Der Berlin Marathon 2009. Mein Ziel war greifbar nah, auch wenn es viele Schmerzen und viel Qual bedeutete.

Mai 2009
Die Knieschmerzen waren nach dem Hermannslauf höllisch. Ich konnte kaum noch laufen, geschweige denn trainieren. Das Fazit nach einem MRT war: Durch das Durchtreten und nicht den Schritt halten könnten, hatte sich mittlerweile eine Zyste gebildet. Ich konnte auf Wochen nur reduziert und eingeschränkt trainieren. Ich meldete mich trotzdem zum Marathon an, und trainierte nur locker (30 km insgesamt pro Woche) und sah zu, dass mein Knie wieder mitmachte.

August 2009
Nach einigen Monaten, im August, konnte ich wieder normal trainieren und zumindest für wenige Wochen auch 28 km Einheiten laufen. Doch ob das ausreichte? Mir war es ehrlich gesagt egal in welcher Zeit ich den Berlin Marathon finishen sollte. Mir war es nur wichtig, dass ich ihn beendete. Ich rechnete mir Zwischenzeiten aus für eine 4 Stunden und eine 6 Stunden Zielzeit aus. Ich wünschte mir natürlich, wie viele Marathonläufer, unter die magische 4 Stunden Grenze zu laufen, aber ich erwartete es nicht. Ich sah ja meine Zeiten vom Halbmarathon und vom Hermannslauf. Auch wenn ich ein verrückter Läufer bin, realistisch war ich trotzdem.

20. September 2009
Florian, Sebastian und ich fuhren nach Berlin. Sebastians Freundin und auch Inger kamen mit zum anfeuern. Dirk war erkrankt und musste seine Teilnahme kurzzeitig absagen.


Das war der Tag. Nach 20 Monaten und 20 Tagen Training von Null stand ich im Startblock für einen Marathon. Das hatte ich selbst nicht erwartet und mir niemals erträumt, dass ich so schnell einen Marathon laufen würde. Doch ich musste ihn ja nun noch beenden. Irgendwann ging es für mich los. Ich lief die ersten Kilometer mit Sebastian zusammen. Florian war auf Grund seiner schon bestehenden Leistungen vor uns einsortiert gewesen.
Nach der ersten Hälfte, also den ersten 21,0975 km hatte ich eine Zwischenzeit von 1:57 h auf der Uhr und lag damit gut in meinem Plan für eine 4 Stunden Zeit. Unglaublich! Es war auch fast eine halbe Stunde schneller als noch vor einem Jahr beim Gesund im Mund Halbmarathon.
Bei km 36 kam dann der Mann mit dem Hammer und ich war erschöpft und musste das Tempo ordentlich raus nehmen, doch ich ging nicht einmal, sondern lief durch, dass erste Mal überhaupt bei einem Wettkampf. Nach 4:08:22 h überlief ich das Ziel des Berlin Marathons und brach in Tränen aus. Ich hatte es geschafft, es mir selbst bewiesen. Zu diesem Zeitpunkt wog ich nur noch 74 kg. Ich hatte 18 kg abgenommen. Ab dieser Sekunde klickte es in meinem Kopf: „Jetzt bin ich Marathonläufer. Und was nun? Ich möchte keine Bewegungsmangelerscheinungen mehr haben. Ich brauche ein neues Ziel, ein größeres. Eines das wirklich Jahre dauert, mich bindet und mir die Lauffreude erhält.“ Und wieder, in totaler Erschöpfung, wie am 01. Januar 2008 beschloss ich schwer hechelnd und nun auch weinend, etwas für mein Leben. Ich belaufe jeden Kontinent und optional jeden World Majors Lauf. Da Berlin zur World Majors Reihe gehört, fehlten nur noch vier Läufe: Bosten, London, Chicago und New York. 2012 trat noch der Tokyo Marathon den World Majors bei. Diese Entscheidung, die ich kurz hinter der Ziellinie traf hat mein Leben von Grund auf endgültig verändert.
Doch vorher musste ich zurück in mein Bett. Es war ein sehr harter und anstrengender Weg, denn ich war wirklich k.o.. Es gipfelte darin, dass ich duschte und ins Bett fiel und erst einmal ganze 13,5 Stunden geschlafen habe.

Heute, Dezember 2014
Seit diesem Tag trainierte ich mehr und zielgerichteter. Gesundheit steht höher als der Wille zum Trainieren. Der Grad an Verrücktheit musste weichen, da ich nun den Rest meines Lebens laufen möchte und wesentlich mehr auf mich achten muss. Laufen ist keine Qual mehr; es wandelte sich zu Lebensfreude. Ich habe sehr viele neue und interessante Menschen durch das Laufen kennen gelernt. Eine der wohl außergewöhnlichsten Personen ist Juliane, meine Marathonpartnerin und mittlerweile guten Freundin. Alleine, wie wir uns kennen gelernt haben, ist eine lustige Geschichte an sich und füllt einen eigenen Blogeintrag.
Seit meinem ersten Marathon sind noch einmal fünf Jahre vergangen und ich lief nun tatsächlich zehn Marathons. Ich lernte eine Gemeinschaft von Läufern kennen, die ich nicht mehr missen möchte. Es ist ein unglaubliches Gefühl auf einem großen internationalen Lauf zu sein und zu wissen, dass ich einen Lauf mit Menschen aus über 120 Nationen bestreitet darf. Oder wie sagte es ein Sprecher aus dem Spirit of the Marathon II Trailer „A marathon is the biggest, totally peaceful community activity in the history.”
Ich vergesse aber nicht, wie ich anfing, und vor allem warum. Ich habe schon sehr früh gelernt, dass ein Marathonläufer nie alleine ist. Oder wieso sonst stehen die Menschen an den Strecken und feuern die Leute an, teilweise mit ihren gebastelten Schildern? Ich vergesse nicht die Menschen, die mir über all die Jahre halt gaben, mich unterstützt und begleitet haben. Um besonders jene zu ehren, die sich unter besonderem Einsatz mich supportet haben, und meine aufrichtige Dankbarkeit zu zeigen, möchte ich sie nun hier nennen. Diese Liste deckt bei weitem nicht alle Unterstützer ab. Auch wenn sich bei einigen Personen die Lebenswege trennten, vergesse ich niemals ihre Unterstützung:

Berlin Marathon 2009: Inger, Dirk, Florian, Sebastian, Julia
Köln Marathon 2010: Isabell, Florian, Inger, Dirk
Hamburg Marathon 2011: Luisa, Inger, Dirk
Frankfurt Marathon 2011: Luisa, Inger, Julia, Dirk
Marburger Nachtmarathon 2012: Juliane, Inger, Dirk
New York Marathon 2012 (ausgefallen): Luisa, Juliane, Inger, Dirk
Berlin Marathon 2013: Juliane, Jil, Inger, Ute, Dirk
New York Marathon 2013: Juliane, Jil, Inger, Ute, Dirk, Julia, Karola
Biggesee Marathon 2014: Juliane, Ute, Dirk, Inger
München Marathon 2014: Juliane, Thorsten, Marina, Ariane, Susanne, Inger
Siebengebirgs Marathon 2014: Juliane, Inger, Ariane

Ich danke euch aus tiefsten Herzen. Aber ich möchte auch mich bei all den anderen Bedanken, die mich angefeuert haben, mir gratuliert haben oder interessiert waren.
Ohne all diese Erfahrungen, die auf so wenigen Entscheidungen beruhte, wäre ich heute ein anderer Mensch. Und damit schließt sich der Kreis: „I crossed the finish line and it changed my life forever.“
Daniel Katzberg
14.12.2014
21:30 Uhr (Erstfassung)

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4. Biggesee Marathon – Einsame Gedanken

Vor dem Lauf:

10:15
Es war Samstag, der 21. Juni 2014; Sommersonnenwende sozusagen. Ich stand auf, frühstücke und setzte mich gegen 10:15 Uhr in mein Auto, nur um dann ca. 180 Kilometer ins Sauerland zu fahren, genauer zum Biggesee in Attendorn. Es sollte mein achter Marathon werden. 42,195 km und ganze 930 Höhenmeter. Es war somit mein erster Trail – / Bergmarathon. Nach dem Marburger Nachtmarathon sollte dieser Marathon der zweite werden, bei dem nur sehr wenige TeilnehmerInnen am Start sein sollten. Der Lauf sollte auf seine Art und Weise etwas ganz besonderes werden, doch dazu später mehr.

12:15 Uhr
Ich kam pünktlich an. Alles war von den Veranstaltern gut ausgeschildert. Ich erhielt rasch einen kostenlosen Parkplatz, meine Startnummer und ein T-Shirt für wenig Geld. Yeah… ein T-Shirt 😀

12:45 Uhr
Ich fing mit der letzten Mahlzeit vor dem Start an und mich zog mich dabei langsam im Auto um. Auf der Speisekarte stand eine Banane, ein trockenes Brötchen und dazu etwas Wasser.

13:30 Uhr
30 Minuten vor dem Start kam das Drama. Ich bekam Bauchschmerzen und hatte plötzlich große Sorgen, ob es sinnvoll sei nun einen Marathon zu laufen. Denn ich wollte unbedingt an meinem Prinzip festhalten: Abbrechen gibt es nicht und umkehren ist ausgeschlossen. Juliane, meine Marathonpartnerin, traf auch endlich ein. Wir besprachen uns kurz über unsere Renntaktiken und beschlossen sofort, jeder für sich zu laufen, falls wir uns verlieren. Wir waren auf einem unterschiedlichen Trainingsstand. Ich hatte ein Bergtraining absolviert und sie hatte auf flachen Strecken traniert. Es sprach vieles dafür, dass wir uns höchst wahrscheinlich früh verlieren sollten.

13:45 Uhr
Die Bauchschmerzen blieben und ich beschloss direkt den Lauf entspannter anzugehen, aber auf jeden Fall zu starten. Ich und Juliane stellten uns beim Start- / Zielbereich auf und lauschten dem Veranstalter. Dieser erzählte von den 930 HM und das wir 123 Starter für den Marathon wären. Die ersten und letzten 5 Km waren bei jedem Kilometer ausgeschildert. Auf der restlichen Strecke sollten nur alle 5 Kilometer ein Schild stehen. Und anhand der Beschilderung werde ich gleich auch meinen Bericht verfassen.
Außerdem sollten wir bei Straßenübergängen vorsichtig sein, denn es gäbe keine Straßenposten. Soviel vorweg: Das war nicht schlimm. Ich sollte dreimal eine Straße kreuzen und keine war wirklich viel befahren und es war sehr entspannt.

13:57 Uhr
Wir stellten uns im Startblock auf. Ich stand sehr mittig im Feld, auch weil ich noch nicht wusste, wie sich die Magenschmerzen entwickelten. Ich ging die Strecke ein letztes Mal mental durch, da ich mir die Berge und ihre ungefähre Position anhand einer Karte vorher eingeprägt hatte.

Der Lauf:

14:00 Uhr / 0 Km
Es geht los. Schon nach 500 m sollte der erste, sehr schwere Berg kommen und er war sehr schwer. Juliane und ich verloren uns sofort am ersten Berg. Ich lief kurz zu ihr zurück, klatschte sie ab und wünschte ihr viel Erfolg.

1 Km
5:30 min benötigte ich für den ersten Km. Und es ging immer noch Bergauf.

2 Km
Immer noch der erste Berg. Ich holte einige Personen ein und wunderte mich warum plötzlich kurz vor mir zwei Fahrradfahrer führen. Sie waren auf jeden Fall offiziell vom Veranstalter, aber für wen führen sie?

3 Km
Der erste Berg endete und es ging wieder leicht Bergab. Ungefähr bei Km 3,5 überholte ich die Fahrradfahrer. Sie schienen auf jemanden zu warten… Etwa auf die Frau, die ich eben eingeholt habe? Leider konnte ich die Schilder, welche Frontal auf dem Fahrrad klebten, nicht lesen.

4 KM
Es ging wieder Bergauf… *seufz*. Dafür war ich mittlerweile in einer Dreiergruppe. Yeah! Und die Fahrradfahrer überholten mich mit einem Lächeln. … yeah?

5 Km
Da war der erste Getränkepunkt. Kurz danach liefen wir einen sehr schmalen Weg entlang, den wir nur hintereinander laufen konnten. Und dann plötzlich kamen wir auf einem normal breiten Waldweg zurück. Auf dem normalen Weg überholte ich erneut die Fahrradfahrer und erkannte wo ich war: Auf dem Rücken eines kleineren Berges und zum ersten Mal erkannte ich die Schönheit der Strecke. Der Ausblick war fantastisch und wunderschön. Die Wolken erzeugten ein wunderbares Licht und Schattenspiel, die Aussicht war klar und weit. Richtig schön!

Km 6-9
Ich wurde etwas langsamer und schaute nach Links und rechts. Immer wieder war ich von der Schönheit des Ortes beeindruckt. Ich unterhielt mich zwischen durch mit den Fahrradfahrern und begrüßte und lobte die bisher tolle Strecke. Sie merkten an, dass es die wirklichen Höhepunkte der Strecke vor allem in der zweiten Hälfte zu finden sein. Ich las dann zwischendurch endlich die Schilder an den Fahrrädern „1. Frau – Marathon.“ Und wusste nun sicher, dass in meiner Dreiergruppe die erste Frau dabei war.
Bei Kilometer 8 geschätzt kam der nächste Getränkepunkte, denn ich noch zügig im Eiltempo mitnahm. Es sollte der Vorletzte gewesen sein, den ich auf dieser Art und Weise wahrnahm, wie ich das meine? Auch darauf komme ich später noch einmal darauf zurück.
Die Strecke wurde flacher und angenehmer zu laufen. Wir waren zwischenzeitlich zu fünft, da wir einige einholten. Doch irgendwie überholte ich alle und setzte mich ab und war plötzlich komplett alleine. Es war niemand vor mir und ein erstes Gefühl von Einsamkeit machte sich breit. Es dauerte fast 2 Kilometer, bis ich realisierte, dass ich zwar niemanden vor mir hatte, aber ungefähr 5-8 Läufer mit etwas Abstand hinter mir hatte. Ich war der Führungsläufer einer Gruppe. Es war ein seltsames Gefühl. Ich beschloss sofort …

10 Km
… als ich das 10 Km Schild sah, dass Tempo zu drosseln und mich einholen zu lassen. Die Uhr zeigte 47:50 min an. Ich war viel, viel zu schnell. Kennt ihr das? Ihr nehmt euch vor langsamer zu laufen, und dann klappt das nur bedingt? Ich wollte auf eine Zielzeit von 4:30 h hinaus laufen. Bisher lief ich eher auf eine 3:30 h Zielzeit an. Und man warnte mich ja vor, dass die wahren, schweren Berge im 2. Abschnitt vor mir lagen und die erste Hälfte eher noch leichtes Profil sei. Direkt nach dem 10 Km Schild kam erneut ein knackiger Berg.

Km 11-15
Auf dem Weg zwischen 10 und 15 passierte nichts Spannendes. Ich nahm bei Km 12,5 ca. den letzten Getränkepunkt zügig. Ich lief erneut in der fünfer Gruppe, in der ich mich erst absetzte. Aber so musste ich nicht alleine laufen und das Tempo war in Ordnung. Die Strecke nach dem ersten Anstieg direkt bei Km 10 flach geworden und ging sehr gut zu laufen. Landschaftlich war der Lauf weiterhin sehr schön. Aber ich fing darüber nach zu denken, wie der Lauf wohl in der 2. Hälfte werden würde. Auch fragte ich mich immer wieder, wie es Juliane wohl gehen möge.

Km 16-20
Der Getränkepunkt bei Km 16 war an einem imposanten Kloster. Es war der erste Getränkepunkt den ich nicht mehr zügig nahm, sondern stehen blieb und mich mit den Leuten einfach unterhalten hatte. Ich nahm mir mehr Zeit für das Trinken und Essen. Und ich war so schnell bisher unterwegs, dass ich wohl auf jeden Fall unter 4:30 h bleiben sollte. Die eine Frau meinte schon „Ich bin total verwundert, dass Sie stehen bleiben. Ich kenne das so nicht.“ Tja, meinte ich, ich sei halt entspannt. Es ginge für mich hier um nichts und ich wolle den Lauf genießen.
Kurz danach holte ich all die Leute wieder ein, die ich wegen meiner kurzen Pause vorbei ließ. Wir liefen auch durch Attendorn kurz durch, dann einige Serpentinen hoch. Kurz danach kam das Schild „Links zum Ziel. Rechts Marathon / 20 km“. So da war ich also nun ein Kilometer von dem Ziel entfernt. Ich atmete tief durch, denn es war hart rechts abzubiegen.

Km 21-25
Ich lief rechts und nahm die zweite Hälfte in Angriff. Zuerst ging es zur JVA Attendorn entlang mit einem Verpflegungspunkt. Hier lies ich die 5er Gruppe mit der ersten Frau ziehen, weil ich mir erneut 2 Minuten Pause nahm (und ab nun immer nehmen sollte). Es kam auch niemand nach. Das zeigte mir erst, wie einsam es werden würde. Gestärkt und einsam lief ich wieder an. Auf ging es in die zweite Hälfte. Ungefähr bei Km 22 verließ ich endlich die Straßen wieder und lief in einen Wald. Und wo Wald war … da kam der nächste Berg, der erst ungefähr bei Km 25 enden sollte. Es war der mit Abstand schwerste und härteste Berg, den ich auch in großen Teilen gegangen bin. Trotzdem war meine Zeit immer noch auf Hermannslaufs-Niveau. Ich hatte 2:03 Stunden für die ersten 25 Km gebraucht. Verdammt, ich wollte doch abbremsen?

Km 26-30
Aber auch der nächste Streckenabschnitt war gefüllt mit Steigungen. Gleich bei Km 26 kam der nächste Getränkepunkt. Ich pausierte erneut ziemlich lange und wurde dann auch wirklich mal von einer Person eingeholt. Ich unterhielt mich etwas und lief dann weiter, bzw. ging etwas an den knackigen Steigungen. Seit Km 22 war der Abschnitt sehr anspruchsvoll und ich hatte das Gefühl kaum voran zu kommen, doch die Zwischenzeiten waren in Ordnung. Bei Km 29 verließ ich den Wald und konnte endlich wieder nun die wundervollen Aussichten genießen und es toppte die bisherige Strecke. Der absolute Wahnsinn. Sowieso sollte nun der wirklich schönste Abschnitt kommen. Und dann, mitten auf einer Wiese mit sehr schmalen Weg stand ganz einsam ein kleines Schild: „Km 30“. 2:37 Stunden. Etwas langsamer als auf dem Hermann, aber ich hatte auch sehr viel mehr Berge absolviert. Ich war viel zu schnell und hoffte, dass sich das nun auf den letzten 12 Km nicht rächen würde. Ich war aber in dem Moment sehr zufrieden, lief ich doch wirklich nicht auf Zeit, sondern auf… Uiii, die Aussicht ist so schön!!

KM 31-35
Kurz nach dem 30 Km Schild ging es in einen Märchenwald. Die Wege waren märchenhaft gestaltet. Ich lief sehr oft durch Tore, die nur aus lebenden, gebogenen Ästen gebaut waren und mit Holzschmuck an den Ästen verziert waren. Es war so schön da und es war eines der Höhepunkte. Danach ging es Bergab und bei Km 31 kam ein Verpflegungspunkt. Wieder unterhielt ich mich lange, aß und trank. Nach über 2 Minuten Pause, drehte ich mich in die Richtung um, sah niemanden und schaute die Sanitäter an und sagte: „Seht ihr. Deswegen beeile ich mich nicht. Es kommt einfach niemand.“ Sie lachten und antworteten nur „Ja. Lauf entspannt bitte. Das bedeutet weniger Arbeit für uns.“ Ich lief wieder los. Erst ging es kurz einen Berg hoch in den nächsten Wald und dann ging es lange Bergab. Plötzlich deuteten sich Krämpfe an, doch ich drosselte das Tempo und war wieder wesentlich entspannter. Kurz vor dem 35er Schild sollte ich das letzte Mal eingeholt und überholt werden auf dem Lauf. Es war mir aber egal, denn ich hatte meinen Spaß und irgendwie genoss ich den Scharm der Strecke, immer wieder nach Pfeilen zu gucken, die mir den Weg wiesen. Und ohne diese Pfeile, würde ich mich auf dieser Strecke auch hoffnungslos verlaufen.

KM 36-37
Das einzige Nennenswerte in diesem Abschnitt war der Getränkepunkt bei Km 36. Man was haben die da Party gemacht und gefeiert. An dem Abend sollte Deutschland gegen Ghana spielen. Das zweite Gruppenspiel der WM 2014. Und hier waren alle schon in den Farben der Flagge angemalt. Man machte Party, Stimmung. Es gab hier nicht nur die normale Verpflegung. Hier wurde man auch direkt vom Grill bewirtet. Ich lehnte ab und wollte wegen meinem Magen nichts riskieren. Der Grillmeister wirkte jedoch leicht verwirrt, als ich ablehnte. Warte … mein Magen? War da nicht was? Hm… irgendwie, habe ich meinen Magen seit dem Start nicht mehr gespürt. Gut so! So sollten alle Dramen enden.

Km 38
Endlich wieder KM Schilder! Wir liefen zum letzten Mal aus dem Wald heraus und in Attendorn hinein. Nun konnte es ja nicht mehr Weit sein?

Km 39
Hier war er, der letzte Getränkepunkt vor dem Ziel. Und wie bei Km 36 Party war, so war auch hier Party angesagt. Ein Alarm-Signal, manuell gesteuert ertönte für jeden Läufer sehr laut. Alle bejubelten einen. Es tat unheimlich gut noch einmal so gepusht zu werden. Ich war seit fast 2 Stunden weitestgehend alleine und genoss die Motivation. Ich war nur eine Minute hier, denn ich wollte endlich ins Ziel. Es waren ja nur noch 3 Km. Nur noch …
Ich bedankte mich kurz für die Motivation und lief los. Auf ging es in Richtung Ziel und ich wusste von den Profilkarten, die ich im Vorfeld studiert hatte, dass ich noch einen Anstieg vor mir hatte.

Km 40
Kurz vor dem Biggesee stand das Km 40 Schild. Doch nur wenige Meter danach betrat ich den Weg am Biggesee. Ich konnte in der Ferne auf der anderen Uferseite das Ziel sehen. Endlich war es nicht mehr weit. Der letzte Berg lag nun hinter mir. Ab hier war der Rest des Laufes flach. Das meiste war geschafft.

Km 41
Von Links kamen Halbmarathonläufer, die sich mit mir für den letzten Kilometer einreihten. Ich schaute auf die Uhr: 3 Stunden und 44 Minuten. Ich sollte also locker unter 4 Stunden bleiben. Doch das bedeutete auch, da die Halbmarathonläufer 90 Minuten später starteten, dass diese Läufer nun bei 2:14 Stunden ungefähr sein mussten. Bei 41,5 Km drehte sich ein gehender Läufer um und sah mich. Er lief sofort los, doch sehr langsam und sehr erschöpft. Ich überholte ihn und munterte ihn kurz auf. An seiner Startnummer erkannte ich, dass er zu den Halbmarathonläufern gehörte. Ich zog noch ein letztes Mal für die letzten, gut 700 Meter an und lief zum Ziel.

Km 42 / Ziel
Ich lief ins Ziel und stoppte die Zeit. Ich war unglaublich glücklich und happy. 3:49:53 h sollte es am Ende meine offizielle Zielzeit sein. Ich wurde der 23 insgesamt, der einlief. Nur knapp 7 Minuten langsamer als in Berlin, der jedoch sehr viel flacher und schneller war. Das bestätigte mich für mein Ziel in München, wo ich den nächsten und neunten Marathon laufen werde. Ich dachte an Juliane, und wo sie wohl nun ist. Ich schaute auf mein Handy und sah ein Zielfoto von ihr, welches sie mir vor gut 1,5 Stunden schickte. Sie war also dem „Links zum Ziel“ Schild gefolgt und hat den Lauf als Halbmarathon beendet. Von den 123 Marathonläufern liefen 110 erfolgreich ins Ziel.
Das war er also, der einsamste aber wohl auch landschaftlich schönste Marathon, den ich je gelaufen bin. Es war ein ganz besonderer Lauf, mit einem ganz besonderen Scharm, den ich so nie bei einem großen Marathon finden werde.

Daniel Katzberg
22. Juni 2014
17:34 Uhr (Erste Fassung)

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ING New York Marathon 2013 – Nur eine Geschichte

Vorgeschichte 2012

Oktober 2012:
Der Sturm Sandy rast mit voller Kraft über New York, zerstört dabei große Teile von Staten Island und tötete dutzende Menschen. Es ist fraglich, ob der New York Marathon 2012 überhaupt stattfindet. Die Flughäfen in und um New York City sind geschlossen. Nach langem hin und her hieß es, der Lauf würde auf jeden Fall stattfinden.

November 2012:
Mein Flug war einer der ersten, die überhaupt wieder den JFK Flughafen ansteuerten. Alles schien zu werden, doch knappe 36 Stunden vor dem Start wurde der Lauf doch noch abgesagt, nachdem 40.000 von 50.000 Teilnehmern angereist waren. Es war einer der tiefsten Enttäuschungen, die ich je erlebt habe. Es tat mir auch um meine Begleitung Luisa leid, die mitkam, um mich zu unterstützen und im Vorfeld große Sorgen und Bedenken kundtat. Wir haben damals versucht das Beste draus zu machen und einige Tage in New York mit ihr verbracht. Was sollten wir auch machen.
Es war am Morgen nach der Absage. Genauer war es der 2. November 2012, ca um 07:30 Uhr Morgens, als ich mit den deutschen Mitgereisten in meinem Hotel (Holiday Inn) in Richtung Central Park lief. Wir kamen gerade am Park an, als dieser seit dem Sturm wiedereröffnet wurde. Wir liefen direkt rein. Ca. 2000 laufende trafen wir dort. Wir bejubelten uns gegenseitig, was enorm viel Trost für mich bedeutete. Plötzlich, hinter einer Kurve erschien das „Mile 24“ Schild. In genau diesem Moment beschloss ich 2013 wieder zukommen. Dieser Beschluss wurde noch weiter gestärkt, als ich am Ende vor dem abgesperrten Ziel stand. Es war alles sehr bitter.
Es gibt von diesem Samstagmorgen auch Bilder, da unser Reiseleiter den Fotografen kannte. Zumindest bin ich auf mindesten einem Bild mit drauf:
http://www.achim-achilles.de/fotostrecken/fotos-rund-ums-laufen/laeufer-erobern-new-yorker-central-park.html#155-03112012tw0176
Direkt nach meiner Ankunft in Deutschland fragte ich Juliane, eine Freundin und meine Marathonpartnerin, ob sie mich 2013 zum New York City Marathon begleiten und mit laufen wolle. Sie sagte mir wenige Tage später zu. Nochmals wenige Tage später, noch im November 2012, war unsere Anmeldung und Buchung vollständig unterschrieben.

Vorgeschichte 2013:
In mir herrschten ein großer Zweifel und eine große Hoffnung. Noch eine Woche vor dem Lauf litt ich unter einem Virus. Erst am 28. Oktober, drei Tage vor dem Abflug, erhielt das Okay von meiner Ärztin fliegen und starten zu dürfen. Leute, ich sage es euch mit aller Deutlichkeit, was ein Drama!

Donnerstag, 31. Oktober 2013:
Wir kamen mittags in New York an. Wir gingen direkt ins Hotel und sofort weiter zur Startnummerausgabe. Der erste Schritt war getan.

Freitag, 01. November 2013:
Am Abend war die Eröffnungsfeier am Ziel, wo die meisten teilnehmenden Nationen vorgestellt wurden mit Flaggen, Teilnehmeranzahl und dergleichen. Es war sehr voll, sehr atmosphärisch und erzeugte das erste Mal richtig ein Kribbeln im Bauch. Diese Veranstaltung fand 2012 nicht statt und so ging langsam der permanente Zweifel, dass es doch noch ausfällt.

Samstag, 02. November 2013:
Am Samstag waren wir bei der Pasta Party und es war eine Party, wirklich. Man betrat das Zelt und jeder Läufer wurde direkt von einer Gruppe Frauen bejubelt, mit Laola-Welle und aufbauenden Phrasen riefen. Man war sofort mit drin und ich wusste nicht, was mit mir da geschieht, aber es war auf seine Weise großartig. Alle fragten einen woher man käme, ob man sich gut fühle und bestätigte wie großartig der Lauf sei. Man witzelte, scherzte und bekam ein echt leckeres Essen. Am Tisch bei uns saßen zwei New Yorkerinnen, eines deutsches Ehepaar, beide über 70, und zwei Franzosen. Man unterhielt sich in Englisch und tauschte Erfahrungen und Erwartungen aus. Es war so entspannt, so gelassen, einfach großartig. Es waren nun nur noch wenige Stunden bis zum Start.

Der Lauf, Sonntag 03. November 2013:

04:40 Uhr:
Ich wache auf vor Anspannung und Vorfreude, ohne Wecker, denn der klingelt erst um 04:45 Uhr. Ich sehe mich um, und ohne mich zu wundern ist es dunkel. Ich bleibe liegen und in den nächsten 5 Minuten höre ich verschiedene Wecker vom Flur und muss schmunzeln.

04:45 Uhr:
Ich wecke Juliane. Sie meint, ihr Wecker klingelt sofort, doch das tut er nicht. Sie hat den Blockiermodus an und bei ihr war es eingestellt, dass er auch den Wecker blockt. Wir stehen auf und bereiten uns auf den Marathon vor. Es ist wie immer eine kleines Ritual die Vereinskleidung anzuziehen.

05:45 Uhr:
Wir hetzen zum Bus.

06:00 Uhr:
Es ist dunkel, doch wir haben den Shuttle-Bus zum Startbereich erreicht. Er fährt ab. Es ist immer noch dunkel und still. Ein älterer Herr kommt aus McDonalds, welches direkt gegenüber unserem Hotel ist und bejubelt uns, als er sah, dass wir alles Marathonläufer im Bus sind. Es kribbelt immer stärker in mir und ich winke, wie viele andere, dem Mann zurück. Noch ca. 4 Stunden bis zum Start.

07:00 Uhr:
Es ist mittlerweile hell und wir stehen auf der Verrazano Bridge, die viele aus dem Fernseher kennen, weil der Start dort ist. Rechts unter uns ist das Läufer/Sportlerdorf. Doch noch müssen wir warten, bis wir aussteigen dürfen.

07:17 Uhr:
Wir steigen tatsächlich aus. Meine Anspannung steigt langsam. Wir befinden uns in einer langen Schlange, die in Taschenkontrollen, Hand-Detektoren, und Startnummer-Checks endet. Nachdem alles erledigt ist, orientieren wir uns an der Farbe unserer Startnummer, diese ist Orange, also müssen wir ins Orange Läuferdorf. Hinweis: Es gibt drei Farben, die später noch für den Start wichtig werden. Das Starterfeld wird am Anfang gedrittelt und jede Farbe hat seinen eigenen Streckenverlauf für die ersten 8 Meilen (ca. 14 km).

07:40 Uhr:
Endlich sind wir im orangenen Läuferdorf. Sofort schiebt man uns eine Mütze von Dunkin und Donats zu. Wir nehmen alles, denn es ist Arschkalt. Wir haben 7 Grad und es gibt einen sehr kalter Wind. Wir verschaffen uns einen Überblick über das Frühstücksangebot. Es gibt Kaffee, Elektrolyt-Getränke, Wasser, Energie-Riegel und Bagel. Bei mir reicht ein halber Liter Flüssigkeit, 2 Bagel, 2 Energieriegel und ich bin Papp satt. Sonst gibt es ja immer noch etwas zu Essen auf der Strecke. Soviel vorweg: Dies war ein schrecklicher Irrtum.

08:20 Uhr:
Juliane und ich sind mittlerweile durchgefroren, aber immerhin satt. Ich entschließe mich zu einem Kleidungswechsel direkt im Dorf und ziehe mir unter alle Schichten (4 bis dato) noch ein Läufer-Longsleeve an, welches ich später auch während des Marathons tragen werde. Mir ist das alles zu kalt für kurzes Hemd.

8:30 Uhr:
Wir entschließen uns zum Gruppen-Kuscheln in einem der Zelte, wo es eh keine Bänke und Tische gibt. Wir sitzen mit unzähligen Läufern in diesem Zelt, dicht gedrängt. Aber es gibt keinen Wind und es dadurch gleich viel Wärmer. Parallel starten die Handbiker und die Startzone wird für die Profi-Frauen aufgemacht. Es wird ernst, noch ca. 1,5 Stunden. Die Profi-Männer und die Wave 1 Starter müssen nun sich entsprechend ihrer Corall einchecken. Was das ist? Das sehr ihr gleich noch. 🙂


09:00 Uhr:
Die Coralls für Wave 1 schließen. Das bedeutet, dass die Coralls für Welle 2 aufmachen. Wir entschließen uns meine Tasche abzugeben, aufs Dixi zu gehen und zu unserem Corall-Check In zu gehen. Jetzt wird es ernst.

09:05 Uhr:
Die Tasche ist bei UPS sicher abgegeben.

09:10 Uhr:
Ich bin auf dem Dixi und die Profi-Frauen starten.

09:15 Uhr:
Wir suchen unseren Corall Check-In und es gibt riesen Schlagen. Aber was ist das nun? Wie gesagt, dienen die Farben der Startnummer für die Strecke der ersten 8 Meilen. Die Coralls sind der farbliche Vor-Checkin um in die richtige Spur kommen. Dabei wurden die Startnummern in 1000er Schritten immer durch nur eine Tür gelassen. So waren niedrige 25000 Nummern nah zur Startlinie und weit vorne, jedoch 29000 und 30000 Nummern eher hinten eingegliedert. Wir suchen unsere Tür und stehen erst einmal wieder und frieren.

09:30 Uhr:
Wir stehen im Corall-Bereich. Vor uns geschlossene Maschendrahtzäune und Tore. Darüber ein großer Monitor. Nur wenige Läufer stehen vor und sehr viele hinter uns. Am meisten hören und sehen wir Franzosen.

09:35 Uhr:
Unser Corall-Bereich wird geschlossen. Oh mein Gott. Oh mein Gott. Stehe ich wirklich hier? Oh mein Gott. Jetzt gibt es kein Zurück.

09:40 Uhr:
Zwei Kanonenschüsse. Die Welle 1 darf los. Oh mein Gott…

09:48 Uhr:
Unserer Gitter gehen auf. Die letzten Schichten an Kleidung, die ich eh spenden wollte, ziehe ich aus und schmeiße sie in die entsprechenden Container. Es geht zum Startbereich. Sehr viele NYPD Polizisten stehen an der Seite und lächelt uns an. Sie klatschen, motivieren und sind sehr höflich. Der Wahnsinn. Es gibt erst eine scharfe Rechtskurve und dann eine 180 Gradkurve nach links. Diese Bilder, wie Links und Rechts von mir die anderen abgetrennten Coralls auf deren Spuren einmarschieren ist der absolute Wahnsinn. Wir stehen am Start. Vielleicht 20 Meter vor uns ist die Startlinie und danach die Verrazano Bridge. Diese Anspannung und Vorfreude ist unvorstellbar. Wir werden über die Boxen begrüßt. Es gibt es kurzen Abriss der New York City Marathon Geschichte. Dann viel blabla. Die Rolling Stones singen ein Lied von der Platte, gefolgt von noch mehr blabla. Dann singt irgendwer live ein Amerika Lied, wie toll dieses Land ist.

10:03 Uhr:
Noch 2 Minuten bis zum Start. Es folgt nach dem Amerika Lied, wieder etwas blabla. Was hatte ich am Vorabend gelesen? 2 Millionen Zuschauer werden erwartet. Wahnsinn. Juliane neben mir scheint ähnlich angespannt zu sein.

10:05 Uhr, Start:
Die Kanonenschüsse werden begleitet von einer in dem Moment live gesungenen Version von „New York“ von Frank Sinatra. Wer der Sänger ist, weiß ich nicht. Die Strecke ist frei für uns und als ich den 1. Schritt über die Startlinie setze, kann ich es immer noch nicht fassen. Liebe Leute da draußen: Ich laufe den New York Marathon. Keine 20 Sekunden später wird Juliane genau diese Gedanken laut aussprechen, was mich zum Lachen bringen, denn noch breiter Grinsen kann ich in dem Moment nicht!

Mile 0 bis Mile 1:
Wir laufen auf der Verrazano Bridge. Krass. Um uns herum kreisen 2-3 NYPD Hubschrauber. Unten ist ein Boot, welches Wasser-Fontänen zur Begrüßung wirft und wir haben einen unfassbaren Ausblick auf die Skyline von New York und auf Brooklyn, welches direkt vor uns liegt.

Mile 1:
Wir machen einige Fotos, um diesen Moment fest zu halten. Man sagte uns vor dem Lauf: Nicht auf der Brücke pinkeln. An dem 1. größeren Pfeiler, ca. bei Mile 1, steht ein NYPD Fahrzeug, was die Läufer aber nicht abhält trotzdem genau da zu pinkeln. Die Polizisten grinsen nur, aber mal ehrlich: Was sollen sie auch machen?
Es ist ziemlich windig und da wir uns nicht aufwärmen konnten, merkt man nun sehr deutlich, dass die Muskulatur noch kalt ist. Wir bleiben locker und laufen langsam an.

Mile 2:
Wir verlassen die Verrazano Bridge und betreten Brooklyn und verlassen somit auch Staten Island. Es sei hier kurz erwähnt, dass der New York City Marathon durch alle 5 Stadtteile geht. An genau der 2 Mile Grenze überschneiden sich alle Coralls und trennen sich dann in ihre Richtungen auf. Mit uns ab Mile 2,5 läuft der blaue Corall. Auch ist hier die erste Live Band. New York City Marathon rühmte sich im Vorfeld die höchste Banddichte zu haben und das war sie. Es folgten ca. alle 300 bis 500 Meter eine Live Band!

Mile 3 / Km 4,8:
So langsam wird mir warm. Der erste Getränkepunkt naht und die Leute machen eine unglaubliche Stimmung. Die Feuerwehr ist voll dabei und auch der NYPD ist am Klatschen, anfeuern und zurufen dabei. Einer zeigt auf mich und ruft „Great“, ich zeige auf ihn zurück und lächle und nicke, mit einem Daumen hoch.

Mile 4:
Ich sehe, dass das schon alles Fassade ist, wo wir langlaufen. In einigen Nebenstraßen sieht man deutlich verfallende Gebäude. Aber das ist mir in diesem Moment auch einerlei.

Mile 5:
Ich sehe wie ein älterer Herr mit Krückstock und Startnummer von zwei jungen Männern mit Startnummern gestützt werden. Ich drehe mich um, und klatsche ihnen zu. Andere klopfen ihnen auf die Schultern. Das sind die emotionalen Momente bei einem Marathon, bei denen ich mir denke: Diese friedlichen, hilfsbereiten Momente sehe ich sehr oft auf einem Marathon, aber wieso so selten außerhalb?

Mile 6 / Km 9,6:
Wir haben unser Tempo gefunden. Bei 10 km sind wir bei ca. 54 Minuten. Wir laufen sehr entspannt und locker ab. Die Strecke ist sehr hügelig. Das ist aber nicht schlimm. Die Bewohner aus Brooklyn (Brooklyner?) machen unheimlich gute Stimmung und die Bands rocken. Ich erwische mich immer wieder dabei, wie ich nach rechts und links schaue und einfach „Oh mein Gott.“, „Unglaublich“, „Wahnsinn“, „Bin ich wirklich hier?“ sage.

Mile 7:
Oh mein Gott. Oh mein Gott… Kann mir jemand gerade sagen, wo ich bin? 😀 Wahnsinn. Es ist unheimlich, wie viel Stimmung an der Strecke ist, wie Fremde einen sofort pushen und dich an der Strecke entlang treiben. Ein kleiner Junge von vielleicht 6 oder 7 Jahren lacht die ganze Zeit und hält ein Schild hoch „Free hugs“.

Mile 8:
Die Strecke wird plötzlich richtig voll, alle Coralls fusionieren zu einem Läuferfeld. Endlich sind die Läufer vereint auf einem Kurs. Auch das Publik nimmt noch einmal an Masse zu.

Mile 9:
Wir laufen an einem Park vorbei. Ich schaue kurz rüber und sehe ein Barbecue auf dem Bürgersteig. Ich zeige es Juliane und muss lachen.

Mile 10:
Wir sind immer noch in Brooklyn. Plötzliche sehe ich einen Mann in einem Rollstuhl mit einer Startnummer. Ich sehe keine Beine, nur einen ausgebildeten Arm. Er brabbelt und spuckt, ich verstehe nicht ein Wort. Das muss ich auch nicht, denn trotzdem ist es deutlich zu erkennen, dass er lacht. Ich bin durch einen Marathon, besonders diesen, eh schon immer recht emotional. Und so macht mich dieser Moment auf der einen Seite traurig, aber auch irgendwie ist er voller Freude. Ich kann mich nicht halten und klopfe einer der Frauen, die den Rollstuhl ziehen auf die Schulter und nicke ihr mit einem leisen: „Great“ zu. Sie sieht mich kurz, doch sie und die anderen Supporterinnen dieses Mannes werden von allen Seiten so bejubelt, dass sie gar nicht weiß wo sie hingucken soll.
Nach dem Rennen lese ich einen offiziellen Artikel, dass neben diesen Teilnehmern auch Personen mit MS oder Down Syndrom erfolgreich den New York Marathon beendet haben.
http://www.huffingtonpost.com/2013/11/04/new-york-marathon-down-syndrome_n_4214496.html
http://newyork.cbslocal.com/2013/11/04/woman-suffering-from-ms-completes-25th-nyc-marathon/

Mile 11:
Wir sind jetzt zwischen 15 km und 20 km und normalerweise gibt es nun Essen an den Verpflegungsstellen. Da ich oft unter Magenkrämpfen leide, wenn ich nichts esse während eines Marathons, vermisse ich es sehr, dass es keine Bananen gibt.

Mile 12:
Jede Mile ein Getränkepunkt und kein Essen… ALTER Ich will eine Banane… Wir sind mittlerweile in Queens. Nicht sehr spannend hier. Es ist ein Mix aus Vorstadt und Industrie-Viertel. Nicht sehr schön und zu dem ist hier kaum Publikum. Es wird endlich mal etwas ruhiger und man kann einen Moment durchatmen. So toll Publikum ist, meine Güte können Sie einen peitschen und antreiben.

Mile 13.1 (Halbmarathon 21,0975 km):
Okay… okay es gibt keine Bananen. Ich habe es verstanden. Wir sind bei bei ca. 1:56 Stunden und laufen auf die Pulaski Bridge. Alles ganz entspannt. 🙂 Juliane dreht sich kurz zu mir um und sagt: „Ich will nicht, dass die Hälfte schon vorbei ist.“ Ich verstehe sehr gut, was sie meint.

Mile 14:
In einem Arztzelt erspähe ich den ersten Abbrecher. Wie aus dem Nichts ist plötzlich Publikum da und davon nicht zu wenig. Wo kamen die her? Egal. Es endet auch wieder sehr plötzlich. Wir betreten die 59th Bridge, die rüber nach Manhattan führt. Manhattan? Was da wohl abgeht?

Mile 15:
Die Brücken sind so langweilig und wegen der Steigung auch recht hart. Naja es gibt bei Mile 15 eigentlich genau zwei Sachen, die interessant waren: Das neue World Trade Center auf der linken Seite und ein Läufer der ganz locker lief und mit zwei Basketbälle drippelte. Moment, ich drehe mich noch einmal um und sehe es: Tatsächlich… Einige brauchen noch weitere Herausforderung. Er wird unter den Läufern ziemlich gefeiert.

Mile 16 / Km 25:
Alter … Wahnsinn… Wir sehen auf eine sehr scharfe 270 Grad Linkskurve vor uns. Es ist Manhattan und es toppt jetzt schon alles. Es ist voll, es ist laut, es ist Stimmung, es ist Party, es ist Marathon. Juliane macht einige Fotos und wir laufen weiter. In dieser Linkskurve sehe ich die erste Deutschlandflagge. In diesem Moment, völlig losgelöst von Hemmungen, renne ich zur Absperrung und bejuble die deutschen, so wie ich es danach immer machen werde und sie jubeln genauso zurück. Wir sind in Manhattan und in genau diesem Moment, als ich auf der 1st Avenue lief und in eine unglaublich lange, gerade Straße vor mir sah mit unzähligen, gar Tausenden Zuschauern und Läufern, wusste ich zwei Dinge: 1.) Es erklärt sich von selbst, warum dieser Lauf so besonders ist, und 2.) Das es so schnell kein Marathon mehr geben kann, der dies toppt. Egal. Ich habe eh aufgehört zu zählen, wie oft ich „Oh mein Gott“, „Wahnsinn“, „Unglaublich“ gesagt habe. Ich tue es nur noch. Die Bilder brennen sich in meinen Kopf ein und ich hoffe, sie nie mehr zu vergessen.

Mile 17-19:
Es bleibt unverändert: Menschenmassen, tausende die jubeln, die feiern, die Laufen. Irgendwann zwischen durch laufen drei normal gekleidete Frauen mit uns, ohne Startnummer. Sie sind dabei etwas hysterisch und laut. Vielleicht hätten sie in ihren hohen Schuhen, das mal vom Start weg machen sollen. 😉 Beruhigt ungemein.

Mile 20:
Es geht über die Willis Avenue Bridge. Danach laufen mittlerweile in der Bronx. Wenig Publikum, einige Rapper hier und da, die nicht schlecht sind. Es wirkt hier sehr ernüchternd, wenn man aus der Party Meile in Manhattan kommt. Aber damit waren wir zumindest in allen fünf Stadtteilen.

Mile 21:
Als wir zurück nach Manhattan über die The 3rd Avenue Bridge laufen, die direkt in die berühmte 5th Avenue endet ist mir klar: ‚Das war es. Es geht -Heim-‘. Von wegen… die 5th Avenue wird ein langer … sehr langer und sehr hügliger Weg sein. Beim restlichen Lauf wurde klar, dass mir die Erfahrung auf dem Hermannslauf gut tun sollte. Denn dort wird es bekanntlich auch noch einmal richtig hügelig zum Ende.

Mile 22:
Irgendwo bei Kilometer 35 bekomme ich endlich eine Banane. Wahnsinn! Laufen, Banane öffnen, Kauen, kurzer Wortwechsel über die körperliche Verfassung mit Juliane. Sie versteht nicht, dass ich nun Banane essen kann. Egal, ich meistere alles parallel und es geht mir gut.

Mile 23:
Ca. bei Kilometer 37 Laufen wir noch einmal Spalier. Das heißt, es gibt eine künstliche Verengung der Straße, so dass man fast nur 2 Meter breite hat und ganz eng durch das Publikum läuft. Ich fühle mich sofort an die Panzerstraße beim Hermannslauf erinnert und muss grinsen. Doch kurz darauf biegen wir rechts in den Central Park und ich muss fast weinen.

Mile 24:
Als wir in den Central Park einbiegen ist mir sofort klar, wo wir sind. Ich wusste, dass direkt vor uns das „Mile 24“ Schild kommen wird. Genau an diesem Ort ist 2012 etwas wundervolles passiert und die ganzen Emotionen von 2012 kamen in mir hoch.
Am Samstagmorgen wenige Stunden nach der Absage des New York Marathon 2012 liefen wir durch den Central Park. Dabei liefen wir durch den Park zur Mile 24 und von dort ins Ziel. Genau hier an Mile 24 passierte es, das uns sehr viele Läufer entgegen kamen und uns zujubelte. Wir jubelten zurück und ich wusste sofort, dass es die Art und Weise ist, mit der man sich am besten Trost spenden konnte, denn wir alle waren einfach enttäuscht. Nur Aufgeben sollte man nie. Genau an diesem Punkt beschloss ich 2012, dass ich 2013 wieder kommen werde.
Diese Trauer, Hoffnung gemischt mit der Entscheidung wieder zukommen kam in diesem Moment hoch, als Juliane und ich dort lang liefen. Ebenso kam das Gefühl von Glück dazu, welches ich empfand. Es waren sehr viele Emotionen auf einmal, und ich gestehe wirklich, dass ich den Tränen sehr nah war. All dies hinderte mich nicht das Tempo zu reduzieren.
Vor genau einem Jahr sagte ich hier zu einem Ehepaar: -Das wäre es fast gewesen, wenn wir gestartet wären.- Jetzt dachte ich -Das ist es, nicht nur fast. Nur nicht aufgeben.-
Ich teile mich Juliane mit und füge bei, dass wir irgendwo bei 3:55h ins Ziel kämen. Das wiederum motiviert sie und ich muss anfangen, sie zu bremsen. Das Tempo war für mich ok, aber draufpacken konnte ich nichts mehr, da mein Magen etwas rebellierte, weil er zu wenig zu essen bekam.

Mile 25:
Immer noch im Central Park erschien plötzlich das Schild Mile 25. Noch 2 km bis zum Ziel und ca. 40,2 km lagen hinter uns. Mir geht es immer noch sehr gut. Meine linke Wade muckte sehr leicht, aber nichts weswegen ich mir sorgen machen müsste. Meinen Magen habe ich im Griff, solange wir keine Verschärfung des Tempos durchführen. Juliane will immer schneller und immer wieder bremse ich sie. Ich glaube aber, sie nimmt es mir nicht übel. Wir verlassen den Central Park und gehen zurück zur 5th Avenue. Es dauert noch einige Meter bis wir rechts in die 60th Street einbiegen. Das ist die Straße, die südlich den Central Parks ist. Was für Menschenmassen an Zuschauern. Noch einmal wird alles getoppt. Es ist unbeschreiblich, es ist so emotional und ich ahne, dass der wahre Höhepunkt gleich erst käme. Nach einigen Hundert Metern biegen wir wieder in den Central Park ein. Das Finale kommt.

Mile 26:
Vor uns war ein riesiges Flaggenmeer, so ca. 120? 150? Auf jeden Fall so ziemlich alle, der teilnehmenden Nationen. Dazu kamen noch Tribünen und eine unglaubliche Stimmung. Es ergreift uns Beide.

Mile 26,2 Ziel:
Da erscheint es: Das Ziel des New York City Marathons. Ich vergesse in diesem Moment alles, bin völlig ungehemmt und schließe meine Augen. Ich reiße meine Arme nach oben und schreie mir die Seele aus dem Leib. Ich bin angekommen und habe den New York City Marathon erlebt. Der Wahnsinn, verrückt und ich kann es nicht glauben. Ich bin mir sicher, dass ich noch Tage brauchen werde, bis ich all das realisiere. Ich sollte damit Recht behalten.
Ich öffne wieder die Augen, denn ich möchte nicht gegen eine der Absperrungen laufen. Ich übertrete die Ziellinie. Ich beende die Aufzeichnung und gehe einige Schritte. Dann nehme ich kurz Juliane in den Arm, danke ihr für das Teilen dieser Erfahrung. Ein älterer Herr klopft mir auf die Schulter. Er ist so um die 50 oder 60. Sagt auf Deutsch, wie groß er das Rennen fand. Ich stimme ihm zu. Wir umarmen uns einfach. Er umarmt danach auch Juliane. Wir sind einfach nur glücklich und alle überwältigt. Alle im Ziel sind überglücklich und sehr viele weinen. Ja, Juliane und ich gehören dazu.
Wir erhalten unsere Medaillen. Eine der Austeilerinnen erkennt, dass ich deutscher bin und spricht mich an. Sie käme aus Stuttgart, bewundert den Lauf. Ich stimme ihr zu, schaffe aber nicht mehr zu sagen. Ich bin völlig überwältigt und sprachlos. Es tut mir etwas leid; hätte mich gerne länger mir ihr unterhalten.
Wir kommen zur Fotowand und machen ein gemeinsames Foto. Danach heißt es nur noch zu den UPS Wagen und mein Paket wieder abholen. Es wird ein langer Weg, wo selbst dort die Leute noch Party machen, und alle Beglückwünschen. Es wird unter den Läufern stiller. Alle sind erschöpft, gut drauf aber auch nachdenklich.
Später bei der U-Bahn, hält uns und anderen Läufern ein NYPD Polizist die Absperrung auf. Ein Ticket brauchen wir nicht zu kaufen. Er lächelt uns an und wir setzen uns in die U-Bahn und fahren zurück ins Hotel.
Egal, ob auf der Straße oder in der U-Bahn. Die Leute beglückwünschen alle Läufer, sprechen Sie an. Fragen, wie es war, wie großartig ist doch sei ein Marathon zu laufen und besonders diesen. Es ist die typische Oberflächigkeit, aber in diesem Moment genieße ich sie.
In diesem Moment würde ich alles genießen. Das ist nach jedem Marathon so, aber dieses Mal ist es besonders intensiv. Ich bin glücklich, denn ich habe mir einen Lebenstraum erfüllt.

Daniel Katzberg
10.11.2013
16:51 Uhr (erste Fassung)

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Die Frauenquote

09:34 Uhr, irgendwo in der realen Welt
Der rote Vorhang der Bühne zog sich mit leichtem Surren auf. Stille. Pause. Schweigen. Bis endlich ein leichtes Räuspern erklang. „So endet nun das Zeitalter der Ruhe. Lasst uns erneut aufbrechen“, sagte ein Mann im Dunkeln. Er trat mit langsamem Schritt aus dem Schatten und im Lichte konnte jeder sein Gesicht erblicken. Er war der erfahrende Spieler. Er winkte in die anderen Ecken und holte so seine Freunde dazu. Da betritt der durchschnittlichen Spieler den beleuchteten Bereich, der alles durchschnittlich kann und sich anhand von Tabellen den Seelenfrieden erzeugt. Ein weiterer Freund ist der unerfahrene Spieler, der ständig Fragen stellt, wissbegierig ist und stets bemüht ist, die ganze fantastische Welt zu verstehen. So stehen sie in der Mitte der Bühne und betrachten das Publikum und verbeugen sich vor Euch. Der erfahrener Spieler ergreift das Wort: „Diese Einleitung galt als kleine Erinnerung oder Einstieg. Wir wurden alle älter…“, der durchschnittliche Spieler führte den Satz fort: „ … und erfahrener. Schließlich entwickeln wir uns alle weiter, erlangen neue Fähigkeiten und Talente …“, doch das Ende des Satzes sprach der unerfahrener Spieler: „ … und müssen doch erkennen, dass wir nie alles verstehen werden.“

18:59 Uhr, Stammplatz der Rollenspielgruppe
Es ist eine Minute vor Spielstart. Alle setzten sich zusammen und entdeckten, was zu entdecken galt: Ein neues. spannendes Abenteuer!
Und so setzten sich die Vier an den Tisch. Moment… die Vier? Wer ist der Vierte? Mein Blick schweift zu den Vieren und ein böser Blick kreuzt meinen. Sofort erkenne ich meinen Fehler und muss mich direkt korrigieren: Wer ist die Vierte? Als die Stille mir die Antwort vorenthielt, entschied ich mich in meiner Freiheit als Autor sie auf den Namen: „Die Freundin“ zu taufen. Doch wie sie dahin kam und warum sie da saß, das ist die Geschichte des heutigen Tages.

BEGIN INTERCEPTION
Sind Sie isoliert? Finden Sie keine Abenteuer? Jetzt das soziale Netzwerk für Abenteurer: Questbook!
END INTERCEPTION

11:20 Uhr, irgendwo in der realen Welt
Es klingelt irgendwo ein Telefon. Der erfahrene Spieler geht ans Telefon. „Hi Freundin.“ Einen Moment nickt er und lauscht der lieblichen Stimme am Telefon. Er lächelt kurz und sagt: „Ich würde gerne mit dir losziehen, doch heute treffe ich mich mit meiner Rollenspielgruppe. Komm doch zum Rollenspiel?“ Erste Ausflüchte erklingen wohl gesprochen von der Freundin. „ Nein? Warum, sollte das nichts für dich sein?“ Es folgen weitere lose Ausflüchte auf der anderen Seite der Telefonleitung. „Nur, weil du es komisch findest? Wie willst du das beurteilen, ohne dabei gewesen zu sein?“. Ihm fiel auf, dass er nur noch Fragen stellte. Eine schlechte Ausgangssituation. Er entschloss den Angriff nach vorne: „Pass auf. Du kommst heute kurz mit, siehst es dir an. Und wenn es für dich nichts ist, dann gehen wir nach einer Stunde wohin du willst.“ Das Lächeln des erfahrenen Spielers wurde breiter und wuchs zu einem Grinsen, zu einem sehr breiten Grinsen.

13:47 Uhr, in der Wohnung der Freundin
Der erfahrene Spieler kam in die Wohnung der Freundin, im Sinne einer Freundin und nicht seiner Freundin. Er hatte mehrere dicke Bücher dabei. Er war hoch motiviert. Was gab es schon tolleres als seinen ersten Charakter zu bauen. Sie hingegen sah eher weniger motiviert aus. Nach einer kurzen Begrüßung setzen sie sich zusammen und bauten für die Freundin einen Charakter. Nehmen wir doch einfach Mal an, dass die Diskussion lief ungefähr so:
Erfahrener Spieler: „Welche Rasse möchtest du spielen?
Die Freundin: „Welche ist denn nett anzusehen?“
Etwas später…
Erfahrener Spieler: „Welche Klasse möchtest du spielen?“
Die Freundin: „Was bietet sich denn an, ist einfach zu spielen und dauert nicht so lang bei der Erstellung?“
Etwas später…
Erfahrener Spieler: „So und nun musst du noch Talente aussuchen.“
Die Freundin: „Kannst du das nicht für mich machen? Ich habe doch keine Ahnung.“
Etwas später…
Erfahrener Spieler: „Ok abschließend brauchst du noch Ausrüstung.“
Die Freundin: „Hmmm, gibt es dazu auch Bilder? Ich möchte schon eine hübsche Rüstung haben.“
Etwas später…
Erfahrener Spieler: „Ok. Nun musst du dir nur noch einen Namen aussuchen.“
Die Freundin: „Wie heißt ihr denn bisher so bei euch?“
Erfahrener Spieler: „ Hohler Krieger und Bauer kann nichts.“
Die Freundin: „… Oh mein Gott…“
Etwas später…
Erfahrener Spieler: „Ok… alles was du nicht entschieden wolltest, baue ich dir gerade zusammen.“
Die Freundin: „Tut mir leid. Ich glaube das ist nicht so mein Ding.“
Erfahrener Spieler: „… … … Ich brauche eine Pause.“

BEGIN INTERCEPTION
Wollen Sie auch einen Grabstein, mit einem schwarz humorigen Spruch wie zum Beispiel: „Ritter sollten nicht an der Rüstung sparen“, „Er sagte noch, er käme gleich wieder.“ oder „Seine letzten Worte sollen für alle in Erinnerung bleiben und ein Mahnmal darstellen: Ich schaffe das!“ Last word standing – Ihr Ansprechpartner für Grabsteine mit dem gewissen Spruch.

Und ein Rap von unserer Elben-Bardin: Alaihray Deilahria de Voraylinayrailay
Magier
singen Klagelieder,
kann kein Zauber sie retten,
und waren zu oft im Astralen jetten,
beginnt ein Weinen
und ein Flennen
und Sie meinen
sie können rennen.
Krieger,
Feind erkannt,
Eid erkrankt.
Die Rüstung zu starr,
die Brüstung zu nah,
das Schwert zerbrochen,
stürzt er ausversehen
Da waren die Knochen gebrochen.
Nichts mit nach Hause gehen.
Er liegt im Gras,
tja das war‘s.
Waldläufer,
Elfenbier Säufer.
Sitzt in der Taverne,
Ohren gespitzt, das hab’n wa‘ gerne.
Schleicht von dannen,
weicht vor Tannen.
Kennt den Weg,
bis zum Steg.
Ein Schritt, zu weit,
der Tritt, nicht gescheit.
Das war es mit dem Wald
Was klar war, ihm wurde kalt.
Ist der Sinn auch geflüchtet,
haben wir viele Reime gezüchtet.
END INTERCEPTION

17:34 Uhr, in der Wohnung der Freundin
Der erfahrene Spieler ist endlich mit dem Charakterbogen fertig. Es ist ein gut ausgefeilter Charakter, der die Gruppe ergänzt und der Freundin hoffentlich Spaß macht und dabei auch leicht zu spielen ist. Na gut, die Freundin kann damit Leben und der erfahrene Spieler ist einfach nur froh den Charakter fertig zu haben. Er ist gespannt, was die Gruppe dazu sagt. Beide machen sich zum Stammplatz auf. Aber bevor sie aufbrechen können, muss sich die Freundin umziehen und kurz noch fertig machen. Als fertig aus dem Bad eilt, wirkt es am Ende so, als würde sie noch woanders hingehen wollen.

19:05 Uhr, Stammplatz der Rollenspieler
ROLEPLAY INTERCEPTION START
Unsere Helden der hohle Krieger und Bauer kann nichts sitzen in einer Taverne. Sie ahnen noch nicht, dass ein neues Abenteuer vor ihnen liegt. Anders, als alles was sie bisher erlebten. Alles fing damit an, dass sich eine verdammt heiße Elbe mit hautenger Lederrüstung und zwei verdammt scharfen Musikinstrumenten sich an Ihren Tisch setzte. „Hallo. Mein Name ist Alaihray Deilahria de Voraylinayrailay. Ich bin eine Elfen-Bardin.“
Der Krieger und der Bauer schauten sich sprachlos und vielsagend Grinsend an.
ROLEPLAY INTERCEPTION END

Möge die Sonne Euch in der Nacht hell leuchten,
sowie die Sterne am Tage.
Barthelomeo

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Marburger Nachtmarathon 29.06.2012 und meine Gedanken dabei

Okay… okay. Es ist kein Rollenspielthema. Aber ich habe einer Freundin, Juliane, eine Kurzform dieses Eintrages geschickt und wir fanden beide diesen gut. Für den Blog habe ich den Eintrag etwas verlängert. Und da es sich hier ausschließlich um meine Gedanken handeln, und ich immer noch Rollenspieler bin… Tja kommt mal ein Sporteintrag.

Vor dem Start (12:03 Uhr):
Ich steige lässig mit meiner coolen Lederjacke aus dem schön klimatisierten Zug. In Bielefeld war es ja noch kühl, als ich los fuhr. Kaum stehe ich auf dem Gleis in Marburg überkommt mich eine wahre Hitzewelle. Es ist heiß, sehr heiß, verdammt heiß. Ich gehe zur Bushaltestelle. Ich habe keine Ahnung wo die ist, aber da fährt eine Linie zu der Jugendherberge. Ich verlasse den Bahnhof und sehe… 3 Bushaltestellen an drei Straßen, die sich vor mir Kreuzen. Gut, ich brauch einen naiven Plan: Laufe alle ab und schaue, welche die Richtige ist. Ich gehe zur erst Besten und liege richtig. So muss das laufen. Kaum stehe ich an der Haltestelle, ziehe ich meine Jacke aus. Ich schwitze vom rumstehen. Alter, wie soll das erst Heute Abend werden?

Vor dem Start (12:50 Uhr):
Ich verlasse den Bus und steige aus und verlaufe mich. -.- Zur Rettung eilt ein geschätztes 13 jähriges Mädchen. Sie ist völlig perplex als ich sie anspreche. Erkläre mich: Habe mich verlaufen, suche die Jugendherberge und bin aufgeschmissen ohne ihre Hilfe. Sie lacht, wird rot und zeigt mir die Richtung, in die ich gehen muss. Top! Ich finde die Jugendherberge ohne Probleme. Nur an den Eingang gehe ich tatsächlich zweimal vorbei. Notiz an mich: Niemanden erzählen! Das Einzelzimmer ist für eine Jugendherberge purer Luxus. Es hat eine eigene, wirklich sehr gute Dusche und Badezimmer.

Vor dem Start (15:50 Uhr):
Ich bin mit Juliane und einigen anderen in Marburg in der schönen Altstadt. Man sagt mir, dass die Strecke nicht ausgeleuchtet ist. Ich habe keine Kopflampe dabei. Juliane bietet mir ihre an, die ich dankend annehme. Es regnet plötzlich. Ach die paar Tropfen. Es blitzt, donnert und dann legte der Regen so richtig los. Habe ich erwähnt, dass ich ein weißes T-Shirt anhabe? Leute, das ist kein Scherz! Nach dem Regen ist es marginal kühler, aber nun auch noch schwül. Die Bedingungen werden immer besser. Erfahre, dass an irgendeinem Stadion das Ziel sein wird. Wir laufen in ein Stadion ein? Sehr schön.

Vor dem Start: (16:30 Uhr):
Ich liege in der Jugendherberge und versuche etwas zu schlafen. Ich hoffe, dass es kein Unwetter mehr gibt.

Vor dem Start (16:50 Uhr):
Ich werde von einem Ton Check geweckt. Ich stehe auf, sehe aus meinem Fenster und entdecke ein Stadion und ein aufgebautes Ziel. Cool, beim Ziel hab ich eine private Dusche, ist mein erster Gedanke. An Schlafen ist nun kaum mehr zu denken bei dem Ton Check. Ich lege mich trotzdem hin und döse weiter.

Vor dem Start(18:00 Uhr):
Noch eine Stunde bis zum Start, ich stehe bereit und gehe langsam den Berg hoch zur Altstadt, wo der Start ist. Auf meinem Weg sehe ich irgendwie noch kaum Straßenabsperrungen. Der Ordnungsdienst und die Polizei stehen zumindest bereit. Dann passiert es sicher gleich.

Vor dem Start (18:55 Uhr):
Ich setze mir die Lampe von Juliane auf. Die hat schon mehr Gewicht als meine, die ich zu Hause habe. Hm gut. Juliane und ihre Freunde verabschieden sich, da sie von ganz Hinten des Starterfeldes starten wollen. Nun stehe ich hier vorne alleine. Ich tippe 100 Leute sind vor mir. Schön das alle Marathon und Halbmarathon-Läufer gleichzeitig starten. Sonst wäre es auf der langen Distanz sicher einsam. 150 starten nämlich beim Marathon und 1300 über den Halbmarathon. Ich realisiere gerade, dass ich mich mental noch gar nicht auf Marathon eingestellt habe. Welche Taktik laufe ich eigentlich? Hm keine Ahnung. Nun ist es auch zu spät. Oh man… warte mal, die neben mir kommen aus meiner Region. Mal ansprechen… Hmm okay, scheinen ja nett zu sein. Mal sehen. Ich sagte nun ich wolle 4 Stunden laufen. Oh ein älterer Herr beteiligt sich an der Diskussion. Er wolle drunter laufen. Nun gut, 4 Stunden sind für viele machbar und für noch einmal so viele nicht machbar. Ich lass mir nicht anmerken, dass ich 4 Stunden selber für unrealistisch halte und es ein Traum wäre drunter zu laufen. Ah der Startschuss! Wir stehen -.- . Also das übliche warten, bis man auch darf. Es geht los… Juhu… Ich bin auf der Strecke und es geht Bergab.

KM 1:
Ich muss lachen xD Die haben nichts abgesperrt. Die haben einfach den Verkehr gestoppt. Ich muss innerlich noch mehr lachen. Ich sehe genervte Leute in Bussen, genervte Leute in Autos. Sorry Leute, aber ich kann euch wirklich verstehen. Was ein Scheiß! Also dann läuft das ganze Starterfeld gewissermaßen Zickzack zwischen den Autos hin und her.

KM 5:
So wir verlassen nun die Stadt. Mal sehen, wer läuft mein Tempo grob? Alleine Laufen ist doof. Okay, die Frau und der Mann gute 25 Meter vor mir laufen mein Tempo. Ich laufe mal ran und schließe mich an. Warum bin ich nun nach wenige 100 Meter der Pacemaker von denen? Der Mann reißt direkt ab. Die gehörten wohl nicht zueinander. Die Frau bleibt dran, na immerhin. So, nun sind es noch 37 km. Scheiße, denk positiver.

KM 8:
So da ist die zweite Getränkestelle. Bei diesem Marathon sind alle 4 Km die Getränkestellen müsst ihr wissen. Die Frau kommt nicht mehr hinter her. Ich drehe mich noch einmal zu ihr um, aber möchte auch nicht warten. Ich habe mein Rhythmus und den möchte den nicht aufgeben. Km 8 in 39 Minuten und 40 Sekunden. Verdammt, ich bin viel zu schnell. Ich habe eine Pace von 5 Minuten pro Km. Das macht also 12 km/h. Noch fühle ich mich gut, aber 34 km liegen noch vor mir.

KM 9:
Die Kerle aus meiner Region vom Start überholen mich „Mensch du läufst bei dem Tempo 3:30“ Ich nur so „Das wäre neue Rekordzeit, aber der Lauf ist noch lang!“ Sie lachen und ziehen ab.

KM 10:
Uh eine andere Frau nutzt mich als Pacemaker und schließt sich an. Irgendwie scheint nun auch die erste 10 km Schleife fertig zu sein. Wir gehen in eine zweite, neue Schleife. Da die Halbmarathonläufer mitkommen, kann die auch nur so 10 Km lang sein. Auf geht’s!

KM 12:
Warum ist da ein Schild für KM 33 und 22? Oh nee, diese zweite Schleife muss ich dreimal Laufen -.- Scheiße… Ich wusste es, von wegen 2 Runden, was Julianes Freunde sagten. Es sind doch 3 Runden. Es ist nicht nur heiß, schwül, sondern der Lauf wird auch noch eine mentale Belastung.

KM 14:
Ich bekomme Nackenschmerzen. Muss die Lampe abnehmen und nun so tragen und halten. Wie lange lief Juliane damit auf ihrem 100 km Ultra rum? Alter, mit dem Ding musst du trainieren, damit der Nacken das mitmacht -.-

KM 15:
Nun ist sie Frau von Km 10 mein Pacemaker. Ich sah an ihrer Nummer, sowie an den Nummern aller Leute die sich mir anschließen, dass sie nur den Halbmarathon laufen. Na das wird auf der zweiten Hälfe gleich spaßig.

KM 19:
Ich bin wieder der Pacemaker für die Frau von Km 10/15. Laufen dicht zusammen. Sie scheint irgendwie alle zu kennen. Ich finde das unheimlich. Das halbe Publikum ruft sie beim Namen. Ah da winkt mir einer zu und überholt mich. Ah der Kumpel von Juliane, der den Halbmarathon, um die 1:30 Laufen wollte. Na das schafft er nicht mehr, haben jetzt ja schon 1:35 auf der Uhr. Aber warte mal. Ich laufe immer noch sehr entspannt konstant 5 Minuten pro Kilometer. Krass… Warten wir bis 28 Km ab. Meine persönliche große, böse Marke, bei der mich die Krämpfe ereilen. Immerhin die Nackenschmerzen sind weg.

KM 21:
Wir sind wieder am Stadion. Die Schleife habe ich also nun zum ersten Mal beendet. Aber ich wusste es: Alle biegen ins Stadion und niemand ist mehr da. Das heißt auch kein Publikum. Keine Leute, die einen aufbauen, und eine Runde, die ich noch zweimal ablaufen muss. Ich bin so einsam. Das Rennen wird nicht nur körperlich, sondern auch mental nun sehr hart. Ich denke einen Moment daran aufzugeben. Aber dann fädle ich mich für die Marathonläufer ein. Hinter mir höre ich das Jubeln vieler, die ins Stadion einlaufen. Hinter einer Kurve sehe ich das Schild: 21. Ich habe 1:46h auf der Uhr. Ich sollte bald das Tempo rausnehmen, denn ich habe Panik mich zu übernehmen. Wie weit wohl Juliane mit ihren restlichen Freunden ist? Die machen danach Party. Es ist also nun 20:46 Uhr. Es ist nicht merklich kühler geworden. Scheiße, was mache ich hier? Ach ja richtig, ich liebe diesen Sport. Eine emotionale Wärme steigt in mir auf, die das bestätigt. Ich muss lächeln und laufe weiter und gucke wo das 12 km-Schild ist. Irgendwann kommt es und ich denke mir: HAHA, nun zählt das 22er für mich! Leider kommt es erst einige Meter danach.

KM 23:
Sag mal, gibt es hier keine Dixies für die Läufer?

KM 24:
Ich verstehe… ob Mann, ob Frau und egal was die Not sagt, alle gehen in die Büsche. Eigentlich sollte es ja Dixies geben auf einem Marathon.

KM 26:
Toll, ab der 2. Runde dürfen wir Marathonläufer nun auch noch eine kleine Extrarunde zusätzlich laufen.

KM 28:
Der Frisur sitzt, keine Beschwerden. Der alte Mann vom Start überholt mich, meint ich sei schnell unterwegs. Ich erkläre ihm, dass alles ok ist und es läuft. Er zieht ab. Der ist sicher um die 65 oder älter. Krasser Typ.

KM: 31:
Ah das Stadion in Sicht und Hörweite und die Distanz vom Hermannslauf ist absolviert in 2:46h. Damit habe ich gute 60 Minuten für die letzten 10 Km gebraucht. Das ist ok. Ich bin also runter auf einer 6 Minuten Pace pro Kilometer. Warte Mal, wenn ich die halten könnte, ein Traum, dann wäre ich bei 3:52h im Ziel.

KM 32:
So endlich. Die 2. Runde war Mental die Schlimmste bisher (und sollte es auch gewesen sein). Ein Gefühl von es geht nach Hause kommt auf. Dies stärkt ungemein meine Mentalität. Ich habe nicht mehr daran gedacht aufzuhören. Ich bin auf der 3. Wiederholung dieser dämlichen Schleife.

KM 33:
Scheiße… Scheiße… fühl ich mich gut. Ich ziehe wieder leicht an. Die Staffelläufer und ein Marathonläufer sind verwundert, wie locker ich sie überhole und äußern das. Der eine Läufer ist eh schon immer kurz vor mir oder hinter mir seit KM 27. Seine Freundin fährt mit Fahrrad vor und verpflegt ihn. Wie lieb von ihr.
Ich verliere ungefähr 1 Minute pro Verpflegungsstand. Also müsste ich bei 3:54h reinkommen, da noch zwei vor mir liegen. Denn nun bleibe ich bei jedem Stand kurz stehen und esse und trinke „in Ruhe“.

KM 35:
Es wird dunkel und endlich etwas kühler.

KM 36:
Der einzige Marathon, den ich vorher durchgelaufen bin, war der Berlin Marathon. Jedoch kam bei Km 36 der Mann mit dem Hammer und machte mich fertig. Doch noch ist alles ok! Keine Krämpfe, keine Schmerzen, keine Magenprobleme und noch 6 Km und ich habe 3:18h auf der Uhr.

KM 37:
Sehr geil. Die haben hier ein Stück Pfad mit Teelichtern ausgeleuchtet und da… Lichtschlangen… Geil warum starten wir eigentlich nicht erst um 22:30 und machen überall Teelichter? Das wäre so toll. Ich mache ein paar Plätze in der Gesamtwertung gut, denn immer mehr Leute Gehen statt Laufen. Ich halte recht locker noch meine Pace und überhole sie.

KM 39:
Das war der letzte Verpflegungspunkt. Auf geht es ins Ziel. Nun ist es komplett dunkel. Ich sehe nichts mehr, bis auf das was die Sterne und der Mond erhellt. Ich realisiere aber auch nicht, dass ich Julianes Lampe noch in der Hand habe.

KM 41:
Noch 1,2 Km und 3:47h auf der Uhr! Verdammt bin ich bisher konstant gelaufen. Für die letzten 20 Km habe ich exakt 2 Stunden gebraucht! Doch da ist er! Der Mann mit dem Hammer. Egal. Ich nehme nochmal leicht das Tempo raus. Ich habe 13 Minuten nun Zeit für 1,2 Km. Das sollte es gewesen sein. Ein Traum könnte gleich wahr werden!

KM 42:
Der Typ, den ich bei 33 überholt habe und der von seiner Freundin verpflegt wurde überholt mich, nennt mich beim Namen und macht mir Mut. Ja, wir packen die letzten Meter.

KM 42,195:
Ich bin im Ziel, 3:56:08 sagt später die Urkunde. Ich kann es nicht fassen. Jetzt, wo ich völlig aus dem Rhythmus bin merke ich, dass meine Oberschenkel durch sind. Ich gehe zu den Sanis, die helfen mir beim Ausdehnen, reichen mir Magnesium und unterhalten sich ganz toll mit mir. Erfahre die Lebensgeschichte von einem. Cooler Typ.
Ich gehe auf mein Zimmer und treffe auf dem Weg dahin einen der Leute aus meiner Ecke. Die schlafen wohl auch in der Jugendherberge. Der eine ist völlig fertig. Sagt, alle von denen hätten unter der Hitze massiv leiden müssen. Sage ihm, dass ich knapp unter vier Stunden blieb und mir ginge es eigentlich sehr gut. Ich humple leicht und völlig erschöpft aufs Zimmer. Habe ich erwähnt, dass mein Zimmer im 3. und höchsten Stock dieser Jugendherberge war?

Auf dem Zimmer:
Es kommt über mich, endlich… endlich unter 4 Stunden. Emotional fällt viel ab. Ich bin glücklich! Danach gehe ich das erste Mal duschen.

Am nächsten Morgen beim Frühstück:
Treffe alle aus meiner Ecke, die mit mir gestartet sind. Der eine musste aussteigen, humpelt sehr schwer. Ich springe schon fast im Vergleich sehr fröhlich. Aber nun merke ich Muskelkater in den Schultern und in den Beinen. Es ist 8 Uhr, ein zweites Mal frisch geduscht nehme ich endlich ein richtig dickes Frühstück zu mir. Das habe ich mir auch redlich verdient!

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